II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 482

Volks-Zeitung.
Folge 42
und in Berlin verboten, und wir als Deutsche
if erhielt. Die Sozialdemo= Verfassungsfrage. Das, was Sie
an der Donau (Lebhafte Zwischenrufe bei den
sagen, hat mit der Verfassung nichts zu tun.)
rer Opposition gegen den
Sozialdemokraten. Abg. Weber macht einen
Ich glaube auch nicht, daß die breiten Massen
durch Ausdruck, daß sie sofort
Zwischenruf in tschechischer Sprache.) wollen
der Wiener Bevölkerung es als besonderen
von drei ersten
in unserem sittlichen Reinlichkeitsgefühl nicht
Verlust betrachten werden, wenn einer kleinen
arunter zur Wehrgesetz¬
inter dem übrigen deutschen Volk zurückstehen
Zahl frivoler Genießer diese dem
ungten: dabei wird es vor¬
sittlichen Empfinden und dem Ernst diesei Zen
(Andauernde Zwischenrufe bei den Sozial¬
nieuen Sturmszenen kommen.
demokraten.)
widersprechenden Vergnügungen entzogen
tausschusse gaben sie ihrer
werden.
ch den Antrag Ausdruck, den
Ein schwerer politischer Fehler.
Die Tumuliszenen.
besenden Minister Glanz zum
Abg. Seitz: Die höchst bedauernswerten
fordern.
Mehrere Sozialdemokraten dringen auf
Szenen, die sich hier ereignet haben, sind, wie
den Platz des Ministers ein und schleudern
he Anfrage der Sozial¬
ch glaube, auf einen schweren politi¬
stürmische Zurufe gegen die Minister¬
chen Fehler der christlichsozialen Partei
demokraten.
ank. Der Präsident erteilt in dem herrschenden
und der Mehrheit in diesem Hause überhaupt
hung der Tagesordnung wies
Lärm mehreren Abgeordne### Ordnungs¬
urückzuführen. Oesterreich ist viel zu schwach,
er in einer dringlichen An¬
rufe. Der Tumult im Saale steigert
um eine Regierung von Angestellten
daß das Verbot des „Reigen“
sich, als der Minister mit den Worten schließt:
oder gar Söldlingen zu ertragen. (Leb¬
ei, da zur Ausübung der
Ich werde auf die gegen mich versönlich ge¬
hafte Zwischenrufe bei den Christlichsozialen
Wien einzig und allein der
richteten Angriffe nicht näher eingehen, ich
Ruse: Unerhört! Sie sprechen von Söld¬
von Wien befugt sei. Das
glaube, das Urteil über mein Wirken aber
lingen?) Politischen Takt kann man natürlich
aß der Regierung das Diktat
edem anständigen Menschen
einem jungen Mann, einem jungen streb¬
her stehe, als die Be¬
überlassen zu können.
amen Monn, der einige Jahre
in
Perfassung. Es wird schließlich
Die Christlichsozialen nehmen diese Worte
Präsidialbureaus gedient hat und dann plötzlich
Bundesminister den Erlaß
mit stürmischem Beifall auf. während die
auf einen solchen Posten berufen wurde (Leb¬
ckhiehen wolle.
Sozieldemofraten mit tobendem Lärm ant¬
hafte Zwischenrufe bei den Christlichsozialen.
hner erklärte, er wolle sich
worten. Die Abgeordneten Zelenka,
Rufe: Nicht beleidigen!), nicht zumuten. Wenn
eine Diskussion über ästhetische
Witternigg und Forstner schlagen
es richtig ist, daß sich Dr. Glanz erkühnt hat
einlassen und gar nicht
Wigen

mit den Fäusten auf den Regi
Lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemo
„Reigen“ künstlerisch und
rungstisch und rufen in höchster Er¬
kraten), hier zu sagen, er werde sich die Gesetze
Es handelt sich hier um die
regung: „Wer ist ein unanständiger Mensch?
der Anständigkeit nicht vom Hause vor¬
liche Seite der An¬
Sie Lakaienseele!“
schreiben lassen (Lebhafter Widerspruch bei den
Nach dem Bundesverfassungs
Die Worte des Präsidenten, der die
Christlichsozialen. Rufe: Das hat er nicht
Landeshauptmann, in diesem
Abgeordneten Witternigg und Zelenka
gesagt!), oder wenn er gesagt haben soll, er
rmeister von Wien, die Ent¬
zur Ordnung ruft, gehen im Tumult unter.
