box 17/6
11. Reigen
nern, Napoleon an der Spitze, glühende Bewun¬
nichts Wichtigeres zu tun hatte, so sog man freu¬
derer erstanden sind, mehr gedient gewesen wäre,
dig die neue Sensation mit weitgeblähten Nasen¬
wenn eer hysterische Münchner Ruf der Schwei¬
die Aufführung des „Reigen“ prompt verhindert
nereis nicht aus zartem Munde ertönt wäre. Im
zu haben, ließ den österreichischen Minister des
Uebrigen kann man sich angesichts so großer Auf¬
Innern auch diesmal nicht schlafen. Und da die
regung und solcher Kreuzzüge für und wider
Regierung nun schon einmal die Revision des
zu.
Schnitzler ganz der Ansicht des früheren Präsiden¬
Friodens von St. Germain und die Reparation
ten des österreichischen Nationalrates Seitz an¬
als ein weniger geeignetes Feld für ihren Taten¬
Langen
schließen, der da sehr richtig bemerkte, das Urteil
i##nsche
dvang erkannie, so kämpft sie als tapferer Don
eines Ministers über den Wiener Dichter sei ihm
Quichotte gegen die erotischen Windmühlen
Mä¬
ebenso gleichgültig wie das Geschrei männlicher
Schnitzlers. Man müßte Wien nicht kennen, um
seinen
und weiblicher Hystero=Erotiker, Zentrumsabge¬
ddeutsch¬
nicht zu wissen, daß Brotmangel, Reparation,
ordneter und Polizeipräsidenten. Ueber Schnitz¬
Ministerkrise, Anschluß oder Nichtanschluß
die sich
lers Stellung in der deutschen Literatur hoben
versagen
daß all diese Kleinigkeiten im Augenblicke ver¬
gottlob andere entschieden als christlichsoziale Mi¬
Parkett
gessen sind, wenn der Krieg um den „Reigen“
nister des Innern.
tobt. „A Hötz!“ —
im Na¬
Als in Deutschland der berühmte Nuditäten¬
8 Thea¬
Das österreichische Parlament hat Tage
schnüfflerparagraph, die „Lex Heinze", einen
Erd¬
alten Glanzes wiedergesehen: eine Ohrfeigen¬
gen“ in
Brand entsachte und Polizeiorgane und Regie¬
szene Soweit können sich die Vertreter des Vol¬
rungsassessoren aus der Sezession und dem Künst¬
an keine
kes über ein Werk Schnitzlers ereifern, über das
lerhause einen Schweinestall machten, da drangen
zu bin¬
sie mit Augenblinzeln wohl oft gesprochen, das sie
Vor- die Wellen dieses Bildersturmes zum Zeichen, daß
aber, Hand aufs Herz, sicher nie gelesen haben.
beiläu¬
auch Oesterreich in dem „geistigen Leben“
Aber es handelt sich gar nicht um Schnitzler, son¬
in der
Deutschlands seinen Antoil hatte, über die Grenz¬
dern darum, daß ein reaktionärer Klüngel in
nMän= pfähle nach Wien herüber. Da man damals gerade! München wie in Wien rasch den Ball auffängt,
flügeln ein. Die Presse hatte ein Sujet, der Mi¬
nister eine neue Gelegenheit, Orden zu erohern,
die Spießer ein Stammtischgespräch, die Witz¬
blätter Zotenmaterial. Der Ruhm der Münchner,
den ihr die monarchistische Presse zuwirft.
Schnitzler war gut genug dazu, als Anlaß zu
einer Schlacht zwischen der chvistlichsozialen Re¬
gierung und dem Wiener sozialdemokratischen
Rathause mißbraucht zu werden. Der ganze raffi¬
nierte Instanzenapparet wurde mobilisiert, alle
Unterstellen mußten aufmarschieren, bis endlich
in dem wunderschönen hellenischen Tempel auf
der Ringstraße die Entscheidung in Form einer
challenden Ohrfeige fiel.
Schnitzlers „Reigen“ wird nicht verboten
werden, meldet heute das offizielle Korrespon¬
denzbüro über den Ausgang der Schlacht. Dis
Kraftprobe der Christlichsozialen ist mißglückt. Die
Manöver endeten mit einem Mißerfolg. München
und Budapest und eine Winterfrische im Schwei¬
zerischen werden nicht zufrieden sein. Das Volk
hat nicht mitgegröhlt. Der „Reigen“ der Christ¬
lichsozialen war ein ebenso gewaltiger Durchsall,
wie Schnitzlers „Reigen“ ein Erfolg.
