box 17/6
11. Reigen
Wien, Sonntag, 13. Februar 1921.
Prolekarier aller Länder,
Nr. 536. — 4. Jahrgang.
vereinigt Guch!
Jenkralorgan
—
der Hommunistischen Tartei Oesterreichs
(Sektion der Hommunistischen Internationale.)
rscheint außer Montag täglich 6 Uhr früh.
In Wien monatlich zum Abholen oder per Post K 18.50.
Redaktion und Expedition:
Wien
Außerhalb Wiens: Einzeln 90 u= 40 Pf.— 25 Cent.
VII., Bandgasse 28. — Telephon 30.436.
Einzelpreis 80 Heller.
Monatl. mit Postversand: 22 K — 11.25 Mk. — 7.50 Fres.
Verchaltung: VIII., Alserstraße 69. — Tel. 11.186.
=Im Straßenverkauf 90 Heller.
sie sich schon nicht sattessen können, wenigstens eine
Und wilder und wilder der
Unterhaltung haben. Sie sollen sich ein bißchen zer¬
streuen, nicht immer an ihre elende Lage denken,
denn diese Grillenfängerei tut ihnen nicht gut. Sie
Reigen sich schlingt.
könnte sie auf ketzerische Gedanken über die Sozial¬
So aufgeregt wie gestern hat sich, die Arbeiter¬
demokratie bringen. Also nicht den Kopf hängen
zeitung“ schonflange nicht gebärdet. „Die Macht¬
lassen! Lustig sein! Es gibt eine große Hetz'! Die
probe des Kardinals“, „Der Gesetzbruch des
Christlichsozialen werden frech, sie bedrohen die gei¬
Glanz", „Die Prödokation und ihr Echo“, „Das
tige Freiheit, sie wollen die Verfassung umbringen.
Verbot und die Antwort des Bürgermeisters“, „Der
Auf in den frischfröhlichen Krieg gegen die Ver¬
„Ein Gerichtsurteil über den
weitere Verlauf“,
pfaffung! Antiklerikale Redensarten sollen die Ar¬
91
mit diesen Berichten und Betrach¬
„Reigen“
beiter ihre Nöte vergessen machen.
tungen über den „Reigen"=Streit hat das Blatt
Denn nur um Redensarten handelt es sich. Seitz
gestern beinahe dreieinhalb von seinen sechs Text¬
und die Seinigen wissen sehr gut, daß nichts so heiß
seiten gefüllt. Wie gesagt: so etwas ich schon lange
gegessen wird, wie es gekocht worden ist, daß die
nicht dagewesen, ja, seit der glorreichen Revolution
Ankündigung des Straßenkampfes noch lange nicht
überhaupt noch nicht. Aber es hat sich gestern auch
den Straßenkampf bedeutet. Die „Arbeiterzeitung“
nicht um einen Pfifferling gehandelt, es ist um
hat es auch schon ausgeplaudert, daß es nur auf
große Dinge gegangen: die klerikale Reaktion be¬
eine Komödie abgesehen ist, die die Arbeiter täu¬
droht die geistige Freiheit, die Regierung hat, weil
schen soll. „Der Herr Glanz,“ so erklärt sie, „hat
es die Finsterlinge so wollten, einen Verfassungs¬
nun die Wahl, mit seinen Gesetzesverletzungen in¬
bruch begangen! Sollten, durften, konnten die So¬
nezuhalten oder sie zu steigern; die Untersagung, die
zialdemokraten das ruhig hinnehmen? Müssen sie
er sich geleistet hat, wird keinen Ertrag haben.“
den Kampf für Wahrheit, Freiheit, Recht und Licht
Merkwurdig, sehr merkwürdig. Der Herr Glanz
nicht jederzeit und überall aufnehmen? Auch dann
hat die Verfassung verletzt. Also müssen die Sozial¬
aufnehmen, wenn sich die konterrevolutionäre Ak¬
demokraten, sollte man meinen, den Kampf gegen
tion der Christlichsozialen scheinbar nur gegen ein
ihn fortsetzen, bis er verschwunden ist. Aber so bös
Theaterstück richtet, zu dem die Masse des Volkes
sind sie nicht. Sie wollen abwarten, ob der Herr
überhaupt keine Beziehungen hat, das ihr also
Glanz seine Gesetzesverletzungen, steigern wird. Tut
gleichgültig ist?
er's nicht, hält er in seinem verfassungsbrecherischen.
