Wiener
n hätte heute
uständigen
f der Bühne
der Wiener
Viener Bürger¬
ich. Er hat mit
Bühne verholfen
Folgen, die fast
evölkerung, die
jährend der Be¬
lichkeitsantrages
hat, gezeitigt.
box 17/6
11. Reigen
Seite 3
12. Februar 1921
Reichspost
wenn sie mit lautem Geschrei unter der Maske des
christlichsozialen Gemeinderätinnen, die ihr zurufen: „Pfui
Freiheits= und Kulturkampfes für diese Auf¬
Teufel, das will eine Lehrerin sein, schämen Sie sich, den
führungen austreten. Denn es ist niemals erwiesen worden,
Schmutz für das Dirnentum zu verteidigen“
daß die Lehren der Demokratie unvereinbar seien mit denen
GR. Kunschak weist darauf hin, daß es bezeichnend
des guten Geschmackes, und daß der Begriff der Freiheit gleich¬
ei, daß die Aufführung eines Schaustückes, das Sau¬
bedeutend sei mit der Hemmungslosigkeit des Lüsternheits¬
dranges der Menge, mag er auch durch ein Werk erregt
tück genannt werden könne, zu Weiterungen zwischen den
werden, dem der Kunsteinnige künstlerischen Wert nicht ab¬
Parteien Anlaß geben kann. Nicht nur die Bevölkerung
sprechen wird. Aber das Muckertum nach links
Wiens, sondern auch die Bevölkerung anderer Städte und
st allemal das Schlimmste gewesen. Man
auch die Bevölkerung des Deutschen Reiches habe die
ann dem Dichter Artur Schnitzler den Vorwurf nicht ersparen,
Aufführung des „Reigen“ abgelehnt. Wenn schon der
daß er es diesmal war, der es entfesselt hat. Er hat in den
Friedensvertrag den Anschluß Oesterreichs an das Deutsche
neunziger Jahren den richtigen Geschmack gehabt, diese Szenen¬
Reich untersage, so sei doch nicht verboten, daß sich Oester¬
reihe nicht der Oeffentlichkeit, sondern nur einem Freundes¬
reise zur Leltüre zu übergeben. Es ist unbekeant, was ihn da¬
reich in sittlicher und kultureller Beziehung an das Deutsche
zu veranlaßt hat, diese Aufführungen zu gestätten.
Reich anschließe.
Landeshauptmann Reumann
Das Blatt legt Schnitzler schließlich nahe, daß er
aus eigenem Antrieb den „Reigen“ vom Theater wieder
bringt in seiner Erwiderung den wenig geschmackvollen
Hinweis auf Vorfälle, die sich vor zwei Jahrzehnten beim
zurückzöge. Wir fürchten, es wird mit dieser Anregung
Wimberger abgespielt haben sollen und führt dann zu seiner
kein Glück haben.
Rechtfertigung an, daß der Zensurbeirat gegen die Auf¬
Das Abendblatt des sozialdemokratischen Haupt¬
führung nichts eingewendet habe. Er versteigt sich schließlich
organs bezeichnet die amtliche Verlautbarung, daß die
zu der Behauptung:
Aufführung des „Reigen“ durch die oberste Behörde der
„Kein Skandal der Welt wird mich dazu bringen,
Republik untersagt worden sei, als „freche Regierungs¬
daß ich die Aufführungen des „Reigen“ verbiete“.
kundgebung“. — Das sind die Methoden, nach denen
Nach einer selbstverständlich seinen Zwecken genehmen
die geeichten Hüter der Verfassung die Republik
Auslegung der verfassungsrechtlichen Stellung des Verbotes
schützen ...
erklärt zum Schlusse der Landeshauptmann: „Ich werde von
dem mir zustehenden Rechte um kein Jota abweichen“. Gegen
Die Regierung und der Landeshauptmann
Schluß der Rede des Landeshauptmannes, die zum großen
Teile von Gegenrufen der christlichsozialen Gemeinderäte
von Wien.
begleitet war, steigern sich die Gegenrufe immer mehr. Die
Eine Anklage beim Verfassungsgerichtshof.
