11. Reigen
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süßen Mädel abfällt, diese tauscht ihn gegen den Dichter
ein, der dann zur Schanspielerin geßt, die sich dann mit
dem Grafen paart, bis dieser sich wieder mit der Dirne
vereint. So die furchtbaren Verschlingungen des „Rei¬
gens“
Gewiß kann man auch bei diesem Stücke alle Mil¬
derungszründe anrufen, die die Kumst aurnfen
darf
wenn sie irnerhalb ihrer Grenzen das Häßliche
Abstoßende beschreibt Ueber den Reigen allerdings
noch mehr über seine Darstellung auf der Bühne,
schei¬
nen die Würfel im allgemeinen Urteil gefallen zu sein.
Moissi hat einmal gesagt, jede Schanspielerin, die im
=Reigen“ mitspiele, verdiene angespuckt zu weoden.
Die amtliche Darstellung.
KB. Wien, 11. Februar. In Begründung des Dring¬
lichkeitsantrages betreffend das Verbot von Schnitzlers
Reigen führte Sozialdemokrat Leuthner aus, es
handle sich nicht um die künstlerische oder die ästhetische
Seite, sondern ausschließlich um die rein verfassungsrecht¬
liche Seite der Angelegenheit. Der hiefür kompetente Bür¬
germeister von Wien hat die Aufführung bewilligt und das
Ministerium hat kein Recht zu einer Aufhebung der Be¬
willigung. Es wird offenkundig der Wortlaut des Gesetzen
verletzt. Dies geschehe in der würdelofesten und wider¬
wärtigsten Form nicht von einem wirklichen Vertreier der
regierenden Partei, sondern von einem Bedienten der¬
selben. (Lebhafter Beifall bei den Sozialdemokraten.)
Innenminister Dr. Glanz betont, daß sich nach der
Aufführung des Stückes, die weitüberwiegende Mehrzahl
der öffentlichen Meinung dahin ausspreche, daß die Auf¬
führung ihrem Gesamteindruck nach eine arge Verletzung
der öffentlichen Sittlichkeit bedeute. (Lebhafter Beifall bei
den Christlichsozialen, andauernde stürmische Zwischenrufe
der Sozialdemokraten und Gegenrufe der christlichsozialen
Abgeordneten.) Aus Gründen der öffentlichen Sittlichkeit
untersagte deshalb das Ministerium die weitere Auffüh¬
rung. (Zwischenrufe, Lärm.) Es handelt sich um ein Stück,
dessen Leitmotiv eine Sache bildet, die bei allen Völkern
selbst solchen, die sich auf einer niederen Stufe der Zivili¬
sation befinden, mit einer gewissen Diskretion umgeben
wird; die deutsche Kultur in Oesterreich wird gewiß keinen
Schaden erleiden, wenn die Schaustellung solcher Vorgänge
auf offener Bühne unterbleibt. (Skürmischer Beifall bei
den Christlichsozialen, heftige Gegenrufe bei den Sozial¬
demokraten. Es handelt sich um eine Verfassungsfrage
Formal hat der Minister nach den geltenden Kompetenz¬
bestimmungen das Recht und die Pflicht zur Aufsicht und
zum Verbote der Aufführungen. Was die gegen ihn per¬
sönlich gerichteten Bemerkungen des Vorredners betreffe
überlasse er das Urteil über sein Wirken getrost jedem an¬
ständig denkenden Menschen. (Lebhafter Beifall u. Hände¬
klatschen bei den Christlichsozialen, stürmischer Widerspruch,
Abzugrufe bei den Sozialdemokraten. Mehrere Sozial¬
demokraten dringen mit stürmsichen Rufen gegen den Mi=z
„Salzburger Chronik“
nistertisch vor und schlagen heftig auf denselben. Lang an¬
haltender Lärm und großer Tumult. Vor der Minister¬
bank kommt es zu stürmischen Auseinandersetzungen. Die
Ordner bemühen sich, die heftig aneinander geratenen Ab¬
geordneten zu trennen.)
Nachdem sich der Lärm einigermaßen gelegt hat, spricht
Präsident Weiskirchner sein tiefstes Bedauern über
diesen unqualifizierbaren Vorgang aus und erteilt eine
Reihe von Ordnungsrufen. Der christlichsoziale Abgeordnete
Volker billigt den Standpunkt des Ministers und ver¬
vies darauf, daß auch in München und Berlin der „Rei¬
gen“ verboten wurde. Abg. Seitz nahm in scharfer Weise
Stellung gegen den Minister des Innern und kündigte den
entschiedenen Widerstand der Arbeiterschaft gegen jede
Verletzung der Verfassungsrechte Wiens an. (Lebhafter
Beifall bei den Sozialdemokraten, andauernde Zwischen¬
rufe bei den Christlichsozialen.)