Ganz gewiß: wer die Reaktion nicht aufkommen
Treiben inne, so wird ihm Verzeihung werden.
lassen will, der muß ihr doch auf die Finger klopfen,
Und Glanz will wirklich innehalten. Er läßt er¬
auch wenn der Anlaß, aus dem sie frech wird, nicht
klären, daß er nicht Gewalt anwenden, sondern den
gerade wichtig ist. Daß also die Sozialdemokraten
Verfassungsgerichtshof anrufen wird. Und der
den Christlichsozialen und der Regierung wegen des
„Reigen“ kann einstweilen weiter gespielt werden.
Verbotes der „Reigen“=Aufführungen einen Tanz
So sorgen beide Teile dafür, daß aus dem heiteren
gemacht haben, ist an sich gar nicht so lächerlich, wie
Spiel nicht etwa trauriger Ernst wird. In einer ge¬
die bürgerliche Presse, die liberale wie die klerikale,
heimen Koalition muß es, wenn sie geheim bleiben
behauptet. Ueberwältigend komisch aber wirkt die
soll, von Zeit zu Zeit eine kleine Katzbalgerei geben.
sozialdemokratische Aktion, wenn man sie im Zu¬
Aber sie darf natürlich nicht ausarten. Nun, der
samenhange mit der Politik, die die Sozialdemo¬
Streit um den „Reigen“ wird nicht ausarten. Die
kraten sonst machen, betrachtet. Da fällt einem näm¬
Wüteriche auf beiden Seiten wissen, daß sie mit
lich sofort auf, daß der Entschluß der Sozialdemo¬
Maß und Vernunft rasen müssen, wenn die Koali¬
kraten, für die Verfassung, wenn es sein muß, den
tion nicht gefährdet werden soll. Und die Koalition
Heldentod zu sterben, noch nicht sehr alt sein kann.
ist ihnen doch das höchste, besonders den Sozial¬
Denn sie haben sehr viele Anlässe, zur Sicherung
demokraten.
der Verfassung die Waffen zu ergreifen, nicht be¬
11. Reigen
Wien, Sonntag, 13. Februar 1921.
Prolekarier aller Länder,
Nr. 536. — 4. Jahrgang.
vereinigt Guch!
Jenkralorgan
—
der Hommunistischen Tartei Oesterreichs
(Sektion der Hommunistischen Internationale.)
rscheint außer Montag täglich 6 Uhr früh.
In Wien monatlich zum Abholen oder per Post K 18.50.
Redaktion und Expedition:
Wien
Außerhalb Wiens: Einzeln 90 u= 40 Pf.— 25 Cent.
VII., Bandgasse 28. — Telephon 30.436.
Einzelpreis 80 Heller.
Monatl. mit Postversand: 22 K — 11.25 Mk. — 7.50 Fres.
Verchaltung: VIII., Alserstraße 69. — Tel. 11.186.
=Im Straßenverkauf 90 Heller.
sie sich schon nicht sattessen können, wenigstens eine
Und wilder und wilder der
Unterhaltung haben. Sie sollen sich ein bißchen zer¬
streuen, nicht immer an ihre elende Lage denken,
denn diese Grillenfängerei tut ihnen nicht gut. Sie
Reigen sich schlingt.
könnte sie auf ketzerische Gedanken über die Sozial¬
So aufgeregt wie gestern hat sich, die Arbeiter¬
demokratie bringen. Also nicht den Kopf hängen
zeitung“ schonflange nicht gebärdet. „Die Macht¬
lassen! Lustig sein! Es gibt eine große Hetz'! Die
probe des Kardinals“, „Der Gesetzbruch des
Christlichsozialen werden frech, sie bedrohen die gei¬
Glanz", „Die Prödokation und ihr Echo“, „Das
tige Freiheit, sie wollen die Verfassung umbringen.
