Wien, Samstag
usheben. Dann hätte sich der
hließen, ob er diesem Auftrage des
t
will oder nicht. Herr Glanz hat
andeshauptmannes hinweg und der
eslauptmannes entgegen direkt
eine flagrante Verletzung
sübst im alten Oesterreich un¬
unk die bekannte Affäre des steirischen
ten Peinlich zur Sprache und übt
halten des Ministers auch in dieser
Be
mmenhang damit bemerkt er: Glauben
um fähig und berufen ist, auf diesem
ni Sie, Herr Minister, nicht, daß Sie
tes haben, aber daß Ihnen die zur
des Innern in so ernster Zeit
rikein Fehler sein, im Gegenteil, Sie
ächneter Literaturkenner und Aesthet
fühlen, Werturteile abzugeben über
und den christlichen Kernstock, viel¬
chöne Feuilletons über Theaterstücke
ten Sie erkennen, daß Sie auf dem
isters für Inneres unmöglich sind.
hler, zu dem vielen Unglück, daß wir
noch das hinzuzufügen, daß man die
en Beamten plagt.
krifft, so wird der Landeshauptmann
ien dem Minister die gebührende
Ich glaube kaum, daß er seine Zu¬
it. Wir kennen den Landeshauptmann
ruhigen, besonnenen Mann. Er wird
n Glanz beliebt und ob er wegen einer
mismäßig untergeordneten
Frage
rfassungskampf zu er¬
diesen
n er aber
mpfunternimmt, dann
sfechten. Wir werden daran denken.
größeren und wichtigeren Fragen
einmal gestatteten, daß ein wichtiges
rd. Wir werden es nicht dulden, daß
übrigen Ländern einem selbstherrlichen
liefert ist, die Arbeiterschaft von Wien
chen christlichsozialen Bundesminister.
nd Händeklatschen bei den Sozial¬
für den Präsidenten Seitz.
nghofer: Abgeordneter Seitz hat
Inneres als einen unfähigen Beamten
für eine Ungehörigkeit, für ein
nentarischen Ausdrucksweise und rufe
Seitz deshalb zur Ordnung
Christlichsozialen. — Zwischenrufe bei
zialdemokrat): Wollen Sie nicht den
aufen?
nghofer: Da kein Redner mehr zum
ie Debatte über diesen Gegenstand ge¬
chenrufe.)
ifere Opposition.
bg. Sever wird beschlossen, die Gesetz'
Verlegung des Sitzes von Aktiengesell¬
von
betreffend die Außerkraftsetzung
igen, die mit dem fünften Teile des
t.= Germain nicht im Einklang stehen
Fnovelle einer ersten Lesung
Ordnungsrufes für Minister
Dr. Glanz.
Der Bundesminister für Inneres hat
ßerung gebraucht, die ich genau gehört
deutlichen und unzweideutigen Spitz
ie von unsrer Partei an ihm geübt
das Urteil darüber allen anständigen
ige, die mich nicht erreichten. Ich hätte
sen, seine Stimme zu hören. Er tat es
erteidiger: „Und so muß man es, hohes
nennen, meinen Klienten der Preis¬
einen Mann, der nach dem Gutachten
errn Sachverständigen... Niemand
ungskosten Schuhösen haben. Da ist
Schwund, da ist ein Waggon zu berück¬
thließlich für den Schuster an der Ecke
Neues Wiener Tagblats.
Menschen. Diese Aeußerung wurde in einem Ton und in einer
Weise vorgebracht, die über ihren Sinn keinen Zweifel übrig
ieß. Der Präsident hat es nicht für notwendig erachtet, diese
Beleidigung, die der Minister einer großen Partei des Hauses
zugefügt hat, zu rügen. Auf Grund des § 76 der Geschäfts¬
rdnung verlange ich, daß der Minister des Innern zur
Ordnung gerufen werde. (Lebhafter Beifall bei den
Präsident Dr. Dinghofer: Ich möchte zunächst fest¬
stellen, daß ich während der Rede des Ministers des Innern
nicht anwesend war und daher auch ein persönliches Urteil
darüber nicht abgeben kann. Soviel ich aber aus den Aus¬
führungen des Abg. Dr. Bauer entnehme, muß ich entscheiden,
daß ich nicht in der Lage bin, dem Herrn Minister wegen
dieser Aeußerung einen Ordnungsruf zu erteilen.
