mland.
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11. Reigen
box 17/6
Wiener Morgenzeilung
Wiener Bevölkerung in scharfem Gegensatz stehen. Nun hagelte¬
e Zwischenrufe.
Abgeordneter Seitz rief: Woher wissen Sie das?
Abgeordneter Witzany: Die christlich sozialen
Abgeordneten haben sich die Füße abgelaufen,
damit sie Karten bekommen!
Abgeordneter Seitz: Sie haben bis jetzt nur über
ästhetische Meinungen geredet, aber kein einziges Argument
vorgebracht.
Abgeordneter Dr. Mataja:
Der Herr Präsident als Krawallmacher!
Abgeordneter Dr. Bauer: Ein solcher Schreker, wie
der Herr Mataja, wagt es, hier so zu sprechen.
Dr. Glanz: Es war nur meine Absicht, vorerst dem
zur Beurteilung des Falles zunächst berufenen Herrn Bürger¬
meister von Wien Gelegenheit zu geben, zu dieser neuen,
durch den Eindruck der Aufführung gegebenen Sachlage
Stellung zu nehmen. Der Herr Bürgermeister teilte mir
jedoch hierauf mit, daß er nicht in der Lage sei, von
seiner ersten Endscheidung abzugehen.
Abgeordneter Pick: Das muß Ihneu genügen!
Dr. Glanz:
Die deutsche Kultur in Oesterreich
wird gewiß keinen Schaden leiden, wenn die Schausteslung
olcher Vorgänge auf offener Bühne unterbleibt. (Stürmi¬
den
bei
cher Beifall und Händeklatschen
Christlichsoztalen. — Heftige Gegenrufe bei den Sozial¬
demokraten. — Lärm.)
Abgeordneter Dr. Bauer:
Es handelt sich am eine Verfassungsfrage.
Das, was Sie sagen, hat mit der Verfassung nichts zu tun.
Fortgesetzte Zwischenrufe.
Abgeordneter Witternigg: Das ist Liguori=Moral.
Heftige Gegenruse bei den Christlichsozialen. — Andauernder
Lärm.)
Auf die gegen mich persönlich gerichteten Bemerkungen
will ich nicht näher eingehen. Ich glaube, das Urteil
edem anständig
über mein Wirken getrost
denkenden Meuschen überlassen zu können.
Der Rabau geht los.
Diese Worte, die von den Christlichsozialen mit Applaus¬
salven ausgenommen wurden, entfesselten bei den Sozial¬
Die Abgeordneten
demokraten stürmische Entrüstungsruse.
Zelenka, Witternigg und Widholz schlugen mit den
Fäusten auf die Ministerbank.
Der Präsident erteilte mitten im Lärm eine Anzahl
bgrardneter.
Ordnungsruse. Ein Trupp christlichsozialer
voran die Herren Pischitz und Luttenberger, stieß
im Keil gegen die sozialdemokrätischen Schreier unter den
Rufen: „Juden! Saujuben! Jndenbagage!“ vor.
Es kam zu einer wüsten Keilerei, in deren Verlauf der
Sozialdemokrat Seper einen Hieb vor den Kopf erhielt,
o daß er zurücktaumelte. Di Ordner und einige besonnene
Abgeordnete machten andi#g dem widerlichsten Teil der
Rauserei ein Ende, indem sie sich zwischen die puffenden,
stoßenden und schreienden Volksvertreter stellten.
Der Lärm überdauerte aber auch noch die Ausführungen
des Christlichsozialen Volber, der namens seiner Partei
erklärte, die Regierung habe ihre Pflicht getan und seine
Partei verteidige das,
Abgeordneter Weber rief ihm höhnend das Wort
Bsetecka zu. (So hieß der Herr Volker, bevor er sich
Foomanisieren lieh.
Polker replizierte: Wenn Sie auf meinen Namen
anspielen, so will ich konstatieren, daß ich meinen Namen
geändert habe. Wir Deutsche an der Donau wollen in
unserem sittlichen Reinlichkeitsgesühl nicht hinter dem übrigen
deutschen Vorke zurückbleiben.
Abgeordneter Seiy: Wenn die Mehrheit des Hauses
den Mut gehaht und in sich die Kraft gesühlt hätte, selbst
regieren, so hätte sie gewiß das notwendige Verständnis
4#
den notwendigen #o##tischen Takt gehabt, der in der
Entscheidung dieser Frage notwendig ist. Das kann man
natürlich einem jungen, strebsamen Mange, der einige Jahre
in Präsidialbureaus gedient hat und dann plötzlich auf einen
solchen Posten berusen wurde, nicht zumuten.