Sozialdemokraten rufen: Nieder mit der Regierung! Abzug
Ueber die durch die Haltung des Landeshauptmannes
Glanz!
Reumann geschaffene Rechtslage erfahren wir:
GR. Kunschak erklärte in seinen erwidernden Aus¬
Die Artikel 10 bis 13 und 15 des Bundesverfassungs¬
führungen: Der Herr Landeshauptmann hat als stärkstes
gesetzes, welche für später die Kompetenzen regeln, stehen
Argument zum Schutze der Ehre der Gemeinde Wien es
noch nicht in Kraft, so daß nach § 42 des Uebergangs¬
nicht gegen seinen Geschmack gefunden, zu verweisen auf
gesetzes die bisherige Kompetenzauf¬
einen Fall, der sich vor einem Vierteljahrhundert in Wien
teilung inzwischen aufrecht bleibt
ereignet hat und in dem er einen Mann genannt hat, über
dessen Leib schon seit fünfzehn Jahren der Rasen liegt. Der
und die Angelegenheiten der Theaterpolizei und
Herr Landeshauptmann hat es mit seinem Geschmacke ver¬
damit auch der Theatergensur Bundessache sind;
einbar gesunden, dies Argument zu gebrauchen, obwohl er
den Landeshaupt¬
sie werden derzeit von
wissen mußte, daß der Mann, der das erste Mal dieses
männern als mittelbare Bundesverwaltung durch¬
Argument gegen den verstorbenen Abgeordneten Gre¬
geführt. Nach dem Bundesverfassungs¬
gorig gebrauchte, vor dem Gerichte in Wien als Ver¬
gesetze (Art. 104) ist auf diesem Gebiete der Landes¬
eumder #t mehrmonatlicher Kerkerstrafe
hauptinann an die Weisungen der Bundesregierung
bestraft wurde. (Lebhafte Pfui=Rufe und Rufe: So ein
sowie der Bundesministerien gehunden. Befolgt er eine
Landeshauntmaen, Leichenschändung!) Ich habe dieser Fest¬
von der
er
so kann
olche Anordnung nicht,
stellung nichts hinzuzufügen und überlasse es dem He.rn
Landeshauntmann, sich selbst darüber ein Urteil zu bilden,
Bundesregierung beim Verfassungsgerichtshofe belangt
wie ein Mann sich erniedrigt, der in solcher
in diesem Falle
hat
werden. Die Regierung
Stellung von so niedrigen Mitteln Ge¬
sie
keinen anderen rechtmäßigen Weg, aber
brauch macht. (Lebhafter Beifall und Händeklatschen
wird sricht zögern können, ihn gegen
bei den Christlichsozialen.)
Landeshauptmann Reumannzu beschreiten.
Der Antrag des Abg. Kunschak wird sodann von der
Die moralische Verantwortung für die trotz des Verbotes
Mehrheit abgelehnt, der Antrag Speiser mit ge¬
der Regierung erfolgte Fortsetzung der in der Bevölkerung
nügender Mehrheit der geschäftsordnungsmäßigen Behand¬
mit so großem Unwillen ausgenommenen Theaterauf¬
lung zugewiesen. Der Schmutz des Dirnentums hat auch im
führung wird ausschließlich Landeshauptmann Reumann
Wiener Landtag seine Beschützer gefunden!
belasten. Sein Vorgehen ist Verfassungsbruch.
Die Stimmen der Presse.
