II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 473



die Arbeiterschaft in den übrigen Ländern einem selbsthorrlichen
der von Speiser und Genossen vertreten wurde.
Landeshauptmann ausgeliefert ist, die Arbeiterschaft von Wien
Der Antrag lautet:
aber einem selbstherrlichen christsichsozialen Bundesminister.
Die Interpellation.
(Stürmischer Beifall und Händeklatschen bei den Sozial¬
demokraten.)
„Dem Vernehmen nach hat der Bundesminister für
Inneres und Unterricht de weitere Aufführung des Theater¬
Ordnungsruf für den Präsidenten Seitz.
stückes von Schnitzler „Reigen“ verboten.
Präsident Dr. Dinghofer: Abgeordneter Seitz hat
Nach der Theaterverordnung vom 14. November 1850
den Bundesminister für Inneres als einen unfähigen Beamten
3, bedarf jede Bühne. produktion vor ihrer ersten Dar¬
bezeichnet. Ich halte das für eine Ungehörigkeit, für ein
tellung der Aufführung bewilligung von seiten des Statt¬
Ueberschreiten der parlamentarischen Ausbrucksweise und rufe
halters. Nah § 5 kann die erteilte Bewilligung aus Gründen
den Abgeordneten Seitz deshalb zur Ordnung
der öffentlichen Ordnung jederzeit zurückgenommen
(Lebhafter Beifall bei den Christlichsozialen. — Zwischenrufe bei
werden. Zuständig zur Erteilung einer Aufführungsbewillt¬
den Sozialdemokraten.)
gung und zur Zurück ahme der Bewilligung ist somit der
Abg. Sever (Sozialdemokrat): Wollen Sie nicht den
Statthalter. Nach dem neuen Bundesverfassungsgesetz ist
Minister zur Ordnung rufen?
an Stelle des Statthalters der Landeshauptmann getreten.
Präsident Dr. Dinghofer: Da kein Redner mehr zum
Das Verbot des Bundesministers für Inneres und Unter¬
Worte gemeldet ist, ist die Debatte über diesen Gegenstand ge¬
richt greift also in die Kompetenz des Landes.
schlossen. (Lebhafte Zwischenrufe.)
hauptmannes ein. Ich stelle daher den Antrag: Der Herr
Bür ermeister als Landeshauptmann wolle die
Schärfere Opposiiion.
Autonomie des Landes Wien gegen jedweden
Auf Antrag des Abg. Sever wird beschlossen, die Gesetz
Cingriff der Bundesregierung energisch wahren
entwürfe betreffend die Verlegung des Sitzes von Aktiengesell¬
Die Gemeinderätin Frau Dr. Seitz=Motzko begleitet
von
schaften ins Ausland, betreffend die Außerkraftsetzung
die Verlesung dieses Dringlichkeitsantrages mit lebhaften Pfui¬
Gesetzen und Verordnungen, die mit dem fünften Teile des
ufen und fängt auch kurze Zeit mit ihrer Pultlade zu klopfen
Staatsvertrages von St.= Germain nicht im Einklang stehen
in. Auch andre Mitglieder der Minorität begleiten die Ver¬
ferner die Wehrgesetznovelle einer ersten Lesung
esung mit lebhaften Zwischenrufen.
zu unterziehen.
Die Devatte.
Verweigerung des Ordnungsrufes für Minister
Dem Antrage wird die Dringlichkeit zuerkannt
Gemeinderat Speiser führt in Begründung seines An
Dr. Glanz.
trages aus:
Abg. Dr. Bauer: Der Bundesminister für Inneres hat
Das Verbot des Bundesministers für Inneres und Unter¬
in seiner Rede eine Aeußerung gebraucht, die ich genau gehört
richt stellt den ersten Versuch eines Eingriffes In
habe. Er sagte mit einer deutlichen und unzweideutigen Spitz
die Autonomie des Landes Wien dar. Der Gegen¬
gegenüber der Kritik, die von unsrer Partei an ihm geübt
stand, an dem sich dieser Eingriff vollzieht ist eigentlich für
worden ist, er überlasse das Urteil darüber allen anständigen
neinen Dringlichkeitsantrag ohne Belang. Redner ver¬
weist darauf, daß seine Partei für eine zentralistische Bundes
verfassung der Republik Oesterreich gekämpft habe,
aber
wie es schien, gern. Dinge, die mich nicht erreichten. Ich hätte
schließlich sich fügen und der autonomistischen Gestaltung der
es mich etwas kosten lassen, seine Stimme zu hören. Er tat es
Republik zustimmen mußte. „Nun aber sind wir selbstverständ¬
nicht. Eben sagte der Verteidiger: „Und so muß man es, hohes
lich entschlossen, die autonomen Rechte, die dem Lande Wien
Gericht, geradezu frivol nennen, meinen Klienten der Preis¬
durch die Bundesverfassung gewährleistet sind, zu verteidigen
treiberei zu bezichtigen, einen Mann, der nach dem Gutachten
wir werden nicht zugeben, daß ein Bundesminister die Rechte
Niemand
des hochverehrten Herrn Sachverständigen...
