II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 714

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11.
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Klose & Seidel
Bureau für Zeitungsausschnitte
Berlin NO. 43, Georgenkirchplatz 21
Jautscher Reichsanzeig.
Zeitung:
Berlin“
Ort:
Datum: —
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Theater und Musik.
Kleines Schauspielhaus.
Die Direktion des Kleinen Schauspielhauses führte gestern, trotz
einer kurz vorher eingetroffenen einstweiligen gerichtlichen Verfügung,
welche die Vorstellung verbot, ArtunSchnitzlers-Dialogfolg
„Reigen auf. Für den Beurteiler steht der gerichtliche Streit
nicht zur Erörterung, nicht einmal die längst entschiedene Frage nach
dem literarischen Wert des als Buch schon seit mehr als einem Jahr¬
zehnt bekannten und als getreues Spiegelbild gewisser Zeiterscheinungen
anerkannten Schnitzlerschen Werks, sondern nur die, ob es, obwohl
nicht für das Theater bestimmt, auf der Bühne bestehen kann, ob nicht
vielmehr, das helle Rampenlicht vergröbernd darauf wirkt. Diesen
letzteren Eindruck hinterließ die von Hubert Reusch mit geschickter Hand
geleitete Aufführung keineswegs. Sie war offensichtlich bestrebt, nur
das Menschliche, das Psychologische dieser in Maupassantscher Art ge¬
ehenen erotischen Szenen stark hervorzukehren, alles andere aber
zurücktreten zu lassen. Insofern stand diese Aufführung in bewußtem
und erfreulichem Gegensatz zu manchen in Berlin vielgespielten fran¬
zösischen Schwänken, bei denen das Umgekehrte der Fall, d. h. die
Laszivität die Hauptsache war. Leise Tanzmusik verband die einzelnen
Szenen, in denen der Schnitzlersche Liebesreigen, der sich, unten beginnend,
durch alle Gesellschaftsschichten schlingt, in zehn Verwandlungen ohne
Unterbrechung vorüberzog. Gemeinsames und Unterschiedliches im
Liebesgebaren der verschiedenen Stände machte sich dabei in guter
Beobachtung und satirischer Beleuchtung bemerkbar. Die Darsteller
hatten hauptsächlich die Aufgabe, den Dialog richtig abzuwägen, vor
allem nirgends stark aufzutragen und doch Charakteristisches hervor¬
zuheben. Diese Anforderung wurde, dank der guten Abstimmung des
Ganzen, durch den Spielleiter, durchweg mit gutem Geschmack erfüllt.
Mit besonderer Anerkennung sind die Damen Bäck, Müller, Dergan,
die Herren Götz, Schwanneke und Forster=Larrinaga zu nennen. Der
Beifall, der ihnen und dem Werk gespendet wurde, blieb unbestritten.
Schnitzlers „Reigen“ in Berlin verboten.
Aufführung trotz des Verbotes.
Berlin, 24. Dezember. (Privattelegramm.) Wie No
„Morgenpost“ meldet, hat die Direktion des Kleinen
Schauspielhauses gestern erst um 5 Uhr nachmittags von
der einstweilige Verfügung des Landgerichtes III Kenntnis
erhalten, wonach die Aufführung von Schnitzlers
Reigen“ verboten wurde. Vor Beginn der Auf¬
führung trat die Direktorin des Theaters Frau Gertrude
Eysoldt an die Rampe und teilte dem Publikum mit
erregter Stimme mit, welche eigentümliche Haltung das
Direktorium der Hochschule für Musik eingenommen habe
ndem es die Aufführung des „Reigen“ in einem Hause
verbiete, in welchem Monate hindurch „Die Büchse der
Pandora“ gesp elt worden sei. Im Falle der Ueber¬
tretung des Verbotes drohe die einstweilige Verfügung,
nicht, wie sonst üblich, mit riner Geldstrafe, sondern mit
einer Haft von sechs Wochen. Doch sehe die Direktion
einer Entscheidung mit Ruhe entgegen, Die Aufführung
selbst Verkief ohne Widerspruch und Zwischenfall.
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Kiöse & Seider
Bureau für Zeitungsausschnitte
Berlin NO. 43, Georgenkirchplatz 21
aneste Nachrichten
Zeitunge
om Dressen.
