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11. Reigen
##*
U
Theater.
Schuitlers-Reigen“ wurde gestern abend trotz des Verbotes
gespielt. Worauf das
im „Kleinen Schauspielhaus
Kultusministerium, da die Theaterzenic doch aufgehoben den
Rechtsanspruch, die Vorstellung zu inhifigen, begründen will, ist
unklan Ganz abgesehen davon daß An solches Vorgehen gegen
einen Autor von Schnitzlers Rang in A#b#tracht der unbegrenzten
Lizenzen deren sich das allergewöhnlichste-Ano und sonstige „Lust¬
barkeiten“ heut erfreuen, grotesk berührt. Frau Cysoldt, die
künstlevische Leiterin des „Kleinen Schauspielhauses“, hielt eine
Ansprache, in welcher sie erklärte, daß sie krotz der ihr vom Land¬
ft die. Szenen spielen
gericht angebröhten sechswöchentlichen
lassen werde. Sie fühle sich künstlerisch in Prem Recht; das
Publikum möge selbst entscheiden. Die Worte ##den mit stür¬
misch=demonstrativem Beifall ausgenommen.
Von jener feinen und nuancenreihen Imnich mit welcher
Schnitzler crotische Verhältnisse früher in seinem geistreich die
Pocteneitelkeit verspottenden Einakter Literatur,, und in einzelnen
seiner Anatolestückchen behandelt, blitzc in der Bilderfolge des
Zyklus „Reigen“ nur hier und da verstreute Spuren auf.
Die individuellen Vuriationen treten hinter der in jedem
Belde wiederkehrenden geschlechtlichen Pointe weit zurück.
Die Menschen reduzieren sich auf bloße Männkein und Weiblein,
edie allesamt nur ein einziges Ziel zu kennen scheinen und überall
erreichen. Die drei ersten Szenen heißen auf dem Theaterzeltel:
Die Dirne und der Soldat, der Soldat und das Stubenmädel, das
Stubenmädchen und der junge Herr; in dieser Weise geht es all
die zehn Bilder durch. Von einer inneren Gliederung einer im
Laufe des Abends abwechselnden Beleuchtung des erotschen Pwo¬
blems ist nicht die Rede.? So bleibt der Eindruck einer vom Dichter
selbst gewollten Monotonic. Die sehr flotte und in den Grenzen
des hierbei noch Möglichen dezente Darstellung (Herr Goetz und
Poldi Müller standen da in erster Reihe) löste starken Bei¬
fall aus.
Aufführung des verbotenen „Reigen“.
Die Direktion des Kleinen Schauspielhauses
hatte erst gestern um 5 Uhr nachmrttags von der
einstweiligen Verfügung des Kandgerichts III
des
Kenntnis erhalten, durch die die Aufführung
CchnitzlerschenNeigen“ verboten murde. Mar
entschloß sich dennoch, zu spielen. Vor##
der Aufführung trat Gertrud Eysosbt vor und
legte mit erregter Stimme dem Pblikum das
eigentümliche Ve##hren vor, das die Hochschule
für Musik als Hausherrin eingeschlaßen hat. Mit
Recht wies sie darauf hin, daß ##n in einem
Hause, in welchem Monate hindurch die „Büchse
der Pandora“ gespielt wurde, jetzt nicht plötzlich
gegen das Werk eines Dichters vom Range
Arthur Schnitzlers in so brüsker Weise vorgehen
könne. Sie gab der Metnung Ausdruck, daß die
ganze Aktion im Grunde nur darauf hioziele,
das Theaterunternehmen aus dem Hause hinaus¬
zudrängen, da, wie bereits seit einiger Zeit ver¬
lautet, die Hochschule gern auch diese Räumlich¬
keiten zur Verfügung hätte. Man habe ihr nicht
Geldstrafe, sondern Haftstrafe von sechs Wochen
angedroht. Sie wage es trotzdem und sehe der
Entscheidung mit Ruhe entgegen. Die Auffüh¬
rung selbst verlief ohne Störung und Wider¬
spruch. Wir werden darüber noch ausführlich
berichten.
24OEL. 1922
Berliner Morgempost, Berlin
11. Reigen
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U
Theater.