Die Wiener Kritik hat ziemlich einmütig gegen das
Schnitzlersche Stück Stellung genommen. Selbst ganz
linksstehende Publizisten fanden, das sei denn doch zu
starker Tabak. Jetzt, da aus den akademischen Protesten
Ernst gemacht werden soll, regt sich aber wieder die
Solidarität der literarischen Clique: Anstößig ist dieser
geile „Reigen“ um das Geweine, aber unternommen werden
n hätte heute
uständigen
f der Bühne
der Wiener
Viener Bürger¬
ich. Er hat mit
Bühne verholfen
Folgen, die fast
evölkerung, die
jährend der Be¬
lichkeitsantrages
hat, gezeitigt.
box 17/6
11. Reigen
Seite 3
12. Februar 1921
Reichspost
wenn sie mit lautem Geschrei unter der Maske des
christlichsozialen Gemeinderätinnen, die ihr zurufen: „Pfui
Freiheits= und Kulturkampfes für diese Auf¬
Teufel, das will eine Lehrerin sein, schämen Sie sich, den
führungen austreten. Denn es ist niemals erwiesen worden,
Schmutz für das Dirnentum zu verteidigen“
daß die Lehren der Demokratie unvereinbar seien mit denen
GR. Kunschak weist darauf hin, daß es bezeichnend
des guten Geschmackes, und daß der Begriff der Freiheit gleich¬
ei, daß die Aufführung eines Schaustückes, das Sau¬
bedeutend sei mit der Hemmungslosigkeit des Lüsternheits¬
dranges der Menge, mag er auch durch ein Werk erregt
tück genannt werden könne, zu Weiterungen zwischen den
werden, dem der Kunsteinnige künstlerischen Wert nicht ab¬
Parteien Anlaß geben kann. Nicht nur die Bevölkerung
sprechen wird. Aber das Muckertum nach links
Wiens, sondern auch die Bevölkerung anderer Städte und
st allemal das Schlimmste gewesen. Man
auch die Bevölkerung des Deutschen Reiches habe die
ann dem Dichter Artur Schnitzler den Vorwurf nicht ersparen,
Aufführung des „Reigen“ abgelehnt. Wenn schon der
daß er es diesmal war, der es entfesselt hat. Er hat in den
Friedensvertrag den Anschluß Oesterreichs an das Deutsche
neunziger Jahren den richtigen Geschmack gehabt, diese Szenen¬
Reich untersage, so sei doch nicht verboten, daß sich Oester¬
reihe nicht der Oeffentlichkeit, sondern nur einem Freundes¬
reise zur Leltüre zu übergeben. Es ist unbekeant, was ihn da¬
reich in sittlicher und kultureller Beziehung an das Deutsche
zu veranlaßt hat, diese Aufführungen zu gestätten.
Reich anschließe.
Landeshauptmann Reumann
Das Blatt legt Schnitzler schließlich nahe, daß er
aus eigenem Antrieb den „Reigen“ vom Theater wieder
bringt in seiner Erwiderung den wenig geschmackvollen
Hinweis auf Vorfälle, die sich vor zwei Jahrzehnten beim
zurückzöge. Wir fürchten, es wird mit dieser Anregung
Wimberger abgespielt haben sollen und führt dann zu seiner
kein Glück haben.
Rechtfertigung an, daß der Zensurbeirat gegen die Auf¬
Das Abendblatt des sozialdemokratischen Haupt¬
führung nichts eingewendet habe. Er versteigt sich schließlich
organs bezeichnet die amtliche Verlautbarung, daß die
zu der Behauptung:
Aufführung des „Reigen“ durch die oberste Behörde der
„Kein Skandal der Welt wird mich dazu bringen,
Republik untersagt worden sei, als „freche Regierungs¬
daß ich die Aufführungen des „Reigen“ verbiete“.
kundgebung“. — Das sind die Methoden, nach denen
Nach einer selbstverständlich seinen Zwecken genehmen
die geeichten Hüter der Verfassung die Republik
Auslegung der verfassungsrechtlichen Stellung des Verbotes
schützen ...
erklärt zum Schlusse der Landeshauptmann: „Ich werde von
dem mir zustehenden Rechte um kein Jota abweichen“. Gegen
Die Regierung und der Landeshauptmann
Schluß der Rede des Landeshauptmannes, die zum großen
Teile von Gegenrufen der christlichsozialen Gemeinderäte
von Wien.
begleitet war, steigern sich die Gegenrufe immer mehr. Die
Eine Anklage beim Verfassungsgerichtshof.