Datum: —26—1119
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= Schnitzlers „Reigen“ verboten und troßdem ge¬
spielt. Aus Berlinwird uns gedrahtet: Die Direk
tion des Kleinen Schauspielhauses hat'e erst
gestern im 5 Uhr nachmittags von der einstweiligen
Verfützung des Landgerichts III Kenntnis erhalten,
die Aufführung von Schnitzlers
durch die
„Reigen“ verboten wurde. Vor Beginn der Auf¬
führung trat Gertrud Eysoldt vor und legte mit
erregter Stimme dem Publikum das eigentümliche Ver¬
halten dar, das die Hochschule für Musik als Haus¬
herrin eingeschlagen habe. Sie wies darauf hin, daß
in einem Hause, in welchem Monate hindurch die
„Büchse der Pandora“ gespielt wurde, jetzt plötzlich gegen
das Werl eines Dichters vom Range Arthur Schnitz¬
lers vorgegangen werde. Man habe ihr nicht Geldstrafe,
sondern Haftstrafe von sechs Wochen Dauer angedroht
Sie wage es trotzdem und sehe der Entscheidung
mit Ruhe eutgegen. Die Aufführung selbst verlief ohne
Störung und Widerspruch. — Wie wir weiter erfahren.
wird nunmehr die Hochschule für Musik, auf deren An¬
der
trag die einstweilige Versügung über das Verbot
ist,
Aufführung von Schnitzlers „Reigen“ ergangen
nach dem Eindruck der gestrigen Erstaufführung ihren
Die
Protest gegen die Aufführung zurückziehen.
angedrohte Haftstrafe soll nicht vollstreckt werden,
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in
Der Streit um SchnitzlersTeigen
Ferin.
(Teleglame des „Neuen Freien Presse“.)
Berlin, 24. Dezeuber. 1150“
Der gegen die Aufführung von Artur Schnitzlers
„Rzigen“ im Kleinen Schauspielhaus erhobene Einspruch wird
zufückgezogen werden. Der Einspruch ist, wie berichtet,
vonider Hochschule für Musik erhoben worden, in deren Theater¬
saali das Kleine Schauspielhaus seine Vorstellungen veranstaltet.
Der Rechtsbeistand der Hochschule für Musik eralärt, durch die
Art der Aufführung im Kleinen Schauspielhaus habe die
Leitung der Hochschule für Musik den Eindruck gewonnen, daß
tatsächlich die Vorstellung keinen unsittlichen Charakter trage,
und unter diesen Umständen sich zur Zurückziehung ihres Ein¬
spruches entschlossen. Die in dem Einspruch gegen die Direktion
für den Fall des Zuwiderhandelns angedrohte Haftstrafe wird
nicht vollstreckt werden, da ein Antrag von der Hochschule fün
Musik nicht gestellt werden wird. Interessant ist, daß in dieser
ganzen Assäre, die so großes Aufsehen erregt, ein Wiener
Musiker gegen einen Wiener Schriftsteller vorgegangen ist. Den
Protest der Hochschule ist nämlch unterzeichnet von ihrem der¬
zeiligen Direktor, dem Komponisten Franz Schrecker, den
aus Wien zur Leitung der Berliner Musikhochschule berufen
worden ist und der jetzt durch seine amtliche Stellung genötigt
war, als Gegner Artur Schnitzlers aufzutreten. Natürlich
ist der eigentliche Urheber der Aktion nicht der Direktor der
Musikhochschule, der nur seinen Namen dazu hergeben mußte.
Wie verlautet, ist das Vorgehen von einigen Geheimräten des
Kultusministeriums veranlaßt worden. Der Kultusminister selbst,
Herr Hänisch, ist von Berlin abwesend und hat anscheinend
nichts davon gewußt. Die Direktion des Kleinen Schauspielhauses
verweist in der Berliner Presse darauf, daß sie die Vertreter des
Kultusministeriums zu einer Generalprobe eingeladen habe,
Dah ohee biates Ginlahung nicht Folge geleistet worden sei. Die
" Talstag
Direktion des Kleinen Schauspielhauses erklärt, sie habe durch
den Einspruch der Behörde gegen die Aufführung Schaden er¬
litten und behalte sich vor, Schadenersatzansprüche geltend zu
machen. Auch der Verband der Perliner Theaterleiter be¬
absichtigt, sich mit der Angelegenheitszu beschäftigen.
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