II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 530

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11. Reigen
Der „Neigen“=Skandal im Wiener
Landtag.
Das Verbot der „Reigen“=Aufführungen hätte heute
auch im Wiener Landtag der ursprünglich guständigen
Körperschaft, ein Nachspiel. Der=Skanpyl auf der Bühne
Ratsstube gefunden.“ Für beide ist der Wiener=Bürger¬
meister als Landeshauptmann verantwortlich. Er hat####it
seiner Unterschrift dem Schmutz auf die Bühne verholfen
und erst diese Tatsache hat die weiteren Folgen, die fast
ausnahmslose Empörung der Wienge Bevölkerung, die
heute in den Sturmizenen im Landtäg während der Be¬
handlung eines sozialdemokratischen Dringlichkeitsantrages
in dieser Sache ihren Ausdruck gefunden hat, gezeitigt.
Die Kon#ession des Landeshauptmanns an das Dirnen¬
und Schiebertum ist eine schwere Beleidigung der Wiener
Bevölkerung, von der sich der Chef der Wiener Landes¬
regierung vergeblich dadurch reinzuwaschen wünschte, daß
er sich bemühte, die Angelegenheit auf das zweite
Geleise, die Kompetenzfrage, zu schieben. Diese Frage
ist noch nicht entschieden, wenn der Landesbauptmann,
wie er es heute getan hat, in eigener Sache den Richter
spielt und die Entscheidung über die Aufführung eines
Theaterstückes ausschließlich für sich reklamiert. Vom
moralischen Standpunkt ist Bam. Reumann jeden¬
falls gerichtet, es hätte hiezu nicht erst der Argumente
bedurft, die er heute vorbrachte, und die seiner Be¬
geisterung für den „Reigen“=Skandal die Krone aufsetzen.
In Begründung seines Dringlichkeitsantrages versucht
nin GR. Speiser, das Verbot des Bundesministers für
Inneres und Unterricht als einen Eingriff in die Autonomie
des Landes Wien darzustllen, und schließt seine sehr
phrasenreichen Ausführungen mit der Geste: „Wir müssen
diesen ersten Angriff auf unsere Autonomie energisch ab¬
weisen und verteidigen damit unsere autonomen Frei¬
heiten für alle Zeit“.
GR. Dr. Seitz= Motzko erklärt, daß der Landes¬
hauptmann von Wien sich
schwer gegen das Volk von Wien versündigt
habe. Es ist geradezu unglaublich, daß dieses Stück, das
nichts anderes ist, als eine Konzession auf die Geilheit eines
auswärtigen Schiebertums in Wien aufgeführt werden
dürfe, und daß entgegen allen Einsprachen der Bürgee¬
meister von Wien als Landeshauptmann ein der¬
artiges Stück schützt. Wir erheben flammenden
Protest gegen dieses Vorgehen, das die Würde und die Ehre
deutscher Frauen auf das tiefste verletzt. Wir Frauen von
Wien begrüßen es von ganzem Herzen, daß die Regierung
den Mut gehabt hat, diesem Skandal Einhalt zu bieten,
rechtfertige, wie er dazu gekommen ist, dem ganzen
Volke von Wien Trotz zu bieten. (Mit erhobener Stimme:)
Hüten Sie sich und spielen Sie nicht mit dem Aeußersten.
Es gibt eine Gewalt, die sich stärker erweisen wird, als Sie.
Ich verlange im Namen meiner Parteigenossen, daß der
Herr Bürgermeister uns über sein Verhalten Rechen¬
chaft aibt und ob er gewillt ist, das Verbot über dieses
Stück auszusprechen. (Stürmischer Beifall bei den Christlich¬
oziolen.)
Nachdem Frau Gemeinderat Dr. Matko, ihre
Pede
geschlossen, entstebt vor
den Bänken der
Christlichsozialen ein
beftiger Meinungsanstausch
zwischen der Gemeinderätin Kramer und einigen
ereignet hat und in dem er einen Mann genannt hat, über
dessen Leib schon seit fünfzehn Jahren der Rasen liegt. Der
Herr Landeshauptmann hat es mit seinem Geschmacke ver¬
einbar gefunden, dies Argument zu gebrauchen, obwohl er
wissen mußte, daß der Mann, der das erste Mal dieses
Argument gegen den verstorbenen Abgeordneten Gre¬
zorig gebrauchte, vor dem Gerichte in Wien als Ver¬
leumder mit mehrmonatlicher Kerkerstrafe
bestraft wurde. (Lebhafte Pfui=Rufe und Rufe: So ein
Landeshauntmann, Leichenschändung!) Ich habe dieser Fest¬
stellung nichts hinzuzufügen und überlasse es dem Herrn
Landeshauntmann, sich selbst darüber ein Urteil zu bilden,
ie ein Mann sich erniedrigt, der in solcher
Stellung von so niedrigen Mitteln Ge¬
brauch macht. (Lebhafter Beifall und Händeklatschen
bei den Christlichsozialen.)
