box 18/1
11. Reigen
Kleines Schauspielhaus.
Arthur Schnitzl## Reigen.
*
Erstauffüchng.
Aller Wahrscheinlichkeit nach hat die Direktion Cysoldt
S
u. Sladek diesen Reigen als das eizig mögliche Weihnachts
spiel angesprochen, das für das verlottärte Berlin von 1920 nock
das gegeben wäre. Hat sie doch die zü recht bestehende „einst¬
weilige Verfügung“, die ihr das Spiel unter Androhung
einer Haftstrafe von sechs Wochen bis auf weiteres verbot, mit
kühner Theatergebärde als gleichgültig abgewiesen. Ja, der kurz
Vorspruch, den Gertrud Eysoldt dem Stück vorausschickte
entbehrte nicht einer gewissen heroischen Größe und so bleibt also
immerhin der Mut zu bewundern, mit dem die Direktion für
ihren Dichter eintritt. Für den Dichter? Ja. tut sie das wirklich?
Schmitzler betitelt dies sattsam bekannte Stück, das vor eine
Reihe von Jahren schon einmal einen schüchternen Versuch gemacht
hatte, sich einige Bildlängen weit zu halten, als „Zehn Dialoge“
Vermutlich ist er selbst also sich der Unaufführharkeit dieser
Szenen etwas reichlicher bewußt gewesen, und es mutet einen
deshalb ein wenig merkwürdig an, daß man in Berlin das Wagnis
auf sich nehmen wollte, diese Bescheerung dem Publikum ausge¬
rechnet zu Weihnachten zuzudenken! Wie gleichgültig sich dieses
auch bis zum Schluß verhielt, dürfte doch eine Notwendigkeit
kaum vorliegen, das Buch aus dem Geheimnis des Kopflissene
eines Backsischbettes auf die breite Bühne zu zerren. Nun es aber
doch einmal da ist, wollen wir wenigstens der Regie die Ent¬
schuldigung zubilligen, daß sie ja gar nicht Schnitzler, sonder
Herbert Neusch à la Schnitzler gebracht hat. Diese
freundliche Art, alles mit dem Mantel der Liebe zuzudecken, zu
deutsch den Schleiervorhang immer im entscheidenden Augenblic
noch gerade schnell genug fallen zu lassen, ist zweifellos sehr an¬
erkenenswert. Denn erstens riecht es so wunderschön nach scham¬
hafter Pröderie, zweitens aber erhöht es den Neiz der Auf¬
führung ungemein. Was aber un=gemein gesagt werden kann
kann unmöglich gemein sein! Wir werden also demnächst
Schnitzlers fakul.ativen Reigen“ in der Einheitsschule obliga¬
torisch zu machen haben. Natürlich — nur den Unterricht!
Ob ich weiter auf den Inhalt eingehen muß, erscheint mir
doch ein bischen zweifelhaft. Es ist eben halt ein Reigen! Wie
man ihn seit alters her an Barfußfesten zu tanzen pflegt. Nur
daß er mehr ins bürgerliche Stadtbild gerückt scheint und mit der
Dirne und dem Soldaten beginnt, und in dem Grafen und der
Dirne sein Ende findet. Daß sich daher köstliche Hiebe nach allen
eigentlich könnte man hier auch sagen — beiden! — Seiten
austeilen lassen, ist klar und braucht Schnitzler nicht erst noch
empfohlen zu werden. Das besorgt er glänzend ohne fremde An¬
regung. Die Schauspieler spielten alle mit einem gewissen
mimlichen Schmunzeln. Victor Schwanneke lieh dem
Ehemann jene versteckte Prüderie und Aengstlichkeit, der Ehe¬
männern in solchen Lagen nun einmal eignen soll. Pold
Müller gab din herziges „süßes Madel“. Der Dichter
wurde von Karl Ctlinger sein ironisiert. Eigentlichen Er¬
folg erzielte aber nur Blanche Dergan als nicht übertriebene
schamhafte Schauspielerin. Else Bäck war die dicke Dirne, mit
der ländlichen Herkunft und den kräftigen Armen. Robert
Forster=Larrinago, eine gute Karikatur eineg leicht ver¬
blödeten Grafen. Von wem die Betten waren, die wie vom Him¬
mel gefallen schienen? richtig von Stern! Auch noch ein¬
„verbindende Musik“ von Robert Forster=Lairi¬
nago stellte sich vor. Richtig, richtig!
