Das Ende der Aufführungen des „Reigen“,
Verbot durch die Polizeibehörde.
Wien, 17. Februar.
Die Polizeibehörde hat aus den gestrigen Sturmszenen
in den Kammerspielen, aus jenen brutalen Gewalttätigkeiten,
die den Zuschauerraum eines hauptstädtischen Theaters in
die von wüstem Lärm durchtobte Stube eines Dorfwirts¬
hauses verwandelt haben, die Konsequenzen gezogen und die
weiteren Aufführungen von Schnitzlers „Reigen“ untersagt.
Die Sicherheit von Publikum und Darstellern war gefährdet,
darum hat man sich über juristische Bedenken und über Ver¬
assungsschwierigkeiten, über den Kompetenzkonflikt zwischen
Bundesregierung und Landeshauptmann kurzerhand hin¬
weggesetzt.
Das vorläufige Ende der „Reigen“=Affäre sichert die
Bewohner der Umgegend des Theaters davor, Augenzeugen
unwürdiger Lärmszenen zu sein und zuschauen zu müssen,
wie Theaterbesucher, Männer und Frauen, mit angst¬
verzerrten Mienen, ohne Ueberkleider durch die Straßen
eilen, verfolgt von knüppelbewehrten Rohlingen, die ihnen
angeblich zum Schutze der bedrohten Sittlichkeit den Kopf
einschlagen wollen. Jene jungen Leute, die gestern nach
einem wohlerwogenen Plan, welcher der Generalstabs¬
strategie der Kriegsjahre alle Ehre gemacht hätte,
das Theater umzingelten, sich mit Gesinnungsgenossen,
die Einlaß in die zu erstürmende Festung erlangt
hatten, ins Einvernehmen setzten und dann in einem Angriff
von kaum zu überbietendem Elan die Polizeimannschaft
überrannten, sind für ihr Unternehmen angespornt
und vorbereitet worden. Die Hetze gegen den
„Reigen“ wird dadurch nicht weniger abstoßend, daß gegen
die öffentlichen Aufführungen dieser Dialoge schwerwiegende
Bedenken obwalteten und der Massenandrang in die
Kammerspiele blutwenig mit künstlerischen oder literarischen
Interessen zu tun gehabt hat.
Die Behörden und Amtsstellen, die sich über die Ge¬
stattung und das Verbot des „Reigen“ in den Haaren lagen,
sind aus einer augenblicklichen Verlegenheit befreit. Die
Ausschreitungen kamen ihnen allen gleichermaßen gelegen.
Es wird sich aber zeigen, ob das Einreißen der Lynchjustiz in
Kunstdingen, die Einbürgerung pogromartiger Unsitten im
„21I Se Aodegeie
Direktor der Kammerspiele.
Die in einem Gropteil der Wiener Bevölkerung durch
die Aufführungen des Bühnenwerkes „Reigen“ von Artur
Schnitzter hervorgerusene Mißstimmung hat in der gestligen
Vorstellung des Stuckes einen derarigen elementaren
Ausbruck gefunden, daß das Theater der Schauplatz wüster
Tumuliszenen wurde und die Fortsetzung der Vorstellung
nicht mehr möglich war. Mit Rücksicht daluuf, daß der¬
arlige Vorgänge und Szenen, durch welche die persön¬
liche Sicherheit des Publikums sowie
auch der Darsteller in hohem Maße ge¬
ährdet wird, im Falle der Wiederholung der Vor¬
tellung dieses Bühnenwerkes in verstärltem Maße zu be¬
ürchten sind, siegt sich die Polizeidirektion veranlaßt, im
Sinne des § 6, Absatz 3, der Verordnung des Ministe¬
iums des Innern vom 25. November 1850, R. G. Bl.
Nr. 454, die fernere Auff hrung der Einakter¬
zenen „Reigen“ von Artur Schmgler aus Gründen
der öffentlichen Ruhe und Ordnung ein¬
zustellen.
Gegen diese Entscheidung steht Euer Wohlgeboren der
binnen 14 Tagen von dem der Zustellung dieses Dekrets
nachfolgenden Tage an gerechnet, bei der Polizeidirektion
einzubringende, an den Bürgermeister als Landeshaupt¬
mann für Wien gerichtete Rekurs offen, dem jedoch im
Hinblick auf die Gejährdung öffentlicher Interessen eine
aufschiebende Wirkung nicht zukommt.“
Das Dekret ist vom Polizeipräsidenten Schober
gezeichnet.