Der Antrag des Abg. Kunschak wird sodann von der
Mehrheit abgelehnt, der Antrag Speiser mit ge¬
nügender Mehrheit der geschäftsordnungsmäßigen Behand¬
lung zugewiesen. Der Schmutz des Dirnentums hat auch im
Wiener Landtaa seine Beschützer gefunden!
Die Stimmen der Presse.
Die Wiener Kritik hat ziemlich einmütig gegen das
Schnitzlersche Stück Stellung genommen. Selbst ganz
linksstehende Publizisten fanden, das sei denn doch zu
starker Tabak. Jetzt, da aus den akademischen Protesten
Ernst gemacht werden soll, regt sich aber wieder die
Solidarität der literarischen Clique: Anstößig ist dieser
geile „Reigen“ um das Gemeine, aber unternommen werden
darf dagegen nichts! Der „Abend“ dichtet sich dafür
folgende Pose zurecht:
Es ist sonnenklar, daß es sich hier (bei dem Verbote der
Regiernna) nicht um eine Frage der literari¬
chen Sittlichkeit, sondern um eine Machtprobe
handelt. Die kler kale Meute hal eine ihr von Herrn Arthur
Schnitz'er sehr bedauerlicherweise gebotene Gelegen eit benützt,
uim die ihr verhaßte Freiheit des Wortes
bei einer empfindlichen Stelle zu nacken. Die Herren Dr. Funder
und Piffl verbieten aus woh'verstandenem Parteiinteresse die
Anfführung eines Stückes und die Regierung beeilt sich dienst¬
eifrig, den Besehl zu vollstrecken. Man weiß, wie wir über die
Aufführung denken. Es wäre gut gewesen, wenn man sie unter¬
lassen hätte. Das hindert nicht, daß der dreiste Versuch, die
ünstlerische Freiheit einzuschränken, mit
aller Entschiedenheit zurückgewiesen werden muß, ein so
arger Unfug esauch war, daß Herr Schnitzler und
seine geschäftslüchtigen Berater der rückschrittlichen Meute einen
so geeianeten Vorwand dargebracht haben.
Die Aufführung war „arger Unfug“ es wird sogar
zugegeben, daß die Proteste gegen sie begründet waren,
man heißt das „geeigneten Vorwand“, aber in dem
Augenblick, als der „arge Unsug“, zu dem die Schau¬
bühne bekanntlich nicht da ist, abgestellt werden soll,
verwandelt er sich in das Recht auf die „Freiheit des
Wortes“ — Wir wüßten nicht, warum man auf christ¬
lichsozialer Seite bei diesem Anlaß eine „Machtprobe
gesucht hätte. Uns genügt das sozialdemokratische Ergeb¬
nis der Wahlen. Unsug abzustellen scheint uns für eine
Regierung Pflicht und wenn es eine Machtprobe gibt,
o kann das höchstens den Sinn haben, daß sich jetzt
zeigen soll, wer größeren Erfolg hat: die einen, die dem
argen Unfug“ ein Ende machen wollen, oder die andern,
die ihn zu ihrer Parteisache machen und verleidigen.
Mit achtenswerter Konsequenz bleibt bei seinem
Standpunkte das „N. 8 Uhr=Blatt“, das schreibt:
Das Theaier, in dem der „Reigen“ aufgeführt wird, hat
war nur einen Fassungsraum von ungefähr 500 Personen, e
ist aber seit Wochen und auch für die nächsten Wochen aus¬
erkauft. Die Behauptung, daß all die Tausende, die noch in
diese Aufführungen drängen. von reinem Literaturinteresse ge¬
rieben werden, kann mit dem einfachen Hinweis darauf, daß
wesentlich gehaltvollere Werke desselben Tichters keineswegs
auch nur annähernd so groses Interesse gefunden haben, leicht
abgewehrt werden. Dieses Interesse gründet sich vielmehr mit
unverhüllbarer Selbstverständlichkeit auf das zehnmal auf der
Bühne erscheinende Beit oder Sofa und auf Vorgänge, die
durch die plötzliche Verdunklung der Szene eher unterstrichen
als verhüllt werden. Dieses Literaturinteresse der großen Masse,
das regelmäßig dort beginnt, wo die normale Bekleidung der
mitwirkenden Schauspielerinnen aufhört, kennt man zur Genüge,
und es ist eine der schlimmsten Gaukeleien
eines großen Teils der politischen Führer Oesterreichs,
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