Wir kümmern uns nicht darum, welches Publikum das
Seite 3
12. Februar 1921
Wiener Landtag.
Der Landtag von Wien beschloß gestern nach einem
Referat des Berichterstatters Breitner ein Gesetz,
betreffeno die Einhebung einer Abgabe von Kraftwagen
in Wien.
In der Debatte bekannte sich Dr. Bruno Pollak
wohl als Anhänger der Automobilsteuer, nur bedauerte
er, daß die Stadt Wien als erste Stadt zu dieser Ma߬
regel greife und dadurch den Ländern mit schlechtem
Beispiel vorangehe.
Die Länder gehen nun ihrerseits daran, solche
Landesgesetze zu beschließen, wodurch jeder Verkehr
unterbrochen wird. Denn der Automobilbesitzer wird
dann in jedem Lande einer anderen Abgabe unterliegen.
Das Land Niederösterreich hat bereits eine solche Steuer
beschlossen. Jeder Automobilist, der die Grenzen Wiens
überschreitet, wird sohin gleichsam eine neue Mautgebühr
bezahlen müssen. Gegen eine staatliche Automobilsteuer
mit entsprechender Beteiligung der Stadt Wien sei nichts
einzuwenden, er müsse sich aber gegen die hier geühte
Kankönliwirtschaft aussprechen, durch die nicht nur die
gesamte Automobilindustrie, sondern auch die Arbeiter¬
schaft schwer geschädigt werde.
Bei der Beratung über die Gesetzesvorlage, be¬
treffend die Einhebung einer Kanzleitaxe für Ausstellung
von Interimspässen, kam es zwischen Dr. Plaschkes
und dem Christlichsozialen Rummelhardt zu einem
Zusammenstoß, weil letztn die vorgeschlagene Taxe von
50 Kronen auf 500 Kronen erhöht wissen wollte und
dabei Ausfälle auf die Ostjuden unternahm, welche
Dr. Blaichses in schärsster Weise zurückwies.
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Wiener Morgenzeilung
Wiener Bevölkerung in scharfem Gegensatz stehen. Nun hagelte¬
e Zwischenrufe.
Abgeordneter Seitz rief: Woher wissen Sie das?
Abgeordneter Witzany: Die christlich sozialen
Abgeordneten haben sich die Füße abgelaufen,
damit sie Karten bekommen!
Abgeordneter Seitz: Sie haben bis jetzt nur über
ästhetische Meinungen geredet, aber kein einziges Argument
vorgebracht.
Abgeordneter Dr. Mataja:
Der Herr Präsident als Krawallmacher!
Abgeordneter Dr. Bauer: Ein solcher Schreker, wie
der Herr Mataja, wagt es, hier so zu sprechen.
Dr. Glanz: Es war nur meine Absicht, vorerst dem
zur Beurteilung des Falles zunächst berufenen Herrn Bürger¬
meister von Wien Gelegenheit zu geben, zu dieser neuen,
durch den Eindruck der Aufführung gegebenen Sachlage
Stellung zu nehmen. Der Herr Bürgermeister teilte mir
jedoch hierauf mit, daß er nicht in der Lage sei, von
seiner ersten Endscheidung abzugehen.
Abgeordneter Pick: Das muß Ihneu genügen!
Dr. Glanz:
Die deutsche Kultur in Oesterreich
wird gewiß keinen Schaden leiden, wenn die Schausteslung
olcher Vorgänge auf offener Bühne unterbleibt. (Stürmi¬
den
bei
cher Beifall und Händeklatschen
Christlichsoztalen. — Heftige Gegenrufe bei den Sozial¬
demokraten. — Lärm.)
Abgeordneter Dr. Bauer:
Es handelt sich am eine Verfassungsfrage.
Das, was Sie sagen, hat mit der Verfassung nichts zu tun.
Fortgesetzte Zwischenrufe.
Abgeordneter Witternigg: Das ist Liguori=Moral.
Heftige Gegenruse bei den Christlichsozialen. — Andauernder
Lärm.)
Auf die gegen mich persönlich gerichteten Bemerkungen
will ich nicht näher eingehen. Ich glaube, das Urteil
edem anständig
über mein Wirken getrost
denkenden Meuschen überlassen zu können.
