II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 533

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67. Jahrgang.
Wien, Samstag, 12. Februar 1921
Nr. 42
LRL
den Ordnungsruf erhielt. Die Sozialdemo¬
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kraten gaben ihrer Opposition gegen den
Der Kumpf Ain den „Reigen
Ministar auch dadurch Ausdruck, daß sie sofort
ersten
drei
Vornahme
von
die
Richtbeachlung des Verbotes
Verhot seitens der Bu##desregierung.
Lesungen, darunter zur Wehrgesetz¬
seitens der Landesregierung.
novelle, verlangten; dabei wird es vor¬
aussichtlich zu neuen Sturmszenen kommen.
liche Anfrage an die Regierung ein, die sofort
Käufereien und Krawalle im Nationalrat.
Auch im Budgetausschusse gaben sie ihrer
in Verhandlung gezogen werden mußte. Aus
Ein Verfassungskonflikt.
Stimmung durch den Antrag Ausdruck, den
den Reden der sozialdemokratischen Wort¬
* Die weiteren Aufführungen von Artur
nicht sofort anwesenden Minister Glanz zum
ührer ging hervor, daß diese sich keineswegs
Schnitzlers Szeyenreihe „Reigen“ in
Erscheinen aufzufordern.
ür das Stück begeistern, daß sie aber in dem
den Kammerspielen, Kdie einige junge Leute
Verbot des Ministers einen verfassungs¬
am letzten Monsag durch Kaute Zwischen¬
Der Verlauf der Sitzung.
widrigen Eingriff in die Rechte des
rufe zu stören sychten, sindz gestern vom
Bürgermeisters von Wien als Landeshaupt¬
Die dringliche Anfrage der Sozial¬
Bundesminister fur! Inneresé Tr. Glanz
mann von Wien erblicken. Bundesminister
demokraten.
auf Grund des § 50 der Theatérverordnung
Dr. Glanz fand nicht nur schärfsten Wider¬
Nach Erledigung der Tagesordnung wies
vom Jahre 1850 virboten worden, ohne
spruch der Sozialdemokraten, als er seinen
Abg. Leuthner in einer dringlichen An¬
daß aber dieses Vetbot die Einstellung der
Standpunkt verteidigte, der Lärm schwoll zu
frage darauf hin, daß das Verbot des „Reigen“
Vorstellungen bisher zur Folge gehabt hätte.
einem riesigen Tumult an, als der Minister
verfassungswidrig sei, da zur Ausübung der
Die Sozialdemokraten, die auf dem Stand¬
eine Rede mit dem Ausspruch beendete, daß
Theaterzensur in Wien einzig und allein der
punkt stehen, daß der Minister damit einen
alle
anständigen
Landeshauptmann von Wien befugt sei. Das
verfassungswidrigen Eingriff in die
Menschen billigen würden. Darin er¬
Verbot beweist, daß der Regierung das Diktat
Rechte des Landes Wien begangen
blickten die Sozialdemokraten eine Beleidigung
er Klerikalen höher stehe, als die Be¬
habe, da der Bürgermeister als Landes¬
ihrer ganzen Partei und nun erhob sich ein
timmungen der Verfassung. Es wird schließlich
hauptmann die Aufführungen bewilligt hat
Sturm der Entrüstung, wie ihn das Haus noch
gefragt, ob der Bundesminister den Erlaß
brachten im Nationalrat eine scharfe Inter¬
elten mitgemacht hat. Mit geballten Fäusten
ofort zurückziehen wolle.
pellation ein, bei deren Erörterung es
ürmten gerade jene Sozialdemokraten, die
zu Sturmszenen und Keilereien
ich besonders durch Stimm= und Kraft¬
Die Erwiderung des Ministers Dr. Glanz.
zwischen Sozialdemokraten und Christlich¬
aufwand hervortun, so die Abgeordneten
Bundesminister Dr. Glanz: Schon vor
sozialen kam.