ieses freien und autonomen Landes und seines Landeshaupt¬
nannes einfach wegeskamotiert. Niemals hätte es dieser Her
glaubt, welche Gestehungskosten Schuhösen haben. Da ist
Bundesminister gewagt, etwa mit dem Herrn Landeshauptmann
Gewichtsverlust, da ist Schwund, da ist ein Waggon zu berück¬
von Vorarlberg oder Tirol so zu verfahren, wie er es sich gegen¬
sichtigen, der, mit ausschließlich für den Schuster an der Ecke
über dem Herrn Landeshauptmann von Wien herausnimmt.“
bestimmten Oesen gefüllt, vor Gänserndorf verbrannte — kurz
Gemeinderätin Dr Seitz=Motzko (christlichsozial) er¬
und gut: die Sache stand böse für mich. Ob sie mich einsperren
lärt unter großer Unruhe, daß der Landeshauptmann von
würden? Da .. . in einem Verzweiflungsaugenblick, über¬
Wien sich schwer gegen das Volk von Wien versündigt habe
wand ich meinen Stolz und rief: „Das ist nicht alles! Der
Es ist geradezu unglaublich, daß dieses Stück „Der Reigen“
Angeklagte hat mich auch tätlich mißhandelt!“ Dies erregte
das nichts andres ist. als eine Konzession an die Geilheit eines
noch größeren Unwillen gegen mich, denn es hielt auf
auswärtigen Schiebertums, in Wien aufgeführt werden dürfe
„Dehnen S' die Anklage auf 411 aus, Kollega?“ fragte der
und daß entgegen allen Einsprachen der Bürgermeister von
Wien als Landeshauptmann ein berartiges Stück schützt. Wir
Richter und schrieb schon etwas mit Bleistift auf den Akten¬
erheben flammenden Protest gegen dieses Vorgehen, das die
umschlag. Jetzt endlich mußte der Vertreter des Staates
Würde und die Ehre deutscher Frauen auf das tiefste verletzt
reden. Nein. Er nickte. „Ich mache Sie aufmerksam, ein amts¬
Wir Frauen von Wien begrüßen es von ganzem Herzen, daß
ärztliches Parere ist nicht im Akt!“ warnte mich der Richter
die Regierung den Mut gehabt hat, diesem Skandal Einhalt
„Ich kann es beschaffen!“ versicherte ich. Oh, hätte ich
zu bieten, und wir verlangen vom Landeshauptmann, daß er
geschwiegen! Denn der Richter erklärte nichts als: „Vertagt!
ein Verhalten hier rechtfertige. (Fortgesetzte stürmische
Zur Einholung eines Gutachtens der Preisprüfungsstelle un
Zwischenrufe der Sozialdemokraten, aus denen man immer
Beischaffung eines amtsärztliches Pareres.“ — „Die Schuhe!“
wieder die Worte heraushört: „Melbingermoral! Hier handelt
bat ich zitternd, „es ist August..., wenigstens die Schuhe....!
es sich um die Verteidigung der Autonomie!“) Der Landes¬
Aber es wurde bereits „Sibonte Weißstein — Mathilde Bach
hauptmann wird sich hier rechtfertigen müssen, wie er dazu
gekommen ist, dem ganzen Volk von Wien Trotz zu
Ehrenbeleidigung!“ aufgerufen. Und da der öffentliche An¬
bieten. (Mit erhobener Stimme:) Hüten Sie sich, und
kläger den Saal verließ, fragte ich ihn verzweifelt, ob die
spielen Sie nicht mit dem Aeußersten. Es gibt eine
nächste Verhandlung wenigstens bald zu erwarten sei. Jetzt
Gewalt, die sich stärker erweisen wird, als Sie. Ich verlange
sprach er. Seine Worte waren: „So um den Oktober herum . .!
im Namen meiner Parteigenossen, daß der Herr Bürgermeister
Vor Weihnachten war der Prozeß zu Ende. Ich wurde nicht
uins über sein Verhalten Rechenschaft gibt und frage, obe¬
eingesperrt. Der Schuster an der Ecke auch nicht. Die Schuhe
gewillt ist, das Verbot über dieses Stück auszusprechen.
