II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 660

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11. Reigen
Feuillekon.
Der „Reigen“ und Raoul Aslan
Eigentlich, haben die beiden nichts mitein¬
ander zusatnn. Sie sollten „allerdings, nach
Direktor Holländers Absicht, zusammenkommen
alles war schon, bevor es scheiterte, am besten
Wege. Aber Felix Holländer hatfe es sich doch
zu leicht vorgestellt. Der „Reigen“, den er
endlich für seine Kammerspiele freibekam, war
nur mit wienerischen Schauspielern zu be¬
wältigen: also kam er kurzerhand nc.) Wen,
sah und nahm mit. Unter anderen Karl
Etlinger, Philine Wengerdt — den Toni
Edthofer hatte er schon dort. Naoul Aslan wurde
für den „Dichter“ — der fünften und sechsten
Szene — engagiert; das schien, da auch das
Burgtheater gegen einen einmonatigen Urlaub
nichts einzuwenden hatte, einfach genug. Aber
der Berliner Direktor hatte den Wiener Schau¬
spieler für einen wienerischen gehalten; und
wienerisch, das ist Raoul Aslan durchaus nicht.
Dessen ward sich unser neuer Hamlet bald be¬
wußt: er bekam plötzlich einen seiner hin¬
reißenden Temperamentsausbrüche und den
Mut, kurz und bündig nach Berlin zu tele¬
phonieren: „Ich spiele den „Dichter“ nicht! Aus
ü####ler'schen Gründen. Ich bin garnicht
wiener'sch, kann es nicht sein! Nein! Ich spitle
ihn abselut nich.! Om ülrigen, bitte, stehe ich
zur Verfügung; machen Sie mit mir, was Sie
vollen ... Also werde er mit Moissi im „Arzt
am Scheibeweg“ alternieren? „Nein, das kann
ich leider auch nicht, weil ..., worauf
ich hinterlistigermesse weidertelte: „Burg¬
theater, Burgtheater“. Ablan, sehr verstehend,
sehr kameradschaftlich, lächelt. Er lächelt — ach,
ich höre tausend Mädchen seufzen!
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Aber jetzt höre ich — voraushorchend
Schlimmes, Widerwärtiges: den Philister, den
eimtückischen, wohlig=lüsternen Bürger. „Der
„Reigen“, wie? So etwas auf die Bühne zu
bringen . . .“ Nun will er gar geistreich sein,
um sich unsterblich zu blamieren, und sagt,
äußerlich=täppisch Lulu=Atmosphäre witternd:
„Ueber=Wedekind!“ (Jawohl!)
Halloh, Herr Aslan, da ist etwas! Wede¬
kind, nicht wahr, könnten Sie spielen? (Und der
Bürger, verplex, hört zu, wäh end ich fortfahre:)
Wedekind ist international, wie Sie, Herr
slan. Man könnte auch sogen: heimatlos, ex¬
pressionistisch Seine künstlerischen und mensch¬
ichen Voraussetzungen sind denen Schnitzlers
gerade entgegengesetzt. Wedekind kommt von der
Idee, vom Feuer, vom Pathos, von der Ethik.
Er un durch seine grandiose Unwirklichkeit
ouverän. Er ist so jung, daß er noch keine
„Kultur“ hat, nicht die Etikette der Dinge ....
Herr Aslan, ähnliches können Sie! — Sie haben
Recht, den „Dichter“ können Sie nicht! Schnitzler
kommt von der konkreten Einzelheit, von der
Tagebuchnotiz à la Concourt, vom Alltag, vom
Nichts=als=Dasein. Er dient sich durch reale und
#chologische Nicht gkeiten zum Behrrrscher des
L##ers aus##fr3, des er Spiel nennt. (Er ist,
auf unsere Zelbeg isse reduziert, ebenso roman¬
tisch, als Wedekind klassisch. Er hat Kultur,
Zivilisation, Reise, Form, Weichheit, Stimmung.
Das macht ihn obendrein österreichisch
wiererisch. (Und, Herr Vslan. ich wirhehole.


SL
während Sie zustimmend nicken: Sie sind ein
Wiener Schauspieler, aber kein wienerischer.)
Ja, Toni Edthofer kann den „Dichter“ spielen..
Arthur Schnitzler selbst gibt Aslans
Hemmungen nicht unrecht, obwohl er es inte¬
ressant, ja pikant finden würde, einen aus dem
vienerischen Rahmen fallenden Schauspieler zu
sehen . . . . anziehend gerade um seiner Hem¬
nungen willen. Doch, es bleibt dabei. Raoul
Aslan ist nicht in Berlin — im „Arzt am
Scheideweg“ wird wahrscheinlich Conrad Veidt
mit Moissi alternieren — und Hamlet erscheint
nach dem vierzehntägigen unfreiwilligen Urbaub,
der die erwarteten Berliner telegraphschen Ver¬
fügungen nicht brachte, heute wieder im Burg¬
themer.
Dafür wird Raoul Aslan — gleichzeitig
auch die befreundete Ida Roland im De¬
zember eine tschecho=slomakische Tournee unter¬
nehmen, mit „Hamlet“, „Iphägenia“, „Unter¬
wegs“, „Gabriel Schillings Fulcht“. (A prapos,
was Ida Roland spielen wird? Hm, das weiß
ich nicht genan — die fabelhafte Frau sagte mir,
auf mene diesbezügliche Fage, mit einer ent¬
zückend=wegwerfenden Handbewegung: „ No, alle
meine Stücke“. Aber noch wegwerfender, noch
entzückender war beider Verhältnis zur „ische¬
Tischen Gefahr“, auf die ich sie, unter besonderem
Hinweis auf Direktor K amers H'nauswurf,
besorgt aufmerhim machte: wöhrend nämlich
ganz Wien und Orsterreich — siehe sämtliche
Zeitungen —, „empört“ waren, wußten sie ein¬
sach überhaupt nichts davon! Die Glücklichen!
W
Adelkert Mußr.
T Pre
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