Verbot und die Antwort des Bürgermeisters“, „Der
Auf in den frischfröhlichen Krieg gegen die Ver¬
„Ein Gerichtsurteil über den
weitere Verlauf“,
pfaffung! Antiklerikale Redensarten sollen die Ar¬
91
mit diesen Berichten und Betrach¬
„Reigen“
beiter ihre Nöte vergessen machen.
tungen über den „Reigen"=Streit hat das Blatt
Denn nur um Redensarten handelt es sich. Seitz
gestern beinahe dreieinhalb von seinen sechs Text¬
und die Seinigen wissen sehr gut, daß nichts so heiß
seiten gefüllt. Wie gesagt: so etwas ich schon lange
gegessen wird, wie es gekocht worden ist, daß die
nicht dagewesen, ja, seit der glorreichen Revolution
Ankündigung des Straßenkampfes noch lange nicht
überhaupt noch nicht. Aber es hat sich gestern auch
den Straßenkampf bedeutet. Die „Arbeiterzeitung“
nicht um einen Pfifferling gehandelt, es ist um
hat es auch schon ausgeplaudert, daß es nur auf
große Dinge gegangen: die klerikale Reaktion be¬
eine Komödie abgesehen ist, die die Arbeiter täu¬
droht die geistige Freiheit, die Regierung hat, weil
schen soll. „Der Herr Glanz,“ so erklärt sie, „hat
es die Finsterlinge so wollten, einen Verfassungs¬
nun die Wahl, mit seinen Gesetzesverletzungen in¬
bruch begangen! Sollten, durften, konnten die So¬
nezuhalten oder sie zu steigern; die Untersagung, die
zialdemokraten das ruhig hinnehmen? Müssen sie
er sich geleistet hat, wird keinen Ertrag haben.“
den Kampf für Wahrheit, Freiheit, Recht und Licht
Merkwurdig, sehr merkwürdig. Der Herr Glanz
nicht jederzeit und überall aufnehmen? Auch dann
hat die Verfassung verletzt. Also müssen die Sozial¬
aufnehmen, wenn sich die konterrevolutionäre Ak¬
demokraten, sollte man meinen, den Kampf gegen
tion der Christlichsozialen scheinbar nur gegen ein
ihn fortsetzen, bis er verschwunden ist. Aber so bös
Theaterstück richtet, zu dem die Masse des Volkes
sind sie nicht. Sie wollen abwarten, ob der Herr
überhaupt keine Beziehungen hat, das ihr also
Glanz seine Gesetzesverletzungen, steigern wird. Tut
gleichgültig ist?
er's nicht, hält er in seinem verfassungsbrecherischen.
Ganz gewiß: wer die Reaktion nicht aufkommen
Treiben inne, so wird ihm Verzeihung werden.
lassen will, der muß ihr doch auf die Finger klopfen,
Und Glanz will wirklich innehalten. Er läßt er¬
auch wenn der Anlaß, aus dem sie frech wird, nicht
klären, daß er nicht Gewalt anwenden, sondern den
gerade wichtig ist. Daß also die Sozialdemokraten
Verfassungsgerichtshof anrufen wird. Und der
den Christlichsozialen und der Regierung wegen des
„Reigen“ kann einstweilen weiter gespielt werden.
Verbotes der „Reigen“=Aufführungen einen Tanz
So sorgen beide Teile dafür, daß aus dem heiteren
gemacht haben, ist an sich gar nicht so lächerlich, wie
Spiel nicht etwa trauriger Ernst wird. In einer ge¬
die bürgerliche Presse, die liberale wie die klerikale,
heimen Koalition muß es, wenn sie geheim bleiben
behauptet. Ueberwältigend komisch aber wirkt die
soll, von Zeit zu Zeit eine kleine Katzbalgerei geben.
sozialdemokratische Aktion, wenn man sie im Zu¬
Aber sie darf natürlich nicht ausarten. Nun, der
samenhange mit der Politik, die die Sozialdemo¬
Streit um den „Reigen“ wird nicht ausarten. Die
kraten sonst machen, betrachtet. Da fällt einem näm¬
Wüteriche auf beiden Seiten wissen, daß sie mit
lich sofort auf, daß der Entschluß der Sozialdemo¬
Maß und Vernunft rasen müssen, wenn die Koali¬
kraten, für die Verfassung, wenn es sein muß, den
tion nicht gefährdet werden soll. Und die Koalition
Heldentod zu sterben, noch nicht sehr alt sein kann.
ist ihnen doch das höchste, besonders den Sozial¬
Denn sie haben sehr viele Anlässe, zur Sicherung
demokraten.
der Verfassung die Waffen zu ergreifen, nicht be¬