Der Rabau geht los.
Diese Worte, die von den Christlichsozialen mit Applaus¬
salven ausgenommen wurden, entfesselten bei den Sozial¬
Die Abgeordneten
demokraten stürmische Entrüstungsruse.
Zelenka, Witternigg und Widholz schlugen mit den
Fäusten auf die Ministerbank.
Der Präsident erteilte mitten im Lärm eine Anzahl
bgrardneter.
Ordnungsruse. Ein Trupp christlichsozialer
voran die Herren Pischitz und Luttenberger, stieß
im Keil gegen die sozialdemokrätischen Schreier unter den
Rufen: „Juden! Saujuben! Jndenbagage!“ vor.
Es kam zu einer wüsten Keilerei, in deren Verlauf der
Sozialdemokrat Seper einen Hieb vor den Kopf erhielt,
o daß er zurücktaumelte. Di Ordner und einige besonnene
Abgeordnete machten andi#g dem widerlichsten Teil der
Rauserei ein Ende, indem sie sich zwischen die puffenden,
stoßenden und schreienden Volksvertreter stellten.
Der Lärm überdauerte aber auch noch die Ausführungen
des Christlichsozialen Volber, der namens seiner Partei
erklärte, die Regierung habe ihre Pflicht getan und seine
Partei verteidige das,
Abgeordneter Weber rief ihm höhnend das Wort
Bsetecka zu. (So hieß der Herr Volker, bevor er sich
Foomanisieren lieh.
Polker replizierte: Wenn Sie auf meinen Namen
anspielen, so will ich konstatieren, daß ich meinen Namen
geändert habe. Wir Deutsche an der Donau wollen in
unserem sittlichen Reinlichkeitsgesühl nicht hinter dem übrigen
deutschen Vorke zurückbleiben.
Abgeordneter Seiy: Wenn die Mehrheit des Hauses
den Mut gehaht und in sich die Kraft gesühlt hätte, selbst
regieren, so hätte sie gewiß das notwendige Verständnis
4#
den notwendigen #o##tischen Takt gehabt, der in der
Entscheidung dieser Frage notwendig ist. Das kann man
natürlich einem jungen, strebsamen Mange, der einige Jahre
in Präsidialbureaus gedient hat und dann plötzlich auf einen
solchen Posten berusen wurde, nicht zumuten.
Wir kümmern uns nicht darum, welches Publikum das
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12. Februar 1921
Wiener Landtag.
Der Landtag von Wien beschloß gestern nach einem
Referat des Berichterstatters Breitner ein Gesetz,
betreffeno die Einhebung einer Abgabe von Kraftwagen
in Wien.
In der Debatte bekannte sich Dr. Bruno Pollak
wohl als Anhänger der Automobilsteuer, nur bedauerte
er, daß die Stadt Wien als erste Stadt zu dieser Ma߬
regel greife und dadurch den Ländern mit schlechtem
Beispiel vorangehe.
Die Länder gehen nun ihrerseits daran, solche
Landesgesetze zu beschließen, wodurch jeder Verkehr
unterbrochen wird. Denn der Automobilbesitzer wird
dann in jedem Lande einer anderen Abgabe unterliegen.
Das Land Niederösterreich hat bereits eine solche Steuer
beschlossen. Jeder Automobilist, der die Grenzen Wiens
überschreitet, wird sohin gleichsam eine neue Mautgebühr
bezahlen müssen. Gegen eine staatliche Automobilsteuer
mit entsprechender Beteiligung der Stadt Wien sei nichts
einzuwenden, er müsse sich aber gegen die hier geühte
Kankönliwirtschaft aussprechen, durch die nicht nur die
gesamte Automobilindustrie, sondern auch die Arbeiter¬
schaft schwer geschädigt werde.
Bei der Beratung über die Gesetzesvorlage, be¬
treffend die Einhebung einer Kanzleitaxe für Ausstellung
von Interimspässen, kam es zwischen Dr. Plaschkes
und dem Christlichsozialen Rummelhardt zu einem
Zusammenstoß, weil letztn die vorgeschlagene Taxe von
50 Kronen auf 500 Kronen erhöht wissen wollte und
dabei Ausfälle auf die Ostjuden unternahm, welche
Dr. Blaichses in schärsster Weise zurückwies.