Abg. Seitz: Ich finde es höchst sonderbar, daß der Präsi¬
dent, der soeben einen Ordnungsruf für einen Ausdruck erteilt
hat, den man vielleicht als eine Wertung von Fähigkeiten be¬
zeichnen kann, den Ordnungsruf gegenüber einem Ausdruck
verweigert, durch den die moralischen Qualitäten andrer
in
für
Frage gezogen werden. Ich halte eine solche Entscheidung
ganz unzulässig. Man kann ein gane anständiger Mensch
und es ist daher noch lange keine so schwere Beleidigung, jemand
der Unfähigkeit zu zeihen, als wenn man sich in der Argumenta¬
tion gegen jemand auf die Zustimmung aller anständigen
Menschen beruft und ihn so der Unanständigkeit zeiht.
Präsident Dr. Dinghofer: Ich habe keine Ver¬
anlassung, eine andre Entscheidung zu treffen, und bleibe bei
meiner ersten Entscheidung. (Lebhafte Zwischenrufe.)
Die Sitzung wird hierauf geschlossen. — Der Termin der
nächsten Sitzung wird im schriftlichen Wege mitgeteilt werden.
Stürmische Debatte im Wiener Landtag.
In der gestrigen Sitzung des Wiener Land¬
tages wurde, wie zu erwarten war, das Verbot der
Aufführung von Schnitzlers „Reigen“ gleichfalls zur
Diskussion gestellt. Den Anlaß dazu gab ein von sozial
demokratischer Seite eingebrachter Dringlichkeitsantrag,
der von Speiser und Genossen vertreten wurde.
Der Antrag lautet:
Die Inserpellation.
„Dem Vernehmen nach hat der Bundesminister für
Inneres und Unterricht die weitere Aufführung des Theater¬
stückes von Schnitzler „Reigen“ verboten.
Nach der Theaterverordnung vom 14. November 1850
3, bedurf jede Bühne. produktion vor ihrer ersten Dar¬
tellung der Aufführung bewilligung von seiten des Statt¬
halters. Nach § 5 kann die erteilte Bewilligung aus Gründen
der öffentlichen Ordnung jederzeit zurückgenommen
werden. Zuständig zur Erteilung einer Aufführungsbewillt¬
gung und zur Zurück ahme der Bewilligung ist somit der
Statthalter. Nach dem neuen Bundesverfassungsgesetz ist
an Stelle des Statthalters der Landeshauptmann getreten.
Das Verbot des Bundesministers für Inneres und Unter¬
richt greift also in die Kompetenz des Landes.
hauptmannes ein. Ich stelle daher den Antrag: Der Herr
Bür ermeister als Landesheuptmann wolle die
Autonomie des Landes Wien gegen jedweden
Cingriff der Bundesregierung energisch wahren.
Die Gemeinderätin Frau Dr. Seitz=Motzko begleitet
die Verlesung dieses Dringlickk itsantriges mit lebhaften Pfui¬
rufen und fängt auch kurze Zeit mit ihrer Pultlade zu klopfen
an. Auch andre Mitglieder der Minorität begleiten die Ver¬
lesung mit lebhaften Zwischenrufen.
Die Debatte.
Dem Antrage wird die Dringlichkeit zuerkannt.
Gemeinderat Speiser führt in Begründung seines An¬
Das Verbot des Bundesministers für Inneres und Unter¬
richt stellt den ersten Versuch eines Eingriffes in
die Autonomie des Landes Wien dar. Der Gegen¬
tand, an dem sich dieser Eingriff vollzieht, ist eigentlich für
neinen Dringlichkeitsantrag ohne Belang. Redner ver¬
veist darauf, daß seine Partei für eine zentralistische Bundes¬
erfassung der Republik Oesterreich gekämpft habe, aber
chließlich sich fügen und der autonomistischen Gestaltung der
Republik zustimmen mußte. „Nun aber sind wir selbstverständ¬
ich entschlossen, die autonomen Rechte, die dem Lande Wien
durch die Bundesverfassung gewährleistet sind, zu verteidigen;
vir werden nicht zugeben, daß ein Bundesminister die Rechte
dieses freien und autonomen Landes und seines Landeshaupt¬
nannes einfach wegeskamotiert. Niemals hätte es dieser Herr
Bundesminister gewagt, etwa mit dem Herrn Landeshauptmann
von Vorarlberg oder Tirol so zu verfahren, wie er es sich gegen
12. Tebruer 1921.
Nr. 42
Redner beantragt, den Sachverhalt zu prüthen und dem
Gemeinderat darüber Bericht zu erstatten. (Besfall bei den
Thristlichsozialen.)
