II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 475

Bundesminister für Inneres hat
g gebraucht, die ich genau gehört
lichen und unzweideutigen Spitz
on unsrer Partei an ihm geübt
Urteil darüber allen anständigen
e mich nicht erreichten. Ich hätte
ine Stimme zu hören. Er tat es
er: „Und so müß man es, hohes
en, meinen Klienten der Preis¬
Mann, der nach dem Gutachten
Sachverständigen ...“ Niemand
ten Schuhösen haben. Da ist
d, da ist ein Waggon zu berück¬
für den Schuster an der Ecke
Gänserndorf verbrannte — kurz
für mich. Ob sie mich einsperren
Verzweiflungsaugenblick, über¬
rief: „Das ist nicht alles! Der
lich mißhandelt!“ Dies erregte
en mich, denn es hielt auf
411 aus, Kollega?“ fragte der
is mit Bleistift auf den Akten¬
te der Vertreter des Staates
ache Sie aufmerksam, ein amts¬
Akt!“ warnte mich der Richter
versicherte ich. Oh, hätte ich
erklärte nichts als: „Vertagt
us der Preisprüfungsstelle und
s Pareres.“ — „Die Schuhe!“
## wenigstens die Schuhe....!
Weißstein — Mathilde Bach,
Und da der öffentliche An¬
te ich ihn verzweifelt, ob die
s bald zu erwarten sei. Jetzt
So um den Oktober herum ...!“
zeß zu Ende. Ich wurde nicht
er Ecke auch nicht. Die Schuhe
bezahlt hatte, zurück. Auf der
attlicher runder Tintenfleck mit
chfalls runzlig und ausgeblaßt.
um erstenmal trug, sagte meine
die alten gelben Schuh' auch
ssewitz=Oppenrode etwas nach¬
Doktor,“ wandte er sich an
Niene machte, zu reden, „Sie
ewiß.“ erwiderte ich. „Weil ich
jedenfalls, um Sie nie mehr
daß einer, der hierzulande ein
ein Tartüff oder zumindest ein
müßt“
TANiS Alls:
Das Verbot des Bundesministers für Inneres und Unter¬
richt stellt den ersten Versuch eines Eingriffes in
die Autonomie des Landes Wien dar. Der Gegen¬
stand, an dem sich dieser Eingriff vollzieht, ist eigentlich für
meinen Dringlichkeitsantrag ohne Belang. Redner ver
weist darauf, daß seine Partei für eine zentralistische Bundes¬
verfassung der Republik Oesterreich gekämpft habe, aber
schließlich sich fügen und der autonomistischen Gestaltung der
Republik zustimmen mußte. „Nun aber sind wir selbstverständ¬
lich entschlossen, die autonomen Rechte, die dem Lande Wien
durch die Bundesverfassung gewährleistet sind, zu verteidigen;
wir werden nicht zugeben, daß ein Bundesminister die Rechte
dieses freien und autonomen Landes und seines Landeshaupt¬
mannes einfach wegeskamotiert. Niemals hätte es dieser Herr
Bundesminister gewagt, etwa mit dem Herrn Landeshauptmann
von Vorarlberg oder Tirol so zu verfahren, wie er es sich gegen¬
über dem Herrn Landeshauptmann von Wien herausnimmt.“
Gemeinderätin Dr Seitz=Motzko (christlichsozial) er¬
klärt unter großer Unruhe, daß der Landeshauptmann von
Wien sich schwer gegen das Volk von Wien versündigt habe.
Es ist geradezu unglaublich, daß dieses Stück „Der Reigen“,
das nichts andres ist. als eine Konzession an die Geilheit eines
auswärtigen Schiebertums, in Wien aufgeführt werden dürfe
und daß entgegen allen Einsprachen der Bürgermeister von
Wien als Landeshauptmann ein derartiges Stück schützt. Wir
erheben flammenden Protest gegen dieses Vorgehen, das die
Würde und die Ehre deutscher Frauen auf das tiefste verletzt.
