II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 486

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vom Ausschusse beantragten Resolutionen die Zustimmung er¬
teilt, worauf auch die Vorlage betreffend die Abänderung des
Spielabgabegesetzes in zweiter und drikter Lesung angenommen
und die Resolution Hölzl, die Sätze der einzelnen Abgabenstufen
den allgemeinen Teuerungsverhältnissen entsprechend zu er¬
höhen, genehmigt wird.
Der „Reigen“=Skandal im Parlamente.
In Begründung seines Dringlichleitsantrages betreffend
das Verbot der „Reigen“=Aufführung erklärt Abg. Leuth¬
ner, es handelt sich nicht um die künstlerische Seite, sondern
ausschließlich um die rein gesetzliche Seite der Angelegen¬
heit. Nach dem Bundesverfassungsgesetze stehe dem Landes¬
hauptmanne — in diesem Fa##e dem Bürgermeister von Wien
die Entscheidung nach der Theaterverordnung zu, gegen
dessen Bewilligung einer Aufführung die Entscheidung der Re¬
gierung gar nicht angerufen werden könne. Durch das Verbot
hat die Regierung die von ihr selbst geschaffene Bundesverfas¬
sung gebrochen, dieselbe Regierung, die es nicht wage, sich in
irgendwelche Verfügungen der Landeshauptleute einzumengen,
weil sie nicht eine Regierung der führenden Männer der christ¬
lichsozialen Partei ist, die zu feig waren, sich an die Spitze
zu stellen und die Verantwortung für ihre Handlungen zu über¬
nehmen. (Lebhafter Beifall und Händeklatschen bei den So¬
zialdemokraten, Zwischenrufe bei den Christlichsozialen.)
Diese selbe Regierung setze sich gegenüber dem Landeshaupt¬
mann von Wien mit Absicht über die Grenzen der Bundesver¬
darmen, weil diese die Entfernung des Herrn Peinlich fordern.
Dieser darf aber nicht entfernt werden, weil Landeshauptmann
Rintelen darin eine Prestigefrage erblickt und es nicht ge¬
stattet. Nach der Verfassung hat aber Herr Rintelen in dieser
Frage gar nichts dreinzureden, sondern nur der Bundesminister
Glanz, denn die Gendarmerie ist Bundessache. Wir stehen
vor einer Regierung, die sich um die Verfassung nicht kümmert,
sondern die Verwaltung ausschließlich nach den Gefälligkeiten,
die sie der Partei erweist, in deren Dienst sie arbeitet. Wenn
wir die Beispiele Rintelen und Reumann gegeneinander halten,
so sehen wir das System. Abg. Leuthner erklärt, der Versuch,
die Bundesversassung dort, wo sie ihren Parteiinteressen wider¬
spricht, nach ihren Wünschen umzudeuten, wird Ihnen nie gelin¬
gen. (Lebhafter Beifall und Händeklatschen bei den Sozialdenro¬
kraten. — Lärm.)
Die Erklärungen des Bundesministers Glanz.
Bundesminister Glanz führt aus: Der Magistrat als
politische Landesbehörde habe ungaachtet der vor der Zulassung
des „Reigens“ erhobenen Bedenken des Polizeipräsidenten nach
ist nichts so angenehm als ein Leben im Dienste der Mensch¬
heit.“ Nicht bloß das Frohseinkönnen tut uns not, sondern
auch das Entbehrenkönnen, das Sutsagenkönnen, das Er¬
tragenkönnen, und was alle drei zusammenfaßt, das Siegen¬
können. Wer dem Engel eines Menschen einmal ins Auge
sah mit den Augen der eigenen Seele, der bleibt sich seiner
Verantwortlichkeit bewußt für alle Einflüsse, die von
ihm auf die Mitmenschen ausgehen. Wer vom Christusgeist
erglüht, der möchte am liebsten selber
zum Schutzengel werden
an seinen Brüdern und Schwestern —
frei vom leifesten Schein
einer pharisäischen Selbstgerechtigkeit, unaufdringlich und bei¬
nahe unsichtbar, wie die Schutzengel der Menschen sind. Das
Gebot der Einfühlung schwebt dem Jesujünger immer vor
und läßt ihn all sein Tun und Lassen dem Mitmenschen
gegenüber unter die Frage stellen: „Was möchtest du, daß
der und der Mensch dir täte, wenn du in seiner Lage
wärest?“ Die Führer haben die Aufgabe, in einer Welt der
Losreißung von jeder Gewalt, der Klassen= und Völkerzer¬
klüftung der Ungerechtigkeit zu predigen die Bruderliebe und
die Barmherzigkeit. Wer das tut, der muß von sittlicher
Reife und Schönheit durchleuchtet sein.