Eine Erklärung des Landeshauptmannes Neumann.
Landeshauptmann Reumann bedauert es, daß der
Anlaß zu dieser Debatte über ein wichtiges Verfassungsrecht
die Ursache in der Aufführung des „Reigen“ hat. Er hätte ge¬
wünscht, daß ein wichtigerer Anlaß dazu Gelegenheit
gegeben hätte. Da nun diese Frage so vom Zaune gebrochen
wurde, so müsse er vor allem darauf verweisen, daß in den ver¬
chiedensten Tingel=Tangels die Sittlichkeit verletzt werde. (Zu¬
timmung bei den Sozialdemokraten. Die christlichsozialen Ge¬
neinderäte machen in zahlreichen Zwischenrufen Einwendungen.)
Landeshauptmann Reumann: Denken Sie nur an den
Wimberger! Die Erinnerung an die Madame Aschanti
st Ihnen sehr zuwider. (Zustimmung bei den Sozialdemokraten
Heftige Gegenrufe der Christlichsozialen.) An mich ist die Frage
gestellt worden, warum ich die Aufführung des „Reigen“ ge¬
stattet habe. Der Zensurbeirat hat gegen die Aufführung nichts
eingewendet. Der ehemalige Vizepräsident der Statthakterei
Tiels und Herr Glossy haben dagegen nichts eingewendet
und nun verlangt man von einem Sozialdemokraten als Lan¬
deshauptmann, der ein Gegner der Zensur überhaupt ist, haß
r die Aufführung verbieten solle. Kein Skandal der
Welt wird mich dazu bringen, daß ich die Auf¬
führungen des „Reigen“ verbiete. (Wawerka
christlisozial): Zusperren die Schieberlokale! Preyer (christ¬
lichsozial): Wir lassen uns dieses Stück nicht gefallen!)
Ich stehe auf dem Standpunkte, daß jeder einzelne berufen
st dazu, das Verfassungsrecht der Stadt Wien nicht schänden
zu lassen, und das würde geschehen, wenn man einer Vorschrift
zustirnen würde, die von einem Mann gegeben wird, der nichts
u diktieren hat. Ich habe also keine Ursache, mich zu
dem Bedienten des Herrn Glanz herabzuwür¬
digen. (Rufe bei den Sozialdemokraten: Bravo! Sehr richtig!)
Ich habe, gestützt auf die staatliche Verordnung vom November
1850, dem Herrn Glanz bereits einmal gesagt, daß ich seinem
Gebote nicht Folge leisten werde. Herr Glanz hat mir in
beispielloser Ueberhebung einen Erlaß zugesandt, in dem er
am Schlusse verlangt, daß ich die Aufführungs¬
bewilligung des „Reigen“ außer Kraft setze. Hiezu
hat Herr Glanz kein Recht und man kann auch einer
solchen Rechtsbeugung nie zustimmen.
Die Amwort des Landeshauptmannes an das Bi
ministeriem.
