11.
R
—gen
box 18/1
Meie & Seidel
Bureau für Zeitungsausschnitte
Berlin NO. 43, Georgenkirchplatz 21
Zeitung Berliner Morgenpost
Ort.
25. SL L.1920 Berlin
Datum: eereeeeeten uereen cnnene
Schnihlers Reigen“.
Im Kleinen Schauspielhaus.
Diessei vorab festgestellt: Es ist keine Art,
einemkünstlerischen Unternehmen mit An¬
dröhungen von Freiheitsberaubung zuleibe zu
geher.,Weder der Musikhochschule noch dem
Kul#ministerium, das sich hinter sie stellte,
noch dem Gericht macht dies Vorgehen Ehre.
Gertrud Eysoldt, die Mitdirektorin, hatte in
ihrer Ansprache mehr als recht: Hätten die
Herren sich die Mühe genommen, eine Probe
mitanzusehen, sie hätten vermutlich anders ge¬
handelt. Denn es zeigte sich Verschiedenes:
Erstens, daß die Aufführung mit lobenswerter
Dezenz es streng vermied, irgendeinen Zug zu
vergröbern, vielmehr ihre ganze Mühe daran
setzte die lächelnde erotische Psychologie des Wer¬
kes, diskret und liebenswürdig herauszubringen.
Kein Mensch von gesunden Sinnen kann durch
diese Vorstellung sein Schamgefühl verletzt
finden. Zweitens aber, daß überhaupt auf der
Bühne, entgegen mancher Erwartung, vieles
was die Phantasie des Buchlesens sich höchst
hwül und gepfeffert ausmasen mag, an pikanter
Rebenwirkung merkwürdig verliert
Freilich, nicht nur diese Nebenwirkung wird
schwächer.
Arthur Schnitzler hat diese
Dialoge nicht für die Bühne geschrieben, und er
hat bis vor kurzem niemals an eine Aufführung
gedacht, weil er fühlte, daß der Duft ihrer Zart¬
heit im Theater Einbuße erleiden könnte. Er
gibt zehn Zwiegespräche zwischen Männlein und
Weiblein in den Augenblicken, da sie sich finden.
Die Dirne und der Soldat, der Soldat und das
Stubenmädchen, das Stubenmädchen und der
unge Herr, der junge Herr und die junge Frau,
die junge Frau und der Ehemann, der Ehemann
und das süße Mädel, das süße Mädel und der
Dichter, der Dichter und die Schauspielerin, die
Schauspielerin und der Graf, der Graf und. daß
der Kreis sich wieder schließe, die Dirne — sie
alle erleben einen Moment des sinnlichen Rau¬
sches. Da wir jede Figur in doppelter Situation
kennen lernen, ist eine feine Verbindung her¬
gestellt. Die Gestalten schlingen einen Reigen
um das ewig: Urthema, das die Erdenkinder von
Evas wegen bewegt. Wie sie sich verhalten, wie
das Vorher und Nachher sich sonderbar. mannig¬
altig, komisch und tragikomisch ausnimmt, wird
meisterlich dargetan. Die letzte Grazie dieser
Verschlingungen aber kommt im Licht der Rampe.
mit den Ablenkungen des fallenden Vorhangs
der auh die entscheidenden Augenblicke im Buche
durch Gedankenstriche angedeutet, liebevoll ver¬
hüllt), der Kulissenänderung, der Zwischenmusik
icht zur vollen Geltung.
Pielleicht könnte hier die Drehbühne helfen
Ganz schnelle Verwandlungen, ineinander über¬
leitend durch die gemeinsamen Figuren der
Einzelszenen zwanglos verbunden — zum Schlusse
nütte die ganze Reihe sich an der Hand fassen
und vorüberhuschen. Immerhin, auch Ernst
Sterns Einrichtung hatte Geschick und Ge¬
chmack. In der Darstellung führten die männ¬
lichen Partner: der charmante junge Herr von
Kurt Goetz, der beruhigte, doch noch nicht ab¬
gebankte Ehemann von Schwanneke, der
von köstlichem Selbstgefühl geschwellte Dichter
von Karl Etlinger. Bei den Frauen leuchtete
die jedliche Munterkeit des süßen Mädels Poldi
Müller voran.
Max Osborn.
Inzwischen hat die Leitung der Hochschule
für Musik, die den Antrag auf Verbot der
lufführung gestellt hatte, die Zurückzie¬
hung dieses Verbots erwirkt, da sie, wie
sie jetzt sagt, durch die Aufführung erkannt habe,
daß ihre Bedenken grundlos waren. Weder Herr
Sladek noch Frau Eysoldt als Direktorn des
Kleinen Schauspielhauses werden „brummen“
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Meie & Seidel
Bureau für Zeitungsausschnitte
Berlin NO. 43, Georgenkirchplatz 21
Zeitung Berliner Morgenpost
Ort.