überlasse das Urteil, das von einer großen
en die, wenn sie einmal im
Vor der Ministerbank kommt es zu
Partei des Hauses beanständet wurde, jedem
Falle erfolgt ist, eine Ent¬
Keilereien zwischen Sozialdemo kraten und
anständigen Menschen, so ist das eine Rede¬
ferung nicht angerufen
Christlichsozialen.
weise, die ungehörig ist. Die ästhetischen
Kur in dem Falle, wenn sie
Die Ordner geben sich angestrengteste
Auffassungen des Dr. Glanz interessieren uns
ausgefallen ist, ist eine
Mühe, die raufenden Gruppen zu trennen.
gar nicht. Wir kümmern uns auch nicht
Regierung möglich.
Ein Teil der christlichsozialen Abgeordneten
darum, welches Publikum das Stück an¬
des Ministers Dr. Glanz.
drängt sich gegen die Sozialdemokraten, die
rt. Daß es keine Arbeiter sind, kann
er Dr. Glanz: Schon vor
vor der Ministerbank stehen, vor, unter den
ch bestimmt sagen. Sie haben nicht
„Reigen“ die durch den
ortgesetzten Rufen: Juden, Saujuden
die Mittel, so hohe Preise zu zahlen.
der Eigenschaft als politische
Judenbagage! Allen voran agitiert der
Es sind dort also doch eher die bürger¬
gt ist, hatte der Polizei¬
teirische Christlichsoziale Pischitz. Es kommt
lichen Kreise zu finden. (Rufe bei den Christ¬
Wien auf die schweren
zu wüsten Szenen, in deren Verlau
lichsozialen: „Juden! Nur Juden!“) Pardon,
egen die Aufführung dieses
schließlich der Abgeordnete Sever mit dem
ich bin ein alter Wiener und knne die Wiener
fmerksam gemacht. Die Auf¬
Ellenbogen des Herrn Pischitz in sehr
hristlichsozialen genau. Ich möchte nicht
tückes gab alsbald zu leb¬
unsanfte Berührung gerät. Man
kontrollieren, wie viele von ihren besten
in
der
örterungen
hört nur einen wüsten Lärm und das Läuten
Freunden lüsternen Blickes und mit
znlaß. Hiebei sprach sich die
der Glocke des Präsidenten Weiskirchner.
gespanntem Ohr die Aufführung verfolgen.
de Mehrzahl der
der schließlich das Bedauern über diese
Wenn hier immer von der bedrohten Sittlich
Stimmen gegen die
Vorfälle ausspricht, die die Würde des Hauses
keit gesprochen wird, die Sittlichkeit der
(Abg. Seitz: Wo haben
verletzen.
Wiener Arbeiter wird durch die Aufführung
Großer Lärm.)
des „Reigen“ nicht verletzt, weil die Arbeiter
Der Standpunkt der Christlichsozialen.