Ich habe dem Derrn Glanz folgende Ankwort erteilt
„Durch Bericht seitens der Magistratsabteilung 55 bin sh in
Kenntnis gesetzt worden, daß mit dem an diese gerichteren Er¬
asse des Bundesministeriums für Inneres und Unterrich vom
10. Februar 1921 die mit Ihrer Entscheidung erreilte Auf¬
ührungsbewilligung für das Bühnenwerk „Reigen“ von Artur
Schnitzler außer Kraft gesetzt und die weiter Aufführung
untersagt wurde. Nach der Thoaterverornung dem 14 Ro¬
vember 1850 bedarf jede Bühnenproduktion vor ihrer ersten
Darstellung der Aufführungsbewilligung von seiten des Statt¬
halters. Nach § 5 kann die erteilte Bewilligung aus Beweg¬
gründen der öffentlichen Ordnung jederzeit zurückgenen
werden. Nach § 7 steht dem Theaterunternehmer gegen die Kut¬
scheidung des Statthalters der Rekurs an den Minister
Innern zu. Aus diesen gesetzlichen Bestimmungen gebt hernor,
daß die Untersagung der weiteren Aufführung abbereich¬
neten Bühnenwerkes nicht vom Bundesministerium
für Inneres und Unterricht ausgeben kann. Die
Magistratsabteilung 55 wurde von mir beauftratt, mit der exe¬
lutiven Durchführung des dienstämtlichen Erlas### im Wege
der Polizeidirektion innezuhalten. An Stelle des Statthalters
ist nun nach den Verfassungsgesetzen der Lan##ann von
Wien getreten. Ich werde als Landeshauptmang von dem mir
zustehenden Rechte um kein Jota abweichen. Das ist die
Entscheidung, und nan soll Herr Glanz das Gesetz verletzen.
Gogen Schluß der Rede des Landeshauptmannes, die zun
großen Teil von Gegenrufen der christlichsozialen Gemeinderäte
begleitet war, steigern sich die Gegenrufe immer mehr. Die
Sozialdemokraten rufen dem Bürgermeister am Schlusse seiner
Rede lebhafte Beifallsbezeigungen zu. Es werden Rufe laut:
Nieder mit der Regierung! Abzug Glanz!
Kunschak (christlichsozial): Der Herr Landeshauptmann
hat als stärkstes Argument zum Schutze der Ehre der Gemeinde
Wien es nicht gegen seinen Geschmack gefunden, zu verweisen
auf einen Fall, der sich vor einem Vierteljahr¬
hundert in Wien ereignet hat und in dem er einen Mann
genannt hat, über dessen Leib schon seit fünfzehn Jahren der
Rasen liegt. Der Herr Landeshauptmann hat es mit seinem
Geschmack vereinbarlich gefunden, dies Argument zu gebrauchen
obwohl er wissen mußte, daß der Mann, der das erstemal dieses
Argument gegen den verstorbenen Abgeordneten Gregorig
usheben. Dann hätte sich der
hließen, ob er diesem Auftrage des
t
will oder nicht. Herr Glanz hat
andeshauptmannes hinweg und der
eslauptmannes entgegen direkt
eine flagrante Verletzung
sübst im alten Oesterreich un¬
unk die bekannte Affäre des steirischen
ten Peinlich zur Sprache und übt
halten des Ministers auch in dieser
Be
mmenhang damit bemerkt er: Glauben
um fähig und berufen ist, auf diesem
ni Sie, Herr Minister, nicht, daß Sie
tes haben, aber daß Ihnen die zur
des Innern in so ernster Zeit
rikein Fehler sein, im Gegenteil, Sie
ächneter Literaturkenner und Aesthet
fühlen, Werturteile abzugeben über
und den christlichen Kernstock, viel¬
chöne Feuilletons über Theaterstücke
ten Sie erkennen, daß Sie auf dem
isters für Inneres unmöglich sind.
hler, zu dem vielen Unglück, daß wir
noch das hinzuzufügen, daß man die
en Beamten plagt.
krifft, so wird der Landeshauptmann
ien dem Minister die gebührende
Ich glaube kaum, daß er seine Zu¬
it. Wir kennen den Landeshauptmann
ruhigen, besonnenen Mann. Er wird
n Glanz beliebt und ob er wegen einer
mismäßig untergeordneten
Frage
rfassungskampf zu er¬
diesen
n er aber
mpfunternimmt, dann
sfechten. Wir werden daran denken.
größeren und wichtigeren Fragen
einmal gestatteten, daß ein wichtiges
rd. Wir werden es nicht dulden, daß
übrigen Ländern einem selbstherrlichen
liefert ist, die Arbeiterschaft von Wien
chen christlichsozialen Bundesminister.
nd Händeklatschen bei den Sozial¬
für den Präsidenten Seitz.
nghofer: Abgeordneter Seitz hat
Inneres als einen unfähigen Beamten
für eine Ungehörigkeit, für ein
nentarischen Ausdrucksweise und rufe
Seitz deshalb zur Ordnung
Christlichsozialen. — Zwischenrufe bei
zialdemokrat): Wollen Sie nicht den
aufen?
nghofer: Da kein Redner mehr zum
ie Debatte über diesen Gegenstand ge¬
chenrufe.)
ifere Opposition.
bg. Sever wird beschlossen, die Gesetz'
Verlegung des Sitzes von Aktiengesell¬
von
betreffend die Außerkraftsetzung
igen, die mit dem fünften Teile des
t.= Germain nicht im Einklang stehen
Fnovelle einer ersten Lesung
Ordnungsrufes für Minister
Dr. Glanz.