Mitteilungen Direktor Bernaus.
Auf die Frage unseres Mitarbeiters erklärte
Direktor Bernau, noch keine endgültigen Beschlüsse
über einen eventuellen Einspruch gegen das Verbot des
„Reigen“ gefaßt zu haben, er denke jedoch daran, nach
Befragen seines Rechtsbeistandes sowie des Betriebsrates
seiner Arbeiter und Angestellten den Rekurs gegen das
Verbot einzubringen.
Bei der Durchsuchung des Zuschauerraumes, dessen
Verwüstungen nicht so groß sind, wie es im ersten Augen¬
blick den Anschein hatte, sagte Direktor Bernau weiter,
wurden Beweise gefunden, daß in der Tat Stink¬
bomben geworfen wurden, ferner wurden Teer¬
schachteln, Eierschalen mit Teer gefüllt aufgelesen. Die von
den Würfen mit den Teerschachteln und Teereiern her¬
rührenden Beschmutzungen der Logenwände und der Sitz¬
überzüge und Bühnenteppiche wurden schon im Laufe
der Nacht beseitigt. Der Eingang ins Theater ist, da die
Herstellungsarbeiten den ganzen heutigen Tag erfordern
werden, niemandem gestattet. Beträchtlicher Sachschaden
wurde nur durch die Zertrümmerung der großen Spiegel¬
fenster der Eingangtüren hervorgerufen.
Der Spielplan der Kammerspiele.
Die Aufstellung des Repertoires für die kommende
Woche begignet großen Schwierigkeiten, weil zahlreiche
Mitglieder des Deutschen Volkstheaters und der Kammer¬
spiee im Hinblick auf die fortgesetzten Vorstellungen des
„Reigens“ sich für Varietes, Kabaretts und Nachtvor¬
stellungen in anderen Theatern verpflichtet haben. Heute
abend wird um halb 7 Uhr die Einakterserie „Mena¬
gerie“ aufgeführt.
Mitteilungen aus dem Rathaus.
Wie aus dem Rathaus berichtet wird, findet heute
nach Schluß der Sitzung des gemeinderätlichen Ver¬
fassungsausschusses eine Konferenz der amtsführenden
Stadträte beim Bürgermeister statt, in der die Angelegen¬
heit der „Reigen'=Aufführungen zur Diskussion stehen
wird. Im Räthaus ist die Nachricht eingetrossen, daß die
Polizei auf Grund ihres Statuts die weiteren Auf¬
führungen des „Reigen“ verboten hat. Im Magistrat wiro
der Standpunkt vertreten, daß nur die Landesregierung
befugt sei, ein Verbot der Aufführungen zu erlassen.
Wenn die Polizei ein solches erließ, könne es nur aus
Sicherheitsgründen geschehen sein.
Schilderungen von Augenzeugen.
Ein Besucher der gestrigen „Reigen“=Aufführung erzählt:
Als ich das Theatergebäude betrat, verspürte ich im Vestibül
Schwe,elwasserstoffgeruch. Ich beachtete die Sache welter nicht
und begab mich auf meinen Platz, Eine gewisse Unruhe im
ging, gelüstet halte, imm
bombenwerfer wurde arre
Müller nahm sein Nation
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Im Zuschauerraum wurd
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Verbot durch die Polizeibehörde.
Wien, 17. Februar.
Die Polizeibehörde hat aus den gestrigen Sturmszenen
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die den Zuschauerraum eines hauptstädtischen Theaters in
die von wüstem Lärm durchtobte Stube eines Dorfwirts¬
hauses verwandelt haben, die Konsequenzen gezogen und die
weiteren Aufführungen von Schnitzlers „Reigen“ untersagt.
Die Sicherheit von Publikum und Darstellern war gefährdet,
darum hat man sich über juristische Bedenken und über Ver¬
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Die Behörden und Amtsstellen, die sich über die Ge¬
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auch der Darsteller in hohem Maße ge¬
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ürchten sind, siegt sich die Polizeidirektion veranlaßt, im
Sinne des § 6, Absatz 3, der Verordnung des Ministe¬
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Gegen diese Entscheidung steht Euer Wohlgeboren der
binnen 14 Tagen von dem der Zustellung dieses Dekrets
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