II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 607

11
box 17//6
Reigen
Deagepesise
Für Stepe zum
Monall s 23.—
Viertelj." 69•—
Halbj. „138•—
Ganzj. „276•—
Mit Justellung ins
haus oder durch
die Post:
Monatl. K 25·
75•
Viertelj.
„150•—
Halbj.

u
ehrt
Ganzj. 300•—
Einzelne Blätter
K 1.50
Sonntag=Nr. K 7
Sozialdemokratisches Organ für Stadt und Land.
Schriftleitung u. Ve#waltung Steyr, Kirchengasse 13. — Telephon B. — Telegramme: Tagblatt Stehr. — Redaktio
Erscheint töglich abends mit Ausnahme der Sonn= und Feiertage. — Inseraten=Annahme bis 6 Uhr abends des
Steur, Mittwach, den 16. Fehrnar 1921.
Nr. 37.
wenn man hinsieht, was sie eigentlich gegen das
Stück „mit ihrem sittli
Der Reigen der Muckerwelt.
Stück einzuwenden haben. Erst wenn man die
Gegensatz steht“, sie sit
Gründe gegen die Aufführung des Stückes geprüft
dieser Moral, die es nich
Was ist geschehen?( Die Spießer bis zum
hat, dann kommt man zu dem richtigen Urteil über
vor aller Welt die Ma
Minister hinauf sind in Auftegung geraten und
die sittliche Beschaffenheit jener Welt, die ihre
wird. Und in anderer
erfüllen die Luft mit dem Gegeifer, daß die Moral
Moralbegriffe dem Katholizismus verdankt, einer
mit Wohlbehagen genie
hin, die Sittlichkeit durch den Kot gezogen sei. Ein
Welt, deren Sprachrohr die christlichsoziale Presse,
Geißel gedacht hat.
Jude hat ein Stück geschrieben, das alle die
voran natürlich die „Reichspost“ ist, die sich in der
Mit welchem sittlich
Schweinereien auf die Bühne bringt, die man doch
Betrachtung des Stückes direkt im Drecke wälzt
Urteil der Sechsten
nur tut, von denen man aber nicht spricht, es sei

und dabei fortwährend schreit, man möge sie von
Landgerichtes III von
denn auf den Herrenabendey, die ab und zu not¬
ihm befreien. Sie gibt dabei ein getreues Spiegel¬
Stückes. Und mann kan
wendig sind, um den Geist ausruhen zu lassen von
bild derer, die ihrer Anschauung sind, die im
land ein Land ist, das
den Anstrengungen, die das Leben, die gesellschaft¬
Grunde genommen dahin geht, schwärende Wunden
lichen Verpflichtungen und würdevolle Hausväter¬
„Die körperliche Vereini
am Körper der Gesellschaft nicht aufzudecken und
lichkeit dem Menschen bereiten. Es besteht die Ge¬
„sollte stets lediglich
damit der Heilung zuführn, sondern zu verbergen
innigsten seelischen Gem
fahr, daß die Frau, die Kinder das auf der Bühne
und fräße sich der giftige Eiter auch noch so tief
dieser Auffassung hat l
sehen, was man bisher in der Verschwit zenheit der
in das gesunde Fleisch ein. Aber auch der berühmte
Bordelle oder der Klubräumlichkeiten bei lustigen
Platz gegriffen. Diesen
Aufführung die ganze
Verbotserlaß des Herrn Glanz zeigt uns dasselbe
Gelegenheiten mit Wonne selbst genossen hat. Das
Bild, nur daß eben seine Worte nicht den Aus¬
Mitte mr und mehr
darf nicht sein, daß Lumpen die ewigen Gesetze der
drucksmitteln der „Reichspost“ entstammen. (Er ist
Sittlichkeit frech verletzen durch solche Aufführungen,
standes ezeigt
in dem Reigen der aufgeregten Muckerwelt im
Geschlechtsverkehres (die
die geeignet sein könnten, einem die Schamröte
wirkt
Verhältnisse zur „Reichspost“ das, was in dem
durch Vorführung von Dingen ins Gesicht zu
wird. Ned.)
* *
Theaterstück der Graf zum Deutschmeister ist). Er
treiben, die man nur manchmal ausnahmsweise
richtiger Beobachtung ber
sagt: Abgesehen von der künstlerischen Bedeutung
genoß, von denen man aber leugnet, daß man
führung soll nach der
des Stückes (also auch er getraut sich nicht, dem
wisse, daß sie überhaupt existieren. Man verbiete
tragsgegner gipfeln in
dieses Stück. Man bewerfe die Schauspielerinnen
„Reigen“ künstlerische Bedeutung abzusprechen) be¬
Ekels vor dem Tiefstal
deutet es eine arge Eefährdung der öffentlichen
mit stinkenden Eiern, sofern sie nicht zu teuer
Bevölkerungsschichten auf
Sittlichkeit. Welch abgrundtiefe Verkehrtheit offen¬
kommen und man mache dem unglaublichen Landes¬
lebens . .. so bedeutet
hart sich doch da. Nie kann wahre Kunst, das ist
hauptmann den Standpunkt klar, der zuließ, daß
liche Tat. Aus diesen
wahre Menschlichkeit, der wahren Sittlichkeit ent¬
solches gespielt werde. Und der Spießer im
die Ueberzeugung gewon
Ministerfrack versteht den Spießer aus der Re¬
gegengesetzt sein. Sie kann nur unsittlich sein im
führung von Schnitzlers
daktion, aus dem Gesellenverein, versteht die
Lichte einer Moral, die ihre Postulate entnommen
ziehung bei dem ge
Betschwestern aus der katholischen Jungfrauen¬
hat der Moraltheologie eines Liguori, der sich der
gesunden Mensch
kongregation und erklärt alle für Schweine und
Mühe unterzogen hat, die einzelnen Schweinereien
So urteilt das de
unanständige Menschen die sich das Stück ansehen,
zu kategorisieren und sie in ihrem Werte oder Un¬
vergleiche dazu die Aeu
seine Aufführung bewilligt haben und für es ein¬
werte abzustufen, die Bußen für sie der Reihe nach
Spießer über Funder bi
treten, indem er es verbietet. Es ist zwar ein
festzusetzen. Der Mann wurde seinerzeit dafür heilig
solcher Auffassung voll
Verfassungsbruch, aber: die Sittlichkeit und die
gesprochen. Die Zeiten haben sich seitdem geändert,
Religion ist in Gefahr und wenn die Verfassung
die Entwicklung ist dem Dunkel des Mittelalters
gegen „Gottes Gebote“ verstößt, dann geht man
enteilt, aber noch sind sie da, die Repräsentanten
erhobenen Hauptes über
jener Pfarrhofmoral, die dem von der Ehe unbe¬
se.
hinweg. So fegt ein
Sturm der Entrüstung die Latrinengerüche hinweg,
fleckten Diener Gottes gestattet seine Haushälterin
die die Nase beleidigen. Freilich, wenn sich der
zu umarmen, die im aber befiehlt, die Kinder nie
Sturm wieder legt, ist mit den Gerüchen die
wissen zu lassen, wer ihr Vater sei. Nicht davon
reden!
Latrine noch nicht verschwunden, aber man wird
dann eben nicht hinsehen, wo sie steht und in Ab¬
Muß denn die Welt ewig ausgeliefert sein
wandlung eines berühmt gewordenen Wortes immer
den Vergewaltigern wahrhaft gesunder Denkungs¬
art und verschlossen den großen Predigern der
daran denken und nur davon sprechen, wenn man

Knenn