Der Bundesminister für Inneres hat
ßerung gebraucht, die ich genau gehört
deutlichen und unzweideutigen Spitz
ie von unsrer Partei an ihm geübt
das Urteil darüber allen anständigen
ige, die mich nicht erreichten. Ich hätte
sen, seine Stimme zu hören. Er tat es
erteidiger: „Und so muß man es, hohes
nennen, meinen Klienten der Preis¬
einen Mann, der nach dem Gutachten
errn Sachverständigen... Niemand
ungskosten Schuhösen haben. Da ist
Schwund, da ist ein Waggon zu berück¬
thließlich für den Schuster an der Ecke
Neues Wiener Tagblats.
Menschen. Diese Aeußerung wurde in einem Ton und in einer
Weise vorgebracht, die über ihren Sinn keinen Zweifel übrig
ieß. Der Präsident hat es nicht für notwendig erachtet, diese
Beleidigung, die der Minister einer großen Partei des Hauses
zugefügt hat, zu rügen. Auf Grund des § 76 der Geschäfts¬
rdnung verlange ich, daß der Minister des Innern zur
Ordnung gerufen werde. (Lebhafter Beifall bei den
Präsident Dr. Dinghofer: Ich möchte zunächst fest¬
stellen, daß ich während der Rede des Ministers des Innern
nicht anwesend war und daher auch ein persönliches Urteil
darüber nicht abgeben kann. Soviel ich aber aus den Aus¬
führungen des Abg. Dr. Bauer entnehme, muß ich entscheiden,
daß ich nicht in der Lage bin, dem Herrn Minister wegen
dieser Aeußerung einen Ordnungsruf zu erteilen.
Abg. Seitz: Ich finde es höchst sonderbar, daß der Präsi¬
dent, der soeben einen Ordnungsruf für einen Ausdruck erteilt
hat, den man vielleicht als eine Wertung von Fähigkeiten be¬
zeichnen kann, den Ordnungsruf gegenüber einem Ausdruck
verweigert, durch den die moralischen Qualitäten andrer
in
für
Frage gezogen werden. Ich halte eine solche Entscheidung
ganz unzulässig. Man kann ein gane anständiger Mensch
und es ist daher noch lange keine so schwere Beleidigung, jemand
der Unfähigkeit zu zeihen, als wenn man sich in der Argumenta¬
tion gegen jemand auf die Zustimmung aller anständigen
Menschen beruft und ihn so der Unanständigkeit zeiht.
Präsident Dr. Dinghofer: Ich habe keine Ver¬
anlassung, eine andre Entscheidung zu treffen, und bleibe bei
meiner ersten Entscheidung. (Lebhafte Zwischenrufe.)
Die Sitzung wird hierauf geschlossen. — Der Termin der
nächsten Sitzung wird im schriftlichen Wege mitgeteilt werden.
Stürmische Debatte im Wiener Landtag.
In der gestrigen Sitzung des Wiener Land¬
tages wurde, wie zu erwarten war, das Verbot der
Aufführung von Schnitzlers „Reigen“ gleichfalls zur
Diskussion gestellt. Den Anlaß dazu gab ein von sozial
demokratischer Seite eingebrachter Dringlichkeitsantrag,
der von Speiser und Genossen vertreten wurde.
Der Antrag lautet:
Die Inserpellation.
„Dem Vernehmen nach hat der Bundesminister für
Inneres und Unterricht die weitere Aufführung des Theater¬
stückes von Schnitzler „Reigen“ verboten.