Schuitlers-Reigen“ wurde gestern abend trotz des Verbotes
gespielt. Worauf das
im „Kleinen Schauspielhaus
Kultusministerium, da die Theaterzenic doch aufgehoben den
Rechtsanspruch, die Vorstellung zu inhifigen, begründen will, ist
unklan Ganz abgesehen davon daß An solches Vorgehen gegen
einen Autor von Schnitzlers Rang in A#b#tracht der unbegrenzten
Lizenzen deren sich das allergewöhnlichste-Ano und sonstige „Lust¬
barkeiten“ heut erfreuen, grotesk berührt. Frau Cysoldt, die
künstlevische Leiterin des „Kleinen Schauspielhauses“, hielt eine
Ansprache, in welcher sie erklärte, daß sie krotz der ihr vom Land¬
ft die. Szenen spielen
gericht angebröhten sechswöchentlichen
lassen werde. Sie fühle sich künstlerisch in Prem Recht; das
Publikum möge selbst entscheiden. Die Worte ##den mit stür¬
misch=demonstrativem Beifall ausgenommen.
Von jener feinen und nuancenreihen Imnich mit welcher
Schnitzler crotische Verhältnisse früher in seinem geistreich die
Pocteneitelkeit verspottenden Einakter Literatur,, und in einzelnen
seiner Anatolestückchen behandelt, blitzc in der Bilderfolge des
Zyklus „Reigen“ nur hier und da verstreute Spuren auf.
Die individuellen Vuriationen treten hinter der in jedem
Belde wiederkehrenden geschlechtlichen Pointe weit zurück.
Die Menschen reduzieren sich auf bloße Männkein und Weiblein,
edie allesamt nur ein einziges Ziel zu kennen scheinen und überall
erreichen. Die drei ersten Szenen heißen auf dem Theaterzeltel:
Die Dirne und der Soldat, der Soldat und das Stubenmädel, das
Stubenmädchen und der junge Herr; in dieser Weise geht es all
die zehn Bilder durch. Von einer inneren Gliederung einer im
Laufe des Abends abwechselnden Beleuchtung des erotschen Pwo¬
blems ist nicht die Rede.? So bleibt der Eindruck einer vom Dichter
selbst gewollten Monotonic. Die sehr flotte und in den Grenzen
des hierbei noch Möglichen dezente Darstellung (Herr Goetz und
Poldi Müller standen da in erster Reihe) löste starken Bei¬
fall aus.
Aufführung des verbotenen „Reigen“.
Die Direktion des Kleinen Schauspielhauses
hatte erst gestern um 5 Uhr nachmrttags von der
einstweiligen Verfügung des Kandgerichts III
des
Kenntnis erhalten, durch die die Aufführung
CchnitzlerschenNeigen“ verboten murde. Mar
entschloß sich dennoch, zu spielen. Vor##
der Aufführung trat Gertrud Eysosbt vor und
legte mit erregter Stimme dem Pblikum das
eigentümliche Ve##hren vor, das die Hochschule
für Musik als Hausherrin eingeschlaßen hat. Mit
Recht wies sie darauf hin, daß ##n in einem
Hause, in welchem Monate hindurch die „Büchse
der Pandora“ gespielt wurde, jetzt nicht plötzlich
gegen das Werk eines Dichters vom Range
Arthur Schnitzlers in so brüsker Weise vorgehen
könne. Sie gab der Metnung Ausdruck, daß die
ganze Aktion im Grunde nur darauf hioziele,
das Theaterunternehmen aus dem Hause hinaus¬
zudrängen, da, wie bereits seit einiger Zeit ver¬
lautet, die Hochschule gern auch diese Räumlich¬
keiten zur Verfügung hätte. Man habe ihr nicht
Geldstrafe, sondern Haftstrafe von sechs Wochen
angedroht. Sie wage es trotzdem und sehe der
Entscheidung mit Ruhe entgegen. Die Auffüh¬
rung selbst verlief ohne Störung und Wider¬
spruch. Wir werden darüber noch ausführlich
berichten.
24OEL. 1922
Berliner Morgempost, Berlin