25. SL L.1920 Berlin
Datum: eereeeeeten uereen cnnene
Schnihlers Reigen“.
Im Kleinen Schauspielhaus.
Diessei vorab festgestellt: Es ist keine Art,
einemkünstlerischen Unternehmen mit An¬
dröhungen von Freiheitsberaubung zuleibe zu
geher.,Weder der Musikhochschule noch dem
Kul#ministerium, das sich hinter sie stellte,
noch dem Gericht macht dies Vorgehen Ehre.
Gertrud Eysoldt, die Mitdirektorin, hatte in
ihrer Ansprache mehr als recht: Hätten die
Herren sich die Mühe genommen, eine Probe
mitanzusehen, sie hätten vermutlich anders ge¬
handelt. Denn es zeigte sich Verschiedenes:
Erstens, daß die Aufführung mit lobenswerter
Dezenz es streng vermied, irgendeinen Zug zu
vergröbern, vielmehr ihre ganze Mühe daran
setzte die lächelnde erotische Psychologie des Wer¬
kes, diskret und liebenswürdig herauszubringen.
Kein Mensch von gesunden Sinnen kann durch
diese Vorstellung sein Schamgefühl verletzt
finden. Zweitens aber, daß überhaupt auf der
Bühne, entgegen mancher Erwartung, vieles
was die Phantasie des Buchlesens sich höchst
hwül und gepfeffert ausmasen mag, an pikanter
Rebenwirkung merkwürdig verliert
Freilich, nicht nur diese Nebenwirkung wird
schwächer.
Arthur Schnitzler hat diese
Dialoge nicht für die Bühne geschrieben, und er
hat bis vor kurzem niemals an eine Aufführung
gedacht, weil er fühlte, daß der Duft ihrer Zart¬
heit im Theater Einbuße erleiden könnte. Er
gibt zehn Zwiegespräche zwischen Männlein und
Weiblein in den Augenblicken, da sie sich finden.
Die Dirne und der Soldat, der Soldat und das
Stubenmädchen, das Stubenmädchen und der
unge Herr, der junge Herr und die junge Frau,
die junge Frau und der Ehemann, der Ehemann
und das süße Mädel, das süße Mädel und der
Dichter, der Dichter und die Schauspielerin, die
Schauspielerin und der Graf, der Graf und. daß
der Kreis sich wieder schließe, die Dirne — sie
alle erleben einen Moment des sinnlichen Rau¬
sches. Da wir jede Figur in doppelter Situation
kennen lernen, ist eine feine Verbindung her¬
gestellt. Die Gestalten schlingen einen Reigen
um das ewig: Urthema, das die Erdenkinder von
Evas wegen bewegt. Wie sie sich verhalten, wie
das Vorher und Nachher sich sonderbar. mannig¬
altig, komisch und tragikomisch ausnimmt, wird
meisterlich dargetan. Die letzte Grazie dieser
Verschlingungen aber kommt im Licht der Rampe.
mit den Ablenkungen des fallenden Vorhangs
der auh die entscheidenden Augenblicke im Buche
durch Gedankenstriche angedeutet, liebevoll ver¬
hüllt), der Kulissenänderung, der Zwischenmusik
icht zur vollen Geltung.
Pielleicht könnte hier die Drehbühne helfen
Ganz schnelle Verwandlungen, ineinander über¬
leitend durch die gemeinsamen Figuren der
Einzelszenen zwanglos verbunden — zum Schlusse
nütte die ganze Reihe sich an der Hand fassen
und vorüberhuschen. Immerhin, auch Ernst
Sterns Einrichtung hatte Geschick und Ge¬
chmack. In der Darstellung führten die männ¬
lichen Partner: der charmante junge Herr von
Kurt Goetz, der beruhigte, doch noch nicht ab¬
gebankte Ehemann von Schwanneke, der
von köstlichem Selbstgefühl geschwellte Dichter
von Karl Etlinger. Bei den Frauen leuchtete
die jedliche Munterkeit des süßen Mädels Poldi
Müller voran.
Max Osborn.
Inzwischen hat die Leitung der Hochschule
für Musik, die den Antrag auf Verbot der
lufführung gestellt hatte, die Zurückzie¬
hung dieses Verbots erwirkt, da sie, wie
sie jetzt sagt, durch die Aufführung erkannt habe,
daß ihre Bedenken grundlos waren. Weder Herr
Sladek noch Frau Eysoldt als Direktorn des
Kleinen Schauspielhauses werden „brummen“