Das sind nur einige Gedanken aus dem Buche Klugs,
die unseren Führern richtunggebend sind. Unsere Zeit brauch
mehr religiöse Innerlichkeit, und unsere Führer werden nur
dann den Suchenden und Ringenden etwas zu sagen haben,
wenn sie von diesem Geist ergriffen sind. Es besteht kein
Zweifel, daß mit dieser Frage de# Glück und die Zukunft
unseres Volkes und die Erfüllung des prophetischen Wortes
Ozanams abhängt: „Der Katholizismus wird sich mit
voller Kraft und Jugend über die Welt erheben und sich an
K. Sch.,
die Spitze des Jahrhunderts stellen.“
renmr
hafte Zwischenrufe bei den Sozialdemokraten.)
Präsident Seitz als Krawallmacher.
Abg. Seitz: Sie haben bis jetzt nur über ästhetische
Meinungen geredet, aber kein einziges Argument vorgebracht.
Abg. Dr. Matgja: Der Herr Präsident als K#awall¬
macher.
Abg. Dr. Bauer: Ein solcher Schreier, wie der Herr
Mataja wagt es, hier so zu sprechen. (Rufe bei den Sozialdemo¬
kraten: Präsident Seitz hat das Recht hier zu sprechen, so
wie Sie!)
Der Präsident gibt wiederholt das Glockenzeichen und mahnt
die Abgeordneten zur Ruhe.
Glanz: Ich wandte mich in einem Schreiben an den Herrn
Bürgermeister, nicht etwa, um die Verantwortung auf ihn ab¬
zuwälzen, sondern weil ich es für gebotene amtliche Courtoisie
ielt, zunächst ihm selbst eine abändernde Verfügung im eigenen
Wirkungskreise zu ermöglichen. Der Herr Bürgermeister teilte
mir jedoc hierauf mit, daß er nicht in der Lage sei, von seiner
ersten Entscheidung abzugehen.
Abg. Pich: Das muß Ihnen genügen! (Zwischenrufe.)
Glanz: Aus Rücksichten der öffentlichen Sicherheit
sah
sich nun das Bundesministerium für Inneres veranlaßt,
die
weiteren Aufführungen des „Reigen“ zu untersagen. (Zwischen¬
rufe.)
Der Präsident gibt das Glockenzeichen und mahnt zur
Ruhe.
Glanz: Ich mußte dabei hierauf Bedacht nehmen, daß
es sich um ein Stück handelt, dessen Grundlage, ja, wein ich
o sagen darf, dessen Leitmotiv eine Sache bildet, die bei allen
Völkern, selbst solchen, die sich auf anderen Stufen der Zivili¬
sation befinden, den natürlichen Gesühlen entsprechend mit einer
gewissen Diskretion umgeben wird. Die Vorgänge, die den
Kern des in Rede stehenden Stückes bilden, sind in dieser
Beziehung durchaus eindeutiger Art. Die deutsche Kultur in
Österreich wird gewiß keinen Schaden leiden, wenn die Schau¬
stellung solcher Vorgänge auf offener Bühne unterbleibt. (Stür¬
nischer Beifall und Händeklatschen bei den Christlichsozialen.
Hestige Gegenrufe bei den Sozialdemokraten. Lärm.)
Abg. Dr. Bauer: Es handelt sich um eine Verfassungs¬
frage. Das was Sie sagen, hat mit der Verfassung nichts
zu tun. (Fortgesetzte Zwischenrufe.)
Glanz: Ich glaube auch nicht, daß die weiteren Massen
er inneren Bevölkerung, die einen schweren Existenzkampf
ühren, es als Verlust betrachten werden, wenn einer kleinen
Zahl frivoler Genießer— die Berichte über die Zusammensetzung
und das Verhalten des Publikums während der Vorstellung
lassen an dieser Charakterisierung keinen Zweifel — dieses
em sittlichen Empfinden und dem Ernste der Zeit wider
prechende Vergnügen entgehen wird. (Heftige Zwischenrufe,
andauernder Lärm. Der Präsident mahnt wiederholt zur Ruhe.)
Die verfassugsrechtliche Seite des Verbotes.