Sozialdemokraten rufen: Nieder mit der Regierung! Abzug
Ueber die durch die Haltung des Landeshauptmannes
Glanz!
Reumann geschaffene Rechtslage erfahren wir:
GR. Kunschak erklärte in seinen erwidernden Aus¬
Die Artikel 10 bis 13 und 15 des Bundesverfassungs¬
führungen: Der Herr Landeshauptmann hat als stärkstes
gesetzes, welche für später die Kompetenzen regeln, stehen
Argument zum Schutze der Ehre der Gemeinde Wien es
noch nicht in Kraft, so daß nach § 42 des Uebergangs¬
nicht gegen seinen Geschmack gefunden, zu verweisen auf
gesetzes die bisherige Kompetenzauf¬
einen Fall, der sich vor einem Vierteljahrhundert in Wien
teilung inzwischen aufrecht bleibt
ereignet hat und in dem er einen Mann genannt hat, über
dessen Leib schon seit fünfzehn Jahren der Rasen liegt. Der
und die Angelegenheiten der Theaterpolizei und
Herr Landeshauptmann hat es mit seinem Geschmacke ver¬
damit auch der Theatergensur Bundessache sind;
einbar gesunden, dies Argument zu gebrauchen, obwohl er
den Landeshaupt¬
sie werden derzeit von
wissen mußte, daß der Mann, der das erste Mal dieses
männern als mittelbare Bundesverwaltung durch¬
Argument gegen den verstorbenen Abgeordneten Gre¬
geführt. Nach dem Bundesverfassungs¬
gorig gebrauchte, vor dem Gerichte in Wien als Ver¬
gesetze (Art. 104) ist auf diesem Gebiete der Landes¬
eumder #t mehrmonatlicher Kerkerstrafe
hauptinann an die Weisungen der Bundesregierung
bestraft wurde. (Lebhafte Pfui=Rufe und Rufe: So ein
sowie der Bundesministerien gehunden. Befolgt er eine
Landeshauntmaen, Leichenschändung!) Ich habe dieser Fest¬
von der
er
so kann
olche Anordnung nicht,
stellung nichts hinzuzufügen und überlasse es dem He.rn
Landeshauntmann, sich selbst darüber ein Urteil zu bilden,
Bundesregierung beim Verfassungsgerichtshofe belangt
wie ein Mann sich erniedrigt, der in solcher
in diesem Falle
hat
werden. Die Regierung
Stellung von so niedrigen Mitteln Ge¬
sie
keinen anderen rechtmäßigen Weg, aber
brauch macht. (Lebhafter Beifall und Händeklatschen
wird sricht zögern können, ihn gegen
bei den Christlichsozialen.)
Landeshauptmann Reumannzu beschreiten.
Der Antrag des Abg. Kunschak wird sodann von der
Die moralische Verantwortung für die trotz des Verbotes
Mehrheit abgelehnt, der Antrag Speiser mit ge¬
der Regierung erfolgte Fortsetzung der in der Bevölkerung
nügender Mehrheit der geschäftsordnungsmäßigen Behand¬
mit so großem Unwillen ausgenommenen Theaterauf¬
lung zugewiesen. Der Schmutz des Dirnentums hat auch im
führung wird ausschließlich Landeshauptmann Reumann
Wiener Landtag seine Beschützer gefunden!
belasten. Sein Vorgehen ist Verfassungsbruch.
Die Stimmen der Presse.
Die Wiener Kritik hat ziemlich einmütig gegen das
Schnitzlersche Stück Stellung genommen. Selbst ganz
linksstehende Publizisten fanden, das sei denn doch zu
starker Tabak. Jetzt, da aus den akademischen Protesten
Ernst gemacht werden soll, regt sich aber wieder die
Solidarität der literarischen Clique: Anstößig ist dieser
geile „Reigen“ um das Geweine, aber unternommen werden