Abg. Dr. Bauer ver¬
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süßen Mädel abfällt, diese tauscht ihn gegen den Dichter
ein, der dann zur Schanspielerin geßt, die sich dann mit
dem Grafen paart, bis dieser sich wieder mit der Dirne
vereint. So die furchtbaren Verschlingungen des „Rei¬
gens“
Gewiß kann man auch bei diesem Stücke alle Mil¬
derungszründe anrufen, die die Kumst aurnfen
darf
wenn sie irnerhalb ihrer Grenzen das Häßliche
Abstoßende beschreibt Ueber den Reigen allerdings
noch mehr über seine Darstellung auf der Bühne,
schei¬
nen die Würfel im allgemeinen Urteil gefallen zu sein.
Moissi hat einmal gesagt, jede Schanspielerin, die im
=Reigen“ mitspiele, verdiene angespuckt zu weoden.
Die amtliche Darstellung.
KB. Wien, 11. Februar. In Begründung des Dring¬
lichkeitsantrages betreffend das Verbot von Schnitzlers
Reigen führte Sozialdemokrat Leuthner aus, es
handle sich nicht um die künstlerische oder die ästhetische
Seite, sondern ausschließlich um die rein verfassungsrecht¬
liche Seite der Angelegenheit. Der hiefür kompetente Bür¬
germeister von Wien hat die Aufführung bewilligt und das
Ministerium hat kein Recht zu einer Aufhebung der Be¬
willigung. Es wird offenkundig der Wortlaut des Gesetzen
verletzt. Dies geschehe in der würdelofesten und wider¬
wärtigsten Form nicht von einem wirklichen Vertreier der
regierenden Partei, sondern von einem Bedienten der¬
selben. (Lebhafter Beifall bei den Sozialdemokraten.)
Innenminister Dr. Glanz betont, daß sich nach der
Aufführung des Stückes, die weitüberwiegende Mehrzahl
der öffentlichen Meinung dahin ausspreche, daß die Auf¬
führung ihrem Gesamteindruck nach eine arge Verletzung
der öffentlichen Sittlichkeit bedeute. (Lebhafter Beifall bei
den Christlichsozialen, andauernde stürmische Zwischenrufe
der Sozialdemokraten und Gegenrufe der christlichsozialen
Abgeordneten.) Aus Gründen der öffentlichen Sittlichkeit
untersagte deshalb das Ministerium die weitere Auffüh¬
rung. (Zwischenrufe, Lärm.) Es handelt sich um ein Stück,
dessen Leitmotiv eine Sache bildet, die bei allen Völkern
selbst solchen, die sich auf einer niederen Stufe der Zivili¬
sation befinden, mit einer gewissen Diskretion umgeben
wird; die deutsche Kultur in Oesterreich wird gewiß keinen
Schaden erleiden, wenn die Schaustellung solcher Vorgänge
auf offener Bühne unterbleibt. (Skürmischer Beifall bei
den Christlichsozialen, heftige Gegenrufe bei den Sozial¬
demokraten. Es handelt sich um eine Verfassungsfrage
Formal hat der Minister nach den geltenden Kompetenz¬
bestimmungen das Recht und die Pflicht zur Aufsicht und
zum Verbote der Aufführungen. Was die gegen ihn per¬
sönlich gerichteten Bemerkungen des Vorredners betreffe
überlasse er das Urteil über sein Wirken getrost jedem an¬
ständig denkenden Menschen. (Lebhafter Beifall u. Hände¬
klatschen bei den Christlichsozialen, stürmischer Widerspruch,
Abzugrufe bei den Sozialdemokraten. Mehrere Sozial¬
demokraten dringen mit stürmsichen Rufen gegen den Mi=z
„Salzburger Chronik“
nistertisch vor und schlagen heftig auf denselben. Lang an¬
haltender Lärm und großer Tumult. Vor der Minister¬
bank kommt es zu stürmischen Auseinandersetzungen. Die
Ordner bemühen sich, die heftig aneinander geratenen Ab¬
geordneten zu trennen.)
Nachdem sich der Lärm einigermaßen gelegt hat, spricht
Präsident Weiskirchner sein tiefstes Bedauern über
diesen unqualifizierbaren Vorgang aus und erteilt eine
Reihe von Ordnungsrufen. Der christlichsoziale Abgeordnete
Volker billigt den Standpunkt des Ministers und ver¬
vies darauf, daß auch in München und Berlin der „Rei¬
gen“ verboten wurde. Abg. Seitz nahm in scharfer Weise
Stellung gegen den Minister des Innern und kündigte den
entschiedenen Widerstand der Arbeiterschaft gegen jede
Verletzung der Verfassungsrechte Wiens an. (Lebhafter
Beifall bei den Sozialdemokraten, andauernde Zwischen¬
rufe bei den Christlichsozialen.)
Abg. Dr. Bauer ver¬
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