Bundesminister Di. Glanz: Was die formelle Frage
etrifft, handelt es sich um folgendes: Da seitens des Magi¬
strates den Verhältnissen, wie sie sich nach Aufführung des
„Reigen“ gestaltet haben, nicht Rechnung getragen wurde,
war es nach den geltenden Kompetenzbestimmungen, welche
die Theaterangelegenheiten dem Ressort des Bundesministe¬
riums des Innern zuweist, mein Recht und meine Pflicht,
die weiteren Aufführungen zu untersagen. Wenn nun von
Seite des antragenden Herrn Abgeordneten das Recht zur
Aufsicht in seiner Kompetenz bestritten wird, so möchte ich
demgegenüber nur kurz darauf hinweisen, daß dieses Recht,
in dem ich übrigens vor allem eine Pflicht erblicke, schon
in dem Verhältnis der in Betracht kommenden Behörde an
ich begründet ist, daß es Wissenschaft und Praxis niemals
bezweifelt haben, daß es von unseren Obersten Gerichtshöfen
stets einmütig anerkannt wurde, daß es auch in unsere neue
Verfassung übernommen wurde, wie die Artikel 103 und 142
ausdrücklich bezeugen. Dem Rechte der Aufsicht entspricht an¬
dererseits die Verpflichtung zur Durchführung der getroffenen
Anordnung. Auch diese Verpflichtung ist unbestritten gewesen
und kommt nuch in der neuen Verfassung zum Ausdruck. Die
Regierung wird in anglogen Fällen immer genau so handeln,
mögen sie welches Land immer betreffen. (Lachen und Wider¬
pruch bei den Sozialdemokraten. Fortgesetzte lärmende Zwi¬
schenrufe des Abg. Leuthner.)
Die Sitzung dauert fort.
Hierauf wurden Julius Rubine
und Johann Muyer zum Präsiden
Die Zusammensetzung des Ausschu
schlagenden Erfolg der gemäßigten Ele
Der neue italienische Botsch
Berlin, 11. Februar. (K.=B.)
neuernannte italienische Botschafter
dem Reichspräsidenten Ebert seine
In seiner Ansprache betonte der Botsch
talienische Volk müßten in ihrer Sehr
menschlicher Solidarität Hand in Han
möglichstes tun, um die Gemeinsamk
einer fruchtbaren und harmonischen
seitigen Beziehungen zum Ausdruck ##
In seiner Erwiderung erklärte
deutsche Regierung und das deutsche
Bestreben nach Zusammenarbeit aller
lichen Wiederausbau. Beide Völker m
den anderen Völkern und ihren Re
Verhalten erwarten. Der Reichsprä
Botschafter seiner tatkräftigsten Hilfe
Ziele.
Der Kulturkampf in der tsch
Prag, 11. Februar. (K.=B.) Das
det: Nach dem Regierungsprogramm
Verhältnisses zwischen Staat und Kirc
weder als obligater noch als unobligat
gestattet sein. Der Religionsunterricht
Familie vorbehalten bleiben, doch könn
wünschen, die Kinder von Geistlichen ihr
außerhalb des regelmäßigen Schulunter
unterwiesen werden. Privatschulen mit
ionellem Charakter werden unstatthaf
schulen von Kirchenorden.
Budapest, 10. Februar. (K.=B.
Die Session der Nationalversammlung
Handschreiben des Reichsverwesers gesch
Rom, 11. Februar. (Funkspruch
Verhandlungen mit der tschechischen
gestern begonnen.
Devisenkurse.
Zürich, 11. Februar. (K.=B.
211.25, Newyork 615.—, London 23.91
and 22.45, Brüssel 46.40, Madrid 86.50,
österr. gest. Krone 1.05, Budapest 1.1
8.50, Warschau 0.80.
Berlin, 11. Februar. (K.=B.) Wien
Prag 76.40, Paris
Mailand 213.75,
Newyork 58.69, Zürich 956.50.
Prag, 11. Februar. (K.=B.) Wien
Mailand Ausland 283.50, Inland 280¼
pelte Krone 10.80, Lire 280.50, Agram
Paris 562.50, London 305.50, Newyork
Wien, 11. Februar. (K.=B) Mark
922½, Lire 2515—2535, französische Fran
zer Franken 1 562½—11.312½, Dollar
/6—882, Pfund Sterlin
318, Sokols
igarische Noten 126.25-
862—1882,
81.75—83.75, Holländischer Gulden
5230—5270.
Zahlung: Agram 465.25—469.2
Prag 877—883, Budapest 127—129, Ital
11.287½—11.337½, Warschau 81.25—83.
23.975, Newyork 694—698, London 27071
5045, Brüssel 5255—5295.
Budapest, 11. Februar. (K.=B.) Wi
Mailand 1945.—, Prag 680.—, Zürich
Schneeberichte des Landesverbe
verkehr in Steiermark. Admont
zirka 70 Zentimeter, Schifähre, Rodel¬
bahnen im besten Zustande. Leoben:
chnec, Schifähre gut, Bobbahn und
Mariazell: 40—80 Zentimeter Shne
nit dünner Neuschneeschichte, Schifähre
gut, Schlittenweg gut. Mitterndor
kammergut: 38 Zentimeter Schneehöh
Pulverschnee, Schifähre sehr gut. Stub
licher Rauhreifbildung, andauernder S
Schifähre. Stubenberghaus am Schö
guter Schnee, sehr gute Schifähre, Ta
Nordostwind.