indruck war, daß die Auf¬
nicht hingehen. Und wer sonst immer für seine
Der christlichsoziale Abgeordnete Volker,
ge Verletzung der
Sittlichkeit fürchtet, hat ja die Freiheit, an dem
führt
der hierauf das Wort nimmt,
Sittlichkeit bedeute
Theater vorüberzugehen. Um was es sich
aus, daß es sich nicht um einen Kompetenz¬
dem sittlichen Empfinden
handelt, ist die politische Frage,
daß
konflikt, sondern darum handelt,
er Wiener Bevölkerung in
Frage der Verfassungsmäßigkeit
Be¬
das Sittlichkeitsgefühl der
stehe. (Lebhafter Jeifall und
dieses Erlasses des Dr. Glanz. Wir wissen, daß
völkerung verletzt werde. Wir stehen, sagte
den Christlichlon alen, großer
Sie die Absicht haben; in den Ländern, in
er, auf dem Standpunkt, in dieser Zeit muß
zialdemokraten. Abg. Seitz:
denen Sie die Majorität haben, den Landes¬
die Sittlichkeit gewahrt werden. Die Arbeiter¬
ie das? Abg. Pick: Sie
hauptmann zu einem selbstherrlichen
frauen werden gewiß nicht zum „Reigen“
ästhetische Meinungen vor,
Gebieter zu machen, der vom Staat voll
gehen. (Lebhafter Beifall und Händeklatschen
sArgument. Abg. Doktor
kommen unabhängig ist, gleichzeitig aber dort,
bei den Christlichsozialen.) Wer geht denn hin?
Präsident als Krawall¬
wo ein Sozialdemokrat als Landeshauptmann
Nur sattgefressene Schieber! (Stür¬
Dr. Bauer: Ein solcher
wirkt, ihm gegenüber die sogenannte Staats¬

mischer Beifall bei den Christlichsozialen.
Mataja wagt das zu sagen.)
autorität, das heißt hier die Autorität eines
Lebhafte Zwischenrufe bei den Sozialdemo¬
(der Mühe hat, sich ver¬
christlichsozialen Soldlings, geltend zu machen.
kraten.) Empören Sie sich darüber, daß
schen): Aus Rücksichten der
diesen Leuten versagt sein soll, den „Reige
Gewalt gegen Gewalt.
chkeit habe sich das Bundes¬
zu sehen? (Lebhafte Zwischenrufe bei den
hlossen, die weitere Aufführung
Dieser Politik werden wir den ent¬
Sozioldemokraten.) Wir stehen auf dem Stand¬
chiedensten Widerstand entgegen¬
verbieten. (Stürmischer
punkt, daß die Regierung ihre Pflicht ge¬
etzen. Wenn es uns auch gar nicht synpathisch
Christlichsozialen.) Die Vor¬
tan hat, und wir verteidigen das. Wir ver¬
ücke sind durchaus ein¬
ist, daß wir einen so untergeordneten
treten den Standpunkt der Regierung sehr wohl
Anlaß wie eine Theaterauf¬
Et. Die deutsche Kultur
und sagen, daß der Bürgermeister Reumann
ührung benützen müssen, um dieses
eich wird gewiß keinen
als Landeshauptmann seine Pflicht ver¬
Streben gleich im Keime zu ersticken, so tun
eiden, wenn Schaustellungen
(Oe¬
4
letzt hat. (Lebhafter Beifall und
wir es dennoch pflichtgemäß. Es darf kein
auf öffentlicher Bühne unter¬
Un¬
klatschen bei den Christlichsozialen. —
Schritt dieser Regierung erfolgen, der die in
ischer Beifall und Hände¬
dauernde Zwischenrufe bei den Soziawvemo¬
der Verfassung gewährleisteten Rechte des
uf bei den Sozialdemokraten.
kraten.) Man hat den „Reigen“ in München
Landes Wien auch nur im geringsten tangiert.
Es handelt sich hier um eine
Sie werden bei der Mehrheit der Bevölkerung
von Wien, im Landtage Wien sund bei der
g’wohnt. -Das können ' setzt nimmer tuan¬
ngt er zun lach'n an und sagt:
Landesregierilng von Wien gegenüber jedem
An schön groß'n Perserteppich hat eahner der
drei Jahr in das Haus
olchen Versuch einem Widerstand be¬
Herr eh'malige Kabskutscher a'kauft, a paar
Und drei Jahr zerbrich i mir
gegnen, der eisern ist und den Sie nicht
W
M
Samstag 12. Febrnar 1927
Cärmßzenen im Wiener Landta
Ein sozialdemokratischer Antrag zu
Wahrung der Autonomie.
