II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 593

stellen zahlreich besuchten Hauptversammlung erstatteten nach
den einteitenden Worten des Präsidenten Walterskirchen
Generaldirektor Fried den

Se
Tätigkeitsbericht.
Danach zählt der Volksbund 1236 Ortsgruppen, bezw. Ge¬
schäftsstellen mit 123.818 Mitgliedern und 46.084 Teilnehmern
zusammen rund 170.000 Vereinsteilnehmern; 18 akademisch
gebildete Referenten arbeiten mit der Zentrale zusammen,
eine wissenschaftliche Bibliothek mit über 8000 Bänden steht zur
Verfügung, 118 Zeitungen und Zeitschuften aus den verschie¬
densten Lagern werden ständig bearbeitet. Für die katholische
Presse wurde eine durchgreifende Agitation entfaltet, weil die
katholische Presse eine der schärfsten und besten Waffen in
Kampfe um die kaholische Weltanschauung und gegen die Geg
ner ist. Der Bericht erwähnt noch die veranstalteten Kurse
deren größter der alljährliche soziale Kurs ist, die Rechtsaus¬
kunftsstelle, die Kinderaktion, durch die 1800 bis 1900 Kindern
zu einem Erholungsurlaub verholfen wurde, die Vertei¬
lung von Lebensmitteln, die Mitwirkung bei der christlichen
Kunststelle, der Veranstaltung der Volkshochschule, die Buch¬
handlung des Volksbundes, seiner Druckerei, seine Zeitschriften
und die Zeitungskorrespondenz. Der Generaldirektor schloß:
Wir haben nach unseren Statuten ein dreifaches Programm:
1. Schaffung einer allgemeinen Organisation des katyolischen
Volkes in Oesterreich; 2. Arbeit für die Presse, Bekämpfung der
schlechten und Förderung der guten Presse; 3. Bildung des Vol¬
kes auf Grund unserer katholischen Ueberzeugung in staatsbür¬
gerlicher Hinsicht usw. Diese drei Punkte sind nicht gleichwertig
im Programm, der eigentliche Programmpunkt unserer ganzen
Arbeit ist der dritte, die Bildung und Ertüchtigung unseresVol¬
kes. Die beiden anderen, Ausbau der Organisation und
Presse, sind zwei unerläßliche Stützen und Hilfsmittel. Mit der
Organisation und mit der Presse werden wir unser Ziel er¬
reichen, das kein anderes ist, als die Erneuerung un¬
seres Volkes im Sinne unserer katholischen
Ueberzeugung. Das ist unser letztes und unser höchstes
Volksbundziel: Ein katholisches Volk im katho¬
lischen Staate, ein tüchtiges Volk, das in jeder Hinsicht
seine Pflicht nicht bloß erkennt, sondern auch zu leisten und zu
erfüllen imstande ist. (Stürmischer Beifall.)
Abg. Kunschak,
stürmisch begrüßt, führte hierauf aus:
Wenn es z. B. möglich ist, daß aus einer Sache, die
eigentlich nur unter dem Gesichtswinkel des guten Geschmackes
entschieden werden kann, hochpolitische Affären sich entwickeln
wenn es möglich ist, daß wegen der Aufführung eines Bordell¬
stückes (Pfuirufe) die ärgsten Aufregungen in die obersten Ver¬
tretungskörper kommen, daß Männer, die an der Spitze einer
mächtigen politischen Partei stehen und sicherlich über sehr viel
Intellekt, über Bildung und auch Geschmack verfügen, sich nicht
entblöden, in ihrem Ton und in ihrer Kampfesweise
auf das Niveau der Vorstadtspelunke herab¬
gusteigen (Rufe: Sehr richtig!), wenn es möglich ist, daß
wegen der Aufführung eines sogenannten Theaterstückes, das die
Munchner, ja sogar die Berliner abgewiesen haben, die Träger.
des Gedankens der Vereinigung mit dem Stammvolke sich von
dem sittlichen Empfinden der großen Masse des deutschen Volkes
so losgelöst erachten, daß sie sich unter Einsatz
ihrer ganzen
Persönlichkeit und unter Prostituierung ihres Charakters zum
Anwalt eines sogenannten deutschen Schriftwerkes aufwerfen,
wenn das alles möglich ist, dann muß man sagen, das politische
Leben ist nicht nur ein garstiges Lied, das politische
Leben ist in Oesterreich auf den Hund und
unter den Hund gekommen und hat seine Führer
gleichfalls auf den Hund und unter den Hund herabgezerrt.
(Zustimmung.) Es ist wirklich kein politisches Leben mehr, es
ist nur mehr das Brodeln und Gären des Sumpfes das man
heute politisches Leben in Oesterreich nennt. Wenn der Volks¬
bund seine Aufgabe darin erhlickt, an den Ufern dieses
Sumpfes auf dem festen Lande fußend die unglücklichen Opfer,
die in diesem Sumpfe unterzugehen drohen, herauszuhrben
und ihnen wieder reine, frische Luft zum Atmen und wieder
festen Boden zum Marschieren unter die Füße zu geben, so ist
das nur recht und gut. Es ist das keine politische Arbeit und
doch die größte und notwendigste politische Tat unserer Zeit
(Rauschender, anhaltender Beifall.)
Die Versammlung, in der noch Frau NR. Rudol¬
Zeynek (Steiermark) und Geschäftsführer Wumpel
(St. Veit a. d. Glan) sprachen, wählte dann in die Zentral¬
leitung: Präsident Franz X. Walterskirchen; Vizepräsi¬
denten: Regierungsrat Dr. Pultar, Sektionsrat Dr. Schön¬
pflug und Abg.Spalowsky; Kassiere: Msgr. Schaur¬
hofer und Franz Degenfeld; Schriftführer: Bauer,
Hofrat Michl und Generaldirektor Fried; Vorstands¬
miglieder: Bundesrat Dr. Kienböck, Professor Krasser,
Dr. Maresch, Kooperator Schmid,
Vizebürgermeister,
Weymann, Dr. Zestner und Stefanie Wenckheim:
Thefredakteur
Generaldirektor Fried,
Presseausschuß:
Dr. Funder, Kooperator Leutgeb (Baden), Professor
Dr. Preyß und Stesanie Wenckheim. — Nach einem
Berichte des Generaldirektors Fried wurde einstimmig beschlossen,
den Mitgliedsbeitrag mit mindestens 20 Kronen per Jahr fest¬
festzusetzen.