Nach der Theaterverordnung vom 14. November 1850
3, bedurf jede Bühne. produktion vor ihrer ersten Dar¬
tellung der Aufführung bewilligung von seiten des Statt¬
halters. Nach § 5 kann die erteilte Bewilligung aus Gründen
der öffentlichen Ordnung jederzeit zurückgenommen
werden. Zuständig zur Erteilung einer Aufführungsbewillt¬
gung und zur Zurück ahme der Bewilligung ist somit der
Statthalter. Nach dem neuen Bundesverfassungsgesetz ist
an Stelle des Statthalters der Landeshauptmann getreten.
Das Verbot des Bundesministers für Inneres und Unter¬
richt greift also in die Kompetenz des Landes.
hauptmannes ein. Ich stelle daher den Antrag: Der Herr
Bür ermeister als Landesheuptmann wolle die
Autonomie des Landes Wien gegen jedweden
Cingriff der Bundesregierung energisch wahren.
Die Gemeinderätin Frau Dr. Seitz=Motzko begleitet
die Verlesung dieses Dringlickk itsantriges mit lebhaften Pfui¬
rufen und fängt auch kurze Zeit mit ihrer Pultlade zu klopfen
an. Auch andre Mitglieder der Minorität begleiten die Ver¬
lesung mit lebhaften Zwischenrufen.
Die Debatte.
Dem Antrage wird die Dringlichkeit zuerkannt.
Gemeinderat Speiser führt in Begründung seines An¬
Das Verbot des Bundesministers für Inneres und Unter¬
richt stellt den ersten Versuch eines Eingriffes in
die Autonomie des Landes Wien dar. Der Gegen¬
tand, an dem sich dieser Eingriff vollzieht, ist eigentlich für
neinen Dringlichkeitsantrag ohne Belang. Redner ver¬
veist darauf, daß seine Partei für eine zentralistische Bundes¬
erfassung der Republik Oesterreich gekämpft habe, aber
chließlich sich fügen und der autonomistischen Gestaltung der
Republik zustimmen mußte. „Nun aber sind wir selbstverständ¬
ich entschlossen, die autonomen Rechte, die dem Lande Wien
durch die Bundesverfassung gewährleistet sind, zu verteidigen;
vir werden nicht zugeben, daß ein Bundesminister die Rechte
dieses freien und autonomen Landes und seines Landeshaupt¬
nannes einfach wegeskamotiert. Niemals hätte es dieser Herr
Bundesminister gewagt, etwa mit dem Herrn Landeshauptmann
von Vorarlberg oder Tirol so zu verfahren, wie er es sich gegen
12. Tebruer 1921.
Nr. 42
Redner beantragt, den Sachverhalt zu prüthen und dem
Gemeinderat darüber Bericht zu erstatten. (Besfall bei den
Thristlichsozialen.)
Eine Erklärung des Landeshauptmannes Neumann.
Landeshauptmann Reumann bedauert es, daß der
Anlaß zu dieser Debatte über ein wichtiges Verfassungsrecht
die Ursache in der Aufführung des „Reigen“ hat. Er hätte ge¬
wünscht, daß ein wichtigerer Anlaß dazu Gelegenheit
gegeben hätte. Da nun diese Frage so vom Zaune gebrochen
wurde, so müsse er vor allem darauf verweisen, daß in den ver¬
chiedensten Tingel=Tangels die Sittlichkeit verletzt werde. (Zu¬
timmung bei den Sozialdemokraten. Die christlichsozialen Ge¬
neinderäte machen in zahlreichen Zwischenrufen Einwendungen.)
Landeshauptmann Reumann: Denken Sie nur an den
Wimberger! Die Erinnerung an die Madame Aschanti
st Ihnen sehr zuwider. (Zustimmung bei den Sozialdemokraten
Heftige Gegenrufe der Christlichsozialen.) An mich ist die Frage
gestellt worden, warum ich die Aufführung des „Reigen“ ge¬
stattet habe. Der Zensurbeirat hat gegen die Aufführung nichts
eingewendet. Der ehemalige Vizepräsident der Statthakterei
Tiels und Herr Glossy haben dagegen nichts eingewendet
und nun verlangt man von einem Sozialdemokraten als Lan¬
deshauptmann, der ein Gegner der Zensur überhaupt ist, haß
r die Aufführung verbieten solle. Kein Skandal der
Welt wird mich dazu bringen, daß ich die Auf¬
führungen des „Reigen“ verbiete. (Wawerka
christlisozial): Zusperren die Schieberlokale! Preyer (christ¬
lichsozial): Wir lassen uns dieses Stück nicht gefallen!)