11. Reigen
nern, Napoleon an der Spitze, glühende Bewun¬
nichts Wichtigeres zu tun hatte, so sog man freu¬
derer erstanden sind, mehr gedient gewesen wäre,
dig die neue Sensation mit weitgeblähten Nasen¬
wenn eer hysterische Münchner Ruf der Schwei¬
die Aufführung des „Reigen“ prompt verhindert
nereis nicht aus zartem Munde ertönt wäre. Im
zu haben, ließ den österreichischen Minister des
Uebrigen kann man sich angesichts so großer Auf¬
Innern auch diesmal nicht schlafen. Und da die
regung und solcher Kreuzzüge für und wider
Regierung nun schon einmal die Revision des
zu.
Schnitzler ganz der Ansicht des früheren Präsiden¬
Friodens von St. Germain und die Reparation
ten des österreichischen Nationalrates Seitz an¬
als ein weniger geeignetes Feld für ihren Taten¬
Langen
schließen, der da sehr richtig bemerkte, das Urteil
i##nsche
dvang erkannie, so kämpft sie als tapferer Don
eines Ministers über den Wiener Dichter sei ihm
Quichotte gegen die erotischen Windmühlen
Mä¬
ebenso gleichgültig wie das Geschrei männlicher
Schnitzlers. Man müßte Wien nicht kennen, um
seinen
und weiblicher Hystero=Erotiker, Zentrumsabge¬
ddeutsch¬
nicht zu wissen, daß Brotmangel, Reparation,
ordneter und Polizeipräsidenten. Ueber Schnitz¬
Ministerkrise, Anschluß oder Nichtanschluß
die sich
lers Stellung in der deutschen Literatur hoben
versagen
daß all diese Kleinigkeiten im Augenblicke ver¬
gottlob andere entschieden als christlichsoziale Mi¬
Parkett
gessen sind, wenn der Krieg um den „Reigen“
nister des Innern.
tobt. „A Hötz!“ —
im Na¬
Als in Deutschland der berühmte Nuditäten¬
8 Thea¬
Das österreichische Parlament hat Tage
schnüfflerparagraph, die „Lex Heinze", einen
Erd¬
alten Glanzes wiedergesehen: eine Ohrfeigen¬
gen“ in
Brand entsachte und Polizeiorgane und Regie¬
szene Soweit können sich die Vertreter des Vol¬
rungsassessoren aus der Sezession und dem Künst¬
an keine
kes über ein Werk Schnitzlers ereifern, über das
lerhause einen Schweinestall machten, da drangen
zu bin¬
sie mit Augenblinzeln wohl oft gesprochen, das sie
Vor- die Wellen dieses Bildersturmes zum Zeichen, daß
aber, Hand aufs Herz, sicher nie gelesen haben.
beiläu¬
auch Oesterreich in dem „geistigen Leben“
Aber es handelt sich gar nicht um Schnitzler, son¬
in der
Deutschlands seinen Antoil hatte, über die Grenz¬
dern darum, daß ein reaktionärer Klüngel in
nMän= pfähle nach Wien herüber. Da man damals gerade! München wie in Wien rasch den Ball auffängt,
flügeln ein. Die Presse hatte ein Sujet, der Mi¬
nister eine neue Gelegenheit, Orden zu erohern,
die Spießer ein Stammtischgespräch, die Witz¬
blätter Zotenmaterial. Der Ruhm der Münchner,
den ihr die monarchistische Presse zuwirft.
Schnitzler war gut genug dazu, als Anlaß zu
einer Schlacht zwischen der chvistlichsozialen Re¬
gierung und dem Wiener sozialdemokratischen
Rathause mißbraucht zu werden. Der ganze raffi¬
nierte Instanzenapparet wurde mobilisiert, alle
Unterstellen mußten aufmarschieren, bis endlich
in dem wunderschönen hellenischen Tempel auf
der Ringstraße die Entscheidung in Form einer
challenden Ohrfeige fiel.
Schnitzlers „Reigen“ wird nicht verboten
werden, meldet heute das offizielle Korrespon¬
denzbüro über den Ausgang der Schlacht. Dis
Kraftprobe der Christlichsozialen ist mißglückt. Die
Manöver endeten mit einem Mißerfolg. München
und Budapest und eine Winterfrische im Schwei¬
zerischen werden nicht zufrieden sein. Das Volk
hat nicht mitgegröhlt. Der „Reigen“ der Christ¬
lichsozialen war ein ebenso gewaltiger Durchsall,
wie Schnitzlers „Reigen“ ein Erfolg.