Die Lärmszenen wegen des „Reig
Verbotes fanden am Abend in der Sitz
des Wiener Gemeinderates
Landtag ihre Fortsetzung.
Präsidem Dr. Danneberg teilte
daß die Gemeinderäte Speiser und
nossen anläßlich des „Reigen“=Verbotes
die Bundesregierung den Dringl
keitsantrag eingebracht haben:
Bürgermeister als Landeshauptmann wolle
Autonomie des Landes Wi
gegen jedweden Eingrif
Bundesregierung energ
wahren.
Frau Gemeinderätin Dt.
Sei
Motzko begseitete die Verlefung
Oringlichkeitsantrages mit lebhaften P
rufen und begann mit ihrer Pultla
n klopfen. Auch andere Mitglieder
Minonstät machten lebhafte Zwischenrufe. ∆
Antrage wurde sodann die Dring!
eit zuerkannt.
Zur Begründung eines Antrages füh
Imr. Speiser aus: Das Verbot
Bundesministers für Inneres stellt den er
Vensuch eines Eingriffes in die Autonomie
a#ides Wien dar. Der Gegenstand, an
i% dieser Eingriff vollziehi, ist eigentlich o
elang. Es sei notwendig, daß man sich
em Augenblick, wo es eine Bundesregier#
zum erstenmal versuche, die Autonomie
Landes Wien anzutasten, dagegen sofort
nit aller Energie zur Wehre setze. Niem
hätte es dieser Herr Bundesminister gewa
etwa mit dem Landeshauptmann von Vora
berg oder Tirol so zu verfahren, wie er es
gegenüber dem Landeshauptmann von W
herausnimmt.
Frau Gmr. Dr. Seitz=Mot
(christlichsozial) erklärte unter großer Unru
daß der Landeshauptman von Wien
chwer gegen das Volk von Wien versünd
habe. Es sei geradezu unglaublich, daß die
Stück „Der Reigen“, das nichts anderes
als eine Konzession an die Geilheit eines al
wärtigen Schiebertums, in Wien aufgefü
verden dürfe, und daß entgegen allen
sprachen der Bürgermeister von Wien
Landeshauptmann ein derartiges Stück schü
Sie erhebe flammenden Protest gegen die
Vorgehen, das die Würde und
Ehre deutscher Frauen auf di
tiefsteverletzt. Die Frauen von Wi
begrüßen es von ganzem Herzen, daß die
aierung den Mut gehabt habe, diesem Skand
Einhait zu gebieten, und sie verlangen ve
Landeshauptmann, daß er sein Verhalten h
echtfertige. (Fortgesetzte stürmische Zwische
rufe der Sozialbemokraten, aus denen in
die Worte heraushört: „Melbinge
moral!“ — „Hier handelt es sich um
Verteidigung der Autonomie!“
Nach dieser Rede entstand vor den Bänk
der Christlichsozialen ein heftiger Meinung
austausch zwischen der Gemeinderätin Kram
und einigen christlichsozialen Gemeinderätiung
die ihr zuriefen: „Pfui Teufel, das will ei
Lehrerin sein, schämen Sie sich, den Schm
für das Dirnentum zu verteidigen!“
Sodann ergriff Gmr. Kunschak un
eftigen Zwischenrufen das Wort. Wenn sch
er Friedensvertrag den Anschluß Oesterreichs
das Deutsche Reich untersage, so sei doch ni
verboten, daß sich Oesterreich in sittlich
und kultureller Beziehung
das Deutsche Reich anschließ
Der Erlaß wird nicht durchgeführt.
Landeshauptmann Reumann
1.
dauerte, daß der Anlaß zu dieser Debatte ül
in wichtiges Verfassungsrecht die Aufführn
des „Reigen“ sei. Er hätte gewünich
daß ein wichtigerer Anlaß dazu G
legenheit gegeben hätte. Da nun diese Frag
M i d