Ich stehe auf dem Standpunkte, daß jeder einzelne berufen
st dazu, das Verfassungsrecht der Stadt Wien nicht schänden
zu lassen, und das würde geschehen, wenn man einer Vorschrift
zustirnen würde, die von einem Mann gegeben wird, der nichts
u diktieren hat. Ich habe also keine Ursache, mich zu
dem Bedienten des Herrn Glanz herabzuwür¬
digen. (Rufe bei den Sozialdemokraten: Bravo! Sehr richtig!)
Ich habe, gestützt auf die staatliche Verordnung vom November
1850, dem Herrn Glanz bereits einmal gesagt, daß ich seinem
Gebote nicht Folge leisten werde. Herr Glanz hat mir in
beispielloser Ueberhebung einen Erlaß zugesandt, in dem er
am Schlusse verlangt, daß ich die Aufführungs¬
bewilligung des „Reigen“ außer Kraft setze. Hiezu
hat Herr Glanz kein Recht und man kann auch einer
solchen Rechtsbeugung nie zustimmen.
Die Amwort des Landeshauptmannes an das Bi
ministeriem.
Ich habe dem Derrn Glanz folgende Ankwort erteilt
„Durch Bericht seitens der Magistratsabteilung 55 bin sh in
Kenntnis gesetzt worden, daß mit dem an diese gerichteren Er¬
asse des Bundesministeriums für Inneres und Unterrich vom
10. Februar 1921 die mit Ihrer Entscheidung erreilte Auf¬
ührungsbewilligung für das Bühnenwerk „Reigen“ von Artur
Schnitzler außer Kraft gesetzt und die weiter Aufführung
untersagt wurde. Nach der Thoaterverornung dem 14 Ro¬
vember 1850 bedarf jede Bühnenproduktion vor ihrer ersten
Darstellung der Aufführungsbewilligung von seiten des Statt¬
halters. Nach § 5 kann die erteilte Bewilligung aus Beweg¬
gründen der öffentlichen Ordnung jederzeit zurückgenen
werden. Nach § 7 steht dem Theaterunternehmer gegen die Kut¬
scheidung des Statthalters der Rekurs an den Minister
Innern zu. Aus diesen gesetzlichen Bestimmungen gebt hernor,
daß die Untersagung der weiteren Aufführung abbereich¬
neten Bühnenwerkes nicht vom Bundesministerium
für Inneres und Unterricht ausgeben kann. Die
Magistratsabteilung 55 wurde von mir beauftratt, mit der exe¬
lutiven Durchführung des dienstämtlichen Erlas### im Wege
der Polizeidirektion innezuhalten. An Stelle des Statthalters
ist nun nach den Verfassungsgesetzen der Lan##ann von
Wien getreten. Ich werde als Landeshauptmang von dem mir
zustehenden Rechte um kein Jota abweichen. Das ist die
Entscheidung, und nan soll Herr Glanz das Gesetz verletzen.
Gogen Schluß der Rede des Landeshauptmannes, die zun
großen Teil von Gegenrufen der christlichsozialen Gemeinderäte
begleitet war, steigern sich die Gegenrufe immer mehr. Die
Sozialdemokraten rufen dem Bürgermeister am Schlusse seiner
Rede lebhafte Beifallsbezeigungen zu. Es werden Rufe laut:
Nieder mit der Regierung! Abzug Glanz!
Kunschak (christlichsozial): Der Herr Landeshauptmann
hat als stärkstes Argument zum Schutze der Ehre der Gemeinde
Wien es nicht gegen seinen Geschmack gefunden, zu verweisen
auf einen Fall, der sich vor einem Vierteljahr¬
hundert in Wien ereignet hat und in dem er einen Mann
genannt hat, über dessen Leib schon seit fünfzehn Jahren der
Rasen liegt. Der Herr Landeshauptmann hat es mit seinem
Geschmack vereinbarlich gefunden, dies Argument zu gebrauchen
obwohl er wissen mußte, daß der Mann, der das erstemal dieses
Argument gegen den verstorbenen Abgeordneten Gregorig