Was sagste nu, Berlin? — Da haste die Bescherung!
Fritz Körn.
Im Neuen Volkstheater geht am ersten Feiertage „Perikles von
Tyrus“ mit Paul Bild in der Hauptrollé in Szene, am Sonntag, den
Am 80. Dezem¬
zweiten Fetertag Gerhart Hauptmanns „Biberpelz“
ber findet die Erstaufführung des Schwankes „Amt Steinplatz
436“ von Oskar Engel und Ernst Laskowski statt.
Kinder für die Kinder! Märchennachmittag für die „Deutsche
Kinderhilfe“ am 30. Dezember, nachm. ½8 Uhr, im Künstlertheuter,
Nürnberger Straße. Unter Mitwirkung von: Käte Dorsch (Kinder¬
lieder), Lala Herdmenger (Volksliedertänze). Lina Lossen (Märchen),
Max Adalbert, Ernst Beoeckel (Lieber zur Laute), Theodor Loos
Märchenl. Paul Morgan. „Fizzli=Fiz, der Himmelsschneider“ von
Max Jungnickel. Danach Lieder und Märchen. Eintrittskarten im
Vorverkauf an sämtlichen Theaterkassen und an der Tageskasse.
Neuübersetzung der „Bögel“ des Aristophanes. Zu Ehren des
Berliner Altertumsforschers Professor Hermann Diels, der heute
begeht, hat
die Feler seines 50jährigen Doktorjubiläums
Hallesche Archäologe Gehelmrat Karl Robert die „Bögel“ des
Artstophanes übersetzt und ihm die Uebersetzung als Festgabe über¬
in
gelangt voraussichtlich am Goethetheater
reicht. Das Werk
Lauchstädt zur Aufführung.
Walter Bromme, der bekannte Berliner Operettenkomponist,
der bereits verschiedene hiesige Bühnen leitete, hat für die Zeit
vom 15. Januar bis 14. August k. J. das Thalia=Theater ge¬
pachtet. Herr Bromme wird seine Spielzeit am 15. Januar mit
einer Neuheit eröffnen.
11. Reigen
Kleines Schauspielhaus.
Arthur Schnitzl## Reigen.
*
Erstauffüchng.
Aller Wahrscheinlichkeit nach hat die Direktion Cysoldt
S
u. Sladek diesen Reigen als das eizig mögliche Weihnachts
spiel angesprochen, das für das verlottärte Berlin von 1920 nock
das gegeben wäre. Hat sie doch die zü recht bestehende „einst¬
weilige Verfügung“, die ihr das Spiel unter Androhung
einer Haftstrafe von sechs Wochen bis auf weiteres verbot, mit
kühner Theatergebärde als gleichgültig abgewiesen. Ja, der kurz
Vorspruch, den Gertrud Eysoldt dem Stück vorausschickte
entbehrte nicht einer gewissen heroischen Größe und so bleibt also
immerhin der Mut zu bewundern, mit dem die Direktion für
ihren Dichter eintritt. Für den Dichter? Ja. tut sie das wirklich?
Schmitzler betitelt dies sattsam bekannte Stück, das vor eine
Reihe von Jahren schon einmal einen schüchternen Versuch gemacht
hatte, sich einige Bildlängen weit zu halten, als „Zehn Dialoge“
Vermutlich ist er selbst also sich der Unaufführharkeit dieser
Szenen etwas reichlicher bewußt gewesen, und es mutet einen
deshalb ein wenig merkwürdig an, daß man in Berlin das Wagnis
auf sich nehmen wollte, diese Bescheerung dem Publikum ausge¬
rechnet zu Weihnachten zuzudenken! Wie gleichgültig sich dieses
auch bis zum Schluß verhielt, dürfte doch eine Notwendigkeit
kaum vorliegen, das Buch aus dem Geheimnis des Kopflissene
eines Backsischbettes auf die breite Bühne zu zerren. Nun es aber
doch einmal da ist, wollen wir wenigstens der Regie die Ent¬
schuldigung zubilligen, daß sie ja gar nicht Schnitzler, sonder
Herbert Neusch à la Schnitzler gebracht hat. Diese
freundliche Art, alles mit dem Mantel der Liebe zuzudecken, zu
deutsch den Schleiervorhang immer im entscheidenden Augenblic
noch gerade schnell genug fallen zu lassen, ist zweifellos sehr an¬
erkenenswert. Denn erstens riecht es so wunderschön nach scham¬
hafter Pröderie, zweitens aber erhöht es den Neiz der Auf¬
führung ungemein. Was aber un=gemein gesagt werden kann
kann unmöglich gemein sein! Wir werden also demnächst
Schnitzlers fakul.ativen Reigen“ in der Einheitsschule obliga¬
torisch zu machen haben. Natürlich — nur den Unterricht!