Wir Frauen von Wien begrüßen es von ganzem Herzen, daß
die Regierung den Mut gehabt hat, diesem Skandal Einhalt
zu bieten, und wir verlangen vom Landeshauptmann, daß er
sein Verhalten hier rechtfertige. (Fortgesetzte stürmische
Zwischenrufe der Sozialdemokraten, aus denen man immer
wieder die Worte heraushört: „Melbingermoral! Hier handelt
es sich um die Verteidigung der Autonomie!“) Der Landes¬
hauptmann wird sich hier rechtfertigen müssen, wie er dazu
ekommen ist, dem ganzen Volk von Wien Trotz zu
bieten. (Mit erhobener Stimme:) Hüten Sie sich, und
spielen Sie nicht mit dem Aeußersten. Es gibt eine
Gewalt, die sich stärker erweisen wird, als Sie. Ich verlange
im Namen meiner Parteigenossen, daß der Herr Bürgermeisten
uns über sein Verhalten Rechenschaft gibt, und frage, ob ei
gewillt ist, das Verbot über dieses Stück auszusprechen
Stürmischer Beifall bei den Christlichsozialen. Gegenrufe bei
den Sozialdemokraten.) Vor den Bänken der Christlichsozialen
entsteht ein heftiger Meinungsaustausch zwischen der Gemeinde¬
rätin Kramer und einigen christlichsozialen Gemeinde¬
rätinnen, die ihr zurufen: „Pfut Teufel!“, das will eine
Lehrerin sein, schämen Sie sich, den Schutz für das Dirnen¬
tum zu verteidigen!“
Kunschak (christlichsozial) beginnt seine Rede unter
heftigen Zwischenrufen und meint, es sei bezeichnend, daß die
Aufführung eines Schaustückes, das Saustück genannt werden
könne, zu Weiterungen zwischen den Parteien führen könne.
Nicht nur die Bevölkerung Wiens, sondern auch die Bevölke¬
rung andrer Städte, auch im Deutschen Reich, habe die Auf¬
führung des „Reigen“ abgelehnt. Wenn schon der Friedens¬
vertrag den Anschluß Oesterreichs an das Deutsche Reich unter¬
sage, so sei doch nicht verboten, daß sich Oesterreich in sittlicher
und kultureller Beziebung an das Deutsche Reich anschließe.
eWerce f. Das ist die
Entscheidung, und nun soll Herr Glanz das Gesetz verletzen.
Gogen Schluß der Rede des Landeshauptmannes, die zum
großen Teil von Gegenrufen der christlichsozialen Gemeinderäte
begleitet war, steigern sich die Gegenrufe immer mehr. Die
Sozialdemokraten rufen dem Bürgermeister am Schlusse seiner
Rede lebhafte Beifallsbezeigungen zu. Es werden Rufe laut:
Nieder mit der Regierung! Abzug Glanz!
Kunschak (christlichsozial): Der Herr Landeshauptmann
hat als stärkstes Argument zum Schutze der Ehre der Gemeinde
Wien es nicht gegen seinen Geschmack gefunden, zu verweisen
auf einen Fall, der sich vor einem Vierteljahr¬
undert in Wien ereignet hat und in dem er einen Mann
nannt hat, über dessen Leib schon seit fünfzehn Jahren der
Rasen liegt. Der Herr Landeshauptmann hat es mit seinem
Geschmack vereinbarlich gefunden, dies Argument zu gebrauchen,
obwohl er wissen mußte, daß der Mann, der das erstemal dieses
Argument gegen den verstorbenen Abgeordneten Gregorig
gebrauchte, vor dem Gericht in Wien als Verleumder mit mehr
monatiger Kerkerstrafe bestraft wurde. (Lebhafte Pfuirufe und
Rufe: So ein Landeshauptmann, Leichenschändung ist das!
ei den Christlichsozialen.) Ich habe dieser Feststellung nichts
inzuzufügen und überlasse es dem Herrn Landeshauptmann
sich selbst darüber ein Urteil zu bilden, wie ein Mann sich er¬
niedrigt, der in solcher Stellung von so niodrigen Mitteln Ge¬
brauch macht. (Lebhafter Beifall und Händeklatschen bei den
Christlichsozialen.)