Zelenka, Witternigg, Forstner, auf
der Zulassung des „Reigen“, die durch den
Dem Verbot des Bundesministers ging
die Ministerbank los, schlugen daselbst
Magistrat in seiner Eigenschaft als politische
ein Schriftenwechsel zwischen dem Minister
auf den Tisch und riefen dem Minister im
Landesstelle erfolgt ist, hatte der Polizei¬
und dem Landeshauptmann einer= und dem
Thor zu: „Was wagen Sie da zu sagen? Wer
präsident von Wien auf die schweren
Polizeipräsidenten andererseits voraus. Schon
st ein unanständiger Mensch, Sie Lakaien¬
Bedenken gegen die Aufführung dieses
vor der Zulassung des „Reigen“ durch den
seele!“ Die weiter rückwärts stehenden Abge¬
Bühnenwerkes aufmerksam gemacht. Die Auf¬
Magistrat Wien als politischer Landesbehörde
ordneten unterstützten sie mit dem Rufe:
ührung des Stückes gab alsbald zu leb¬
hatte der Polizeipräsident Schober dem
„Hinaus mit ihm, so was lassen wir uns nicht
in der
haften Erörterungen
Bürgermeister Reumann die Bedenken
gefallen, das ist eine Frechheit!“
Oeffentlichkeit Anlaß. Hiebei sprach sich die
mitgeteilt, die einer Aufführung des Stückes
Bleich stand Minister Glanz da, die
uberwiegende Mehrzahl der
entgegenstünden. Der Magistrat holte ein
Thristlichsozialen kamen ihm zuerst mit
ffentlichen Stimmen gegen die
Gutachten des Zensurbeirates ein und erteilte,
Applaus zu Hilfe, sodann aber drängten sie
Aufführung aus. (Abg. Seitz: Wo haben
da dieser keinerlei Einwendungen gegen die
eiligst gegen die Sozialdemokraten heran.
Sie das gezählt? Großer Lärm.)
Aufführungen erhob, die Bewilligung. Als
Und nun wurden gegenseitig Püffe
dann in der Oeffentlichkeit sich Stimmen
Die Tumultszenen.
zusgetauscht und es hatte den Anschein,
gegen den sittlich bedenklichen Inhalt des
als ob es jeden Augenblick zum Hand¬
Mehrere Sozialdemokraten dringen auf
Stückes erhoben, richtete der Bundesminister
gemenge kommen würde. Von den Christ¬
den Platz des Ministers ein und schleudern
an Bürgermeister Reumann die Aufforderung,
lichsozialen war der alte Abgeordnete Fink,
stürmische Zurufe gegen die Minister¬
zu der neuen Sachlage Stellung zu nehmen.
von den Sozialdemokraten die Abgeordneten
ank. Der Präsident erteilt in dem herrschenden
Reumann erklärte jedoch, daß er nicht in der
Bauer und Seitz bemüht, die Streitenden
Lärm mehreren Abgeordneten Ordnungs¬
Lage sei, die erste Entscheidung abzuändern.
u beschwichtigen. Als Abg. Sever gleich¬
rufe. Der Tumult im Saale steigert
Nun ging der Bundesminister mit dem Verbot
falls beruhigend eingriff, versetzte ihm der
sich, als der Minister mit den Worten schließt:
vor, das gestern mittags dem Bürgermeister
christlichsoziale Abgeordnete Pischitz einen
Ich werde auf die gegen mich persönlich ge¬
mitgeteilt wurde. Der Bürgermeister verwies
Stoß ins Gesicht. Minutenlang
ichteten Angriffe nicht näher eingehen, ich
in seiner Antwort darauf, daß dieser Erlaß
dauerte der Larm, das Gedränge und
glaube, das Urteil über mein Wirken aber
den gesetzlichen Bestimmungen nicht ent¬
oben vor der Ministerbank, man hörte die
edem anständigen Menschen
spreche und daher von ihm nicht zur
Glocke des Präsidenten, vernahm aber nicht
iberlassen zu können.
Kenntnis genommen werden
Die Christlichsozialen nehmen diese Worte
ein Wort. Erst nachträglich stellte sich heraus,
önne.
mit stürmischem Beifall auf, während die
daß er eine ganze Anzahl Ordnungs¬
Sozialdemokraten mit tobendem Lärm ant¬
rufe erteilt hat. Halbwegs ruhig wurde es
Die Skandale im Parlamenk.
worten. Die Abgeordneten Zelenka,
erst, als Präsident Seitz in seiner Eigen¬
Raufende Abgeordnete.
Witternigg und Forstner schlagen
schaft als Abgeordneter das Wort ergriff. Er
mit den Fäusten auf den Regie¬
Im Laufe der Sitzung war im National¬
vendete sich in schärfster Weise gegen die
rungstisch und ruten in höchster Er¬
rat die Verfügung des Mmisters des Innern
Ausführungen des Ministers Glanz und griff
regung: „Wer ist ein unanständiger Mensch?
bekanntgeworden und der sozialdemokratische
diesen zum Schluß persönlich so hestig an, daß
Sie Lakaienseele!“
Abgeordnete Leuthner brachte eine dring¬
er dafür vom Präsidenten Dr. Dinghofer