erhielt ich, nachdem ich 1875 K. bezahlt hatte, zurück. Auf der
(Stürmischer Beifall bei den Christlichsozialen. Gegenrufe bei
Kaype des rechten haftete ein stattlicher runder Tintenfleck mit
den Sozialdemokraten.) Vor den Bänken der Christlichsozialen
entsteht ein heftiger Meinungsaustausch zwischen der Gemeinde¬
Als ich sie am heiligen Abend zum erstenmal trug, sagte meine
rätin Kramer und einigen christlichsozialen Gemeinde¬
rätinnen, die ihr zurufen: „Pfui Teufel!“, das will eine
Wirtschafterin: „Könnten sich die alten gelben Schuh' auch
Lehrerin sein, schämen Sie sich, den Schutz für das Dirnen¬
schon schwarz färben lassen...!“
tum zu verteidigen!“
Kunschak (christlichsozial) beginnt seine Rede unter
heftigen Zwischenrufen und meint, es sei bezeichnend, daß die
„Tja.“ machte Herr von Issewitz=Oppenrode etwas nach¬
Aufführung eines Schaustückes, das Saustück genannt werden
denklicher, „tjaa.... Na und Sie, Doktor,“ wandte er sich an
könne, zu Weiterungen zwischen den Parteien führen könne.
mich, als ich auch jetzt nicht Miene machte, zu reden, „Sie
Nicht nur die Bevölkerung Wiens, sondern auch die Bevölke¬
schweigen ja immerzu?“ — „Gewiß,“ erwiderte ich. „Weil ich
rung andrer Städte, auch im Deutschen Reich, habe die Auf¬
zuviel zu sagen hätte Soviel jedenfalls, um Sie nie mehr
führung des „Reigen“ abgelehnt. Wenn schon der Friedens¬
darüber im Zweifel zu lassen, daß einer, der hierzulande ein
vertrag den Anschluß Oesterreichs an das Deutsche Reich unter¬
Michael Kohlhaas sein wollte, ein Tartüff oder zumindest ein
sage, so sei doch nicht verboten, daß sich Oesterreich in sittlicher
Götz von Berlichingen werden müßte ...!“.
und kultureller Beziehung an das Deutsche Reich anschließe.
Am Sse T
bewilligung des

hat Herr Glanz!
solchen Rechtsbeugung
Die Anwort des La
Ich habe dem H#
„Durch Bericht seitens
Kenntnis gesetzt worde
lasse des Bundesminist
10. Fobruar 1921 die
führungsbewilligung fül
Schnitzler außer Kraft
untersagt wurde. Na
vember 1850 bedarf
Darstellung der Auffül
halters. Nach § 5 kanz
gründen der öffentlich
werden. Nach § 7 steht
scheidung des Stattha
Innern zu. Aus diesen
daß die Untersagu
neten Bühnenwerkes
ür Inneres und
Magistratsabteilung 55
kutiven Durchführung
der Polizeidirektion im
ist nun nach den Verfas
Wien getreten. Ich wer
zustehenden Rechte um
Entscheidung, und nur
Gogen Schluß der
großen Teil von Gegen
begleitet war, steigern
Sozialdemokraten rufen
Rede lebhafte Beifalls
Nieder mit der Regier
Kunschak (chriff
hat als stärkstes Argum
Wien 28 nicht gegense
auf einen Fall, der
hundert in Wiene
genannt hat, über dess
Rasen liegt. Der Herr
Geschmack vereinbarlich
obwohl er wissen mußte
Argument gegen den
b
gebrauchte, vor dem Ge
monatiger Kerkerstrafe
Rufe: Soein Landes
bei den Christlichsozial
hinzuzufügen und übe
sich selbst darüber ein
ziedrigt, der in solcher
brauch macht. (Lebhaft
Christlichsozialen.)
Der Antrag des
Mehrheit abgerehn
Mehrheit der gesch
gewiesen.
Kompetenzst
ministen
Der Streit zwische
Landeshauptmann von
des Innern Dr. Glan
olgende Kernfrage: Be
assungsmäßig gleichgest
Bundesminister, eine #
der andre, der Lande
Frage ist nicht leicht zu
vom 1. Oktober 1920 no
vielfacher Ergänzungsg
Die Bundesverfas
die Befugnisse des Bun
gebung und Vollziehun
bestimmt Artikel 15,
ausdrücklich durch
oder auch der Vollziehm
ständigen Wirkungsbere
angelegenheiten sind un
gezählt, bezüglich deren
zwischen Bund und Lä
kommende Materie der
Theaterstücken ist bisher