II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 654

box 17/7
11. Reigen
& Seic
eau für Zeitungsausschnäte
in 10. 45, Gsorgenkirchplatz #8
freie Pres
Die-heutige „Reigen“-Aufführung in den
Kammerspielen.
7 Bekanntlich hat sich die Direktion der Kammerspiele des
Beutschen Volkstheaters entschlossen, Artur Schnitzlers
Reigen“ neuerdings in ihren Spielplan auszunehmen, und
für heute abend wurde die erste Aufführung des reaktivierten
„Reigen“ angesetzt. Der Dichter hatte seinen anfänglichen Wider¬
tand gegen dieses Beginnen der Direktion aufgegeben, da dem
Vernehmen nach polizeiliche Vorkehrungen in solchem Ausmaße
getroffen sind, daß eine Wiederholung der skandalösen Vor¬
gänge vom vorigen Jahre nicht allzu wahrscheinlich ist. Es wurde
die Assistenz von 60 Wachleuten angesprochen und die Kosten
dieses Sicherheitsdienstes werden von dem Theater getragen.
Nichtsdestoweniger wurde in den letzten Tagen von anti¬
semitischer Seite mit Demonstrationen gegen die Wieder¬
aufführung des „Reigen“ gedroht. Heute veröffentlicht nun der
„Deutschvölkische Schutz= und Trutzbund für Oesterreich“ einen
Aufruf an seine Gesinnungsgenossen, in dem er es als „völlig
sinnlos“ bezeichnet, „wenn unsere opferbereiten Gesinnungs¬
genossen mit den von ihren Vorgesetzten verpflichteten und in
Ausübung ihres Dienstes einschreitenden Polizeimannschaften
in einen Kampf eintreten wollten“. In dem Aufruf wird darauf
hingewiesen, daß die Abwehr gegen Ausschreitungen auf dem
Gebiete des Theaterwesens auf anderem Boden und mit anderen
Mitteln geführt werden müsse.
eitung
„Reigen“-Aufführung unter
Polizeiaussicht.
Ungestörter Verlauf des gestrigen Abends.
(Originalbericht des „Neuen Wiener Journals“.)
Der gestrigen Aufführung von Artur Schnitzlers
„Reigen“ in den Kammerspielen hatte man mit einer gewissen
Spannung entgegengesehen. Bekanntlich hatte seinerzeit, da es zu
tumultuösen Zwischenfällen im Theater kam, die Polizei ein Auf¬
führungsverbot erlassen. Nach der Aufhebung dieses Verbotes
stellte wieder der Dichter die Bedingung, daß ausreichende Bürg¬
schaften für einen ruhigen Verlauf der Aufführungen gegeben
Klose & Seic
Bureau für Zeitungsausschm
Berlin DO. 45 Georgenkirchplate #

Zeitung:
Ou:
Schnitzlers „Reigen“, der in den Wiener Kammer¬
spielen eine ganze Reihe von Aufführungen erlebt
hatte mußte im Sommer des vorigen Jahres auf
Geheise der Polizei abgesetzt werden, da allerhand
Sittlichkeitssanatiker mit Stinkbomben ausgerückt
varen und die Vorsteuungen störten. Es entspann
sich dann ein Rechtsstreit, der mit der Freigabe des
Stückes endete. Nun hat sich Direktor Bernau ent¬
schlossen, den „Reigen“ abermals auf das Repertoire
zu setzen. Auch diesesmal meldeten sich die Stimmen
der sittlich Entrüsteten, und zwar waren es Deutsch¬
nationale, die in ihrem Blatte ankündigten, die Auf¬
führung nicht zuzulassen. Die Polizei hat gestern,
am Tage der ersten Wiederaufführung, Vorkehrun¬
zen getroffen, um Demonstrationen hintanzuhalten;
die Kammerspiele werden bewacht. Die Sittlichkeits¬
entrüsteten scheinen indeß zu Hause geblieben zu sein.
Es ist zu keiner Störung gekommen.

werden. Die Polizei hatte jedenfalls sehr umfassende Vorkehrungen
getroffen. Sie war 60 Mann stark ausgerückt und hatte vor dem
Theater auf der Rotenturmstraße einen Kordon aufgestellt,
um einen eventuellen Ueberfall von der Straße her ab¬
zuwehren. Auch vor den Eingangstüren stand eine
Gruppe Wachleute in Khakiuniform. An den benachbarten
der Rotenturmstraße hatten sich Doppelposten
Ecken
der Wache aufgestellt, ebenso war der Eingang ins Theater
am Fleischmarkt unter starken polizeilichen Schutz gestellt und
das Gittertor geschlossen. Die Schauspieler gelangten von hier?
aius über eine Wendeltreppe zu ihren Garderoben, da
die Bühnentüren von den Parterrelogengängen versperrt
worden waren.
Lauge vor Beginn der Vorstellung, die für 7 Uhr an¬
gesetzt worden war, herrschte vor den Kammerspielen reges
Leben. Zahlreiche Theaterbesucher drängten sich zu der Abend¬
kassa, auf der die Tafel „Ausverkauft!“ prangte. Trotzdem
wurden noch Karten an die mit Anweisungen versehenen Besucher
abgegeben. Viele Theaterbesucher mußten fortgehen, da sie keine
Karten mehr erhielten. Im Theatersaal selbst hatten bei den Türen
Wachleute in Unisorm Aufstellung genommen, was einen sonder¬
baren Eindruck machte. Auch in den Parterrereihen saßen Detektivs
verteilt. Wie wir erfahren, waren auch größere Gruppen von
Wachleuten im Möbelmagazin und im Inspektorat sowie auf der
Bühne in Dienst gestellt worden.
Diese Maßnahmen waren keinesfalls ganz überflüssig. Die
Vorstellung verlief allerdings ohne jede Störung bis zum Ende,
aber auf der Rotenturmstraße sah man im Gewühl von vorbei¬
hastenden und promenierenden Passanten hier und dort kleine
Gruppen von jungen Leuten stehen, die sich offenbar die
Situation besahen und schließlich verschwanden, da sich keine
Möglichkeit, gegen die Polizeiübermacht aufzukommen, bot. Nach
der Vorstellung leerte sich das Theater rasch und die Polizei zog
in Gruppen ab.
Die erste Wiederaufführung des „Reigen“ ist also unter
Polizeiaussicht ruhig abgelaufen. Ob aber nicht später doch ein
Versuch einer Demonstration gemacht weiden wird, wenn die
Polizei weniger sichtbar ist, wer kann das voraussehen?
„„ „
2
1
1
t

a