Ob ich weiter auf den Inhalt eingehen muß, erscheint mir
doch ein bischen zweifelhaft. Es ist eben halt ein Reigen! Wie
man ihn seit alters her an Barfußfesten zu tanzen pflegt. Nur
daß er mehr ins bürgerliche Stadtbild gerückt scheint und mit der
Dirne und dem Soldaten beginnt, und in dem Grafen und der
Dirne sein Ende findet. Daß sich daher köstliche Hiebe nach allen
eigentlich könnte man hier auch sagen — beiden! — Seiten
austeilen lassen, ist klar und braucht Schnitzler nicht erst noch
empfohlen zu werden. Das besorgt er glänzend ohne fremde An¬
regung. Die Schauspieler spielten alle mit einem gewissen
mimlichen Schmunzeln. Victor Schwanneke lieh dem
Ehemann jene versteckte Prüderie und Aengstlichkeit, der Ehe¬
männern in solchen Lagen nun einmal eignen soll. Pold
Müller gab din herziges „süßes Madel“. Der Dichter
wurde von Karl Ctlinger sein ironisiert. Eigentlichen Er¬
folg erzielte aber nur Blanche Dergan als nicht übertriebene
schamhafte Schauspielerin. Else Bäck war die dicke Dirne, mit
der ländlichen Herkunft und den kräftigen Armen. Robert
Forster=Larrinago, eine gute Karikatur eineg leicht ver¬
blödeten Grafen. Von wem die Betten waren, die wie vom Him¬
mel gefallen schienen? richtig von Stern! Auch noch ein¬
„verbindende Musik“ von Robert Forster=Lairi¬
nago stellte sich vor. Richtig, richtig!
Was sagste nu, Berlin? — Da haste die Bescherung!
Fritz Körn.
Im Neuen Volkstheater geht am ersten Feiertage „Perikles von
Tyrus“ mit Paul Bild in der Hauptrollé in Szene, am Sonntag, den
Am 80. Dezem¬
zweiten Fetertag Gerhart Hauptmanns „Biberpelz“
ber findet die Erstaufführung des Schwankes „Amt Steinplatz
436“ von Oskar Engel und Ernst Laskowski statt.
Kinder für die Kinder! Märchennachmittag für die „Deutsche
Kinderhilfe“ am 30. Dezember, nachm. ½8 Uhr, im Künstlertheuter,
Nürnberger Straße. Unter Mitwirkung von: Käte Dorsch (Kinder¬
lieder), Lala Herdmenger (Volksliedertänze). Lina Lossen (Märchen),
Max Adalbert, Ernst Beoeckel (Lieber zur Laute), Theodor Loos
Märchenl. Paul Morgan. „Fizzli=Fiz, der Himmelsschneider“ von
Max Jungnickel. Danach Lieder und Märchen. Eintrittskarten im
Vorverkauf an sämtlichen Theaterkassen und an der Tageskasse.
Neuübersetzung der „Bögel“ des Aristophanes. Zu Ehren des
Berliner Altertumsforschers Professor Hermann Diels, der heute
begeht, hat
die Feler seines 50jährigen Doktorjubiläums
Hallesche Archäologe Gehelmrat Karl Robert die „Bögel“ des
Artstophanes übersetzt und ihm die Uebersetzung als Festgabe über¬
in
gelangt voraussichtlich am Goethetheater
reicht. Das Werk
Lauchstädt zur Aufführung.
Walter Bromme, der bekannte Berliner Operettenkomponist,
der bereits verschiedene hiesige Bühnen leitete, hat für die Zeit
vom 15. Januar bis 14. August k. J. das Thalia=Theater ge¬
pachtet. Herr Bromme wird seine Spielzeit am 15. Januar mit
einer Neuheit eröffnen.