Der Antrag des Abg. Kunschak wird sodann von der
Mehrheit abgelehnt, der Antrag Speiser mit genügender
Mehrheit der geschäftsordnungsmäßigen Behandlung zu¬
gewiesen.
Kompetenzstreit oder Nichtbefolgung
ministerieller Anordnung?
Von juristischer Seie.
Der Streit zwischen dem Bürgermeister Reumann al
Landeshauptmann von Wien=Land und dem Bundesministen
des Innern Dr. Glanz in der „Reigen“=Affäre dreht sich um
folgende Kernfrage: Besteht ein Kompetenzkonflikt zweier ver¬
fassungsmäßig gleichgestellter Faktoren oder hat der eine, der
Bundesminister, eine übergeordnete Verfügungsgewalt, der sich
der andre, der Landeshauptmann, unterordnen muß? Die
Frage ist nicht leicht zu entscheiden, weil die Bundesverfassung
vom 1. Oktober 1920 noch kein abgeschlossenes Werk ist, sondern
vielfacher Ergänzungsgesetze bedarf, die noch nicht erlassen sind.
Die Bundesverfassung grenzt in den Artikeln 10 bis 15
die Befugnisse des Bundes und der Länder in bezug auf Gesetz¬
gebung und Vollziehung ab. Im Rahmen dieser Abgrenzung
bestimmt Artikel 15, daß eine Angelegenheit, soweit sie nicht
zusdrücklich durch die Bundesverfassung der Gesetzgebung
ober auch der Vollziehung des Bundes übertragen ist, im selb¬
tändigen Wirkungsbereich der Länder verbleibt. Die Theater¬
angelegenheiten sind nun nicht unter jenen Gegenständen auf¬
gezählt, bezüglich deren in den Artikeln 10 bis 14 die Verteilung
zwischen Bund und Ländern vorgenammen ist. Die in Frage
kommende Materie der Genehmigung oder des Verbots von
Theaterstücken ist bisher durch die Theaterverordnung, eine Ver¬
Nr. 42
Wien, Sauste
ordnung des seinerzeitigen Ministeriums des Innern aus dem
Jahre 1850, geregelt. Beide Teile stützen sich auf diese Ver¬
ordnung. Diese Theaterordnung weist im § 3 die Aufführungs¬
bewilligung der Statthalterei zu. Nur wenn die Statthalterei
ein Verbot erlassen hat, entscheidet auf Reiurs des Aufführungs¬
werbers das Ministerium des Innern. Ueber die Rücknahme
einer erteilten Bewilligung sagt § 5 lediglich, daß sie aus
Beweggründen der öffentlichen Ordnung jederzeit erfolgen
kann. Landeshauptmann Reumann folgert nun aus der
Theaterordnung, daß auch eine Rücknahme der Aufführungs¬
erlaubnis ausschließlich dem Landeschef zugestanden habe, be¬
ziehungsweise zustehe. Diese Verwaltungsangelegenheit falle
demnach unter Artikel 15 der gegenwärtigen Bundesverfassung,
das heißt, sie habe im selbständigen Wirkungskreis
des Landes Wien zu „verbleiben“.
Der Bundesm nister seinerseits folgert aus dem Umstande
daß die Theatererdnung durch en Verfügung des Ministeriums
des Innern geregelt wurde, die Materie gehöre nach wie vor
n die Kompetenz des Ministeriums. Die Vollziehung stehe
sonach auch heute dem Bunde, beziehungsweise dem zuständigen
Innenressort zu Dieses könne sich demnach auf Artikel 103 der
gegenwärtigen Verfassung berufen, wonach in den Angelegen¬
heiten der mittelbaren Bundesverwaltung (das heißt der Voll¬
nung des Bundes durch den Laneshauptwennund#g