II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 613


germeister von Wien, dem Sozialdemokraten Reu¬
mann, nahegelegt, die Aufführung des „Reigen“
zu verbieten. Man hätte glauben können, daß der
Bürgermeister von Wien, der Sozialdemokrat Reu¬
mann hiefür Verständnis gehabt hätte. Aber bei
der Auffassung, welche diesbezüglich in sozialdemo¬
kratischen Kreisen gebräuchlich ist, wies Reumann
als Landeshauptmann des Landes Wien das An¬
suchen des Polizeipräsidenten scharf ab. Nun hat
die Regierung eingegriffen und im Kabinettsrate
einstimmig beschlossen, die Aufführung des „Rei¬
gen“ zu untersagen. Wegen dieses Verbotes der
Regierung haben die Sozialdemokraten am 11. Fe¬
ber im Nationalrate eine Dringlichkeitsanfrage ein¬
gebracht, bei deren Beantwortung durch Bundes¬
minister Dr. Glanz es zu unerhörten Skandal¬
szenen gekommen ist, weil er der Meinung Ausdruck
gegeben hat, daß alle anständigen Leute diesbezüg¬
lich einer Ansicht seien. Sozialdemokraten und Ab¬
geordnete stürzten gegen die Ministerbank und es
hatte zeitweise den Anschein, als ob es zu Tätlichkei¬
ten kommen sollte. Über die kulturelle und ästhe¬
tische Seite wollten eid Sozialdemoraten, „wie sie
sagten“ kein Urteil abgeben, sondern nur den Mini¬
ster Glanz deswegen zur Verantwortung ziehen, weil
er einen Erlaß hinausgegeben hätte, wozu ihm die
Berechtigung fehlte.
Wie von informierter Seite mitgeteilt wird,
steht die Regierung auf dem Standpunkte, daß das
Voxgehen des Bundesministers Dr. Glanz in An¬
gelegenheit des Verbotes der „Reigen“=Aufführung
verfassungsmäßig vollkommen korrekt sei.
Dieselbe Angelegenheit — die „Reigen“=Auf¬
führung — ist auch im Wiener Landtage
zur

Sprache gekommen, wo die Gemeinderätin
Dr.
Seitz=Motzko erklärte: „Wir Frauen von Wien be¬
grüßen es von ganzem Herzen, daß die Regierung
den Mut gehabt hat, diesem Skandal Einhalt zu
bieten und wir verlangen vom Landeshauptmann,
daß er sein Vechalten hier rechtfertige. (Fortgesetzte
stürmische Zwischenrufe der Sozialdemokraten.)
Der Landeshauptmann wird sich hier rechtfertigen
müssen, wie er dazugekommen ist, dem ganzen Volke
von Wien Trotz zu bieten. Hüten Sie sich und spie¬
len Sie nicht mit dem Außersten. Es gibt eine Ge¬
walt, die sich stärker erweisen wird als Sie.
Als in der Wechselrede der Landeshauptmann
Reumann erklärte, daß kein Skandal der Welt ihn
dazu bringen werde, die Aufführung des „Reigen“
zu verbieten, und dann sagte, man möge sich an
Wimberger erinnern und ob die Erinnerung an die
Madame Aschanti den Christlichsozialen zuwider
wäre, entgegnete Abg. Kunschak in folgender Weise:
Der Herr Landeshauptmann hat als stärkstes
Argument zum Schutze der Ehre der Gemeinde
Wien es nicht gegen seinen Geschmack gefunden, auf
einen Fall zu verweisen, der sich vor einem Viertel¬
jahrhundert in Wien ereignet hat und in dem er
einen Mann genannt hat, über dessen Leib schon seit
15 Jahren der Rasen liegt. Der Herr Landeshaupt¬
mann hat es mit seinem Geschmack vereinbarlich
gefunden, dies Argument zu gebrauchen, obwohl er
wissen mußte, daß der Mann, der das erstemal die¬
ses Argument gegen den verstorbenen Abg. Gre¬
gorig gebrauchte, von dem Gerichte in Wien als
Verleumder mit mehrmonatiger Kerkerstrafe be¬
straft wurde. (Lebhafte Pfuirufe und Rufe: So ein
Landeshauptmann, Leichenschändung ist das! bei
den Christlichsozialen.) Ich habe dieser Feststellung
nichts hinzuzufügen und überlasse es dem Herrn
Landeshauptmann, sich selbst darüber ein Urteil zu
bilden, wie ein Mann sich erniedrigt, der in solcher
Stellung von so niedrigen Mitteln Gebrauch macht.
(Lebhafter Beifall und Händeklatschen bei den
Christlichsozialen.)
Die Bundesregierung wird gegen Landeshaupt¬

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