II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 719

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Reigen
Wilesia Téscher
25. Dezember
Nr. 289
Schnitzlers „Reigen“
trotz
Verbotes in Veriin aufgesführt.
6 Wochen Arrest für Frau Direktor Eysold. — Die „g'schamige“ Polizei.
Berlin, 24. Dezemser. (E. D.) Unser
das Puklikum Ansprachen, in welchen sie erklärte,
froßer Aufregung gelangts gestern Schnitzlers
die Polizei sei zu einer Probeaufführung einge¬
„Reigen“ im Kleinen Theatzr zur Uraufführung.
laden worden, habe aber diese Einladung mit
Die Vorstellung war von der Berliner Polizei
Entrüstung zurückgewiesen, daraufhin
intersagt worden und der weiblichen Hauptdar¬
sei die Aufführung ohne behördliche Erlaubnis er¬
tellerin Frau Direktor Eysold hat die Polizei¬
folgt. In diesem Hause, sagte Frau Eysold, sei
zirektion für den Fall ihres Auftretens in diesem
arch die „Büchse der Pandora“ zur Uraufführung
Stück eine Arreststrafe von sechs Wochen
gelangt, jenes großartigste, gleich Schnitzlers
ingedroht. Das Haus nahm das Stück mit de¬
„Reigen“ aus der Erotik geborene Stück Wede¬
nonstrativem Beifall auf. Vor und nach
kinds.
er Aufführung richtete Frau Direktor Eysold an
lose & Seidel
Bureau für Zeitungsausschnitte
honerfahre
Berlin NO. 43, Georgenkirchplatz 21
%
Zeitung: Leipziger Tageblatt
Ort:
Leipzig
Datum:
Klose & Seidel
Nochmals Schnitzlers „Reigen“
Bureau für Zeitungsausschnitte
Man wird mir nicht zumuten, gegenüber dem Berliner Land¬
Berlin NO. 43, Georgenkirchplatz 21
gerichte III und einigen Leuten des preußischen Kultusministeriums
den Dichter Arthur Schnitzler gegend. Vorwurf der sogenannken Un¬
züchtigkeit in Schutz zu nehmen. Dierage ist vielmehr (sofern sie in
Wahrheit nicht überhaupt lediglich eine geschäftspolitische ist) so gestellt,
ob der „Reigen“, dessen Bühnendarstellung bislang in Berlin und
wirken kann.
anderswo nicht möglich war, aufgeführt, „unzüchtig
Zeitung: Müs Mlorch Ctis
Arthur Schnitzler, den wir um seiner lieben, leisen Hände willen
seit jeher lieben, hat vor mehr als zwanzig Jahren diese zehn Dialoge“
geschrieben, deren jeder zwischen Frau und Mann geführt wird, und
Ort:
zwar so, daß eine Ketté der Personen sich bildet (die Dirne und der
Soldat — der Soldak und das Stubenmädchen — das Stubenmädchen
und der junge Herr — — und so fort, bei der Dirne wiederum endi¬
Datum: —
gend). In jeden Dialog aber fällt als Zensur das Begebnis ohne Worte,
Zu. Urt 1920
Der
das im Buch daher durch Gedankenstriche symbolisiert wird.
Reigen“ ist reich an Köstlichkeiten, jeder Das beziehungsvoll noch den

früheren oder schon einen folgenden spüren lassend, leicht und unter¬
Die Zurücknasme des Verbats der
irdisch, in jenen inneren Beziehungen und Dichtermenschlichkeiten
eigen“=Aufflürung gegen das Kleine Schau¬
stärker als durch das Aeußere der Komposition berührend.
ielbaus in Ber## ist. wir uns unser R. W.=Kor¬
Die Aufführung des Berliner Kleinen Schauspielhauses,
espondent schreibt. dn Freitag erfolgt. nachdem die Hoch¬
notwendig ohne Fütlerungspause, hatte viel behutsame Anmut. Vor
schul für Musik sichtüberzlugt hatte, daß die diskrete und
allem erzwang Ernst Sterns süßer, unaufdringlich spiekerischer De¬
ez## Darstellung des Schnitzlerschen Werkes diesem den
korationsrahmen die Stimmung. Mimisch wurde einiges verdickt (wie
The# tier der Ob'zönität nehme,
mir schien, auch die Darstellung des „süßen Mädels'); doch zeigten
Vera Skidelsky, Karl Etlinger (der leichtfingrige Bearbeiter
des „Perikles von Tyrus'), Robert Forster=Lerrinago,
Kurt Göß angenehmes Einfühlungsvermögen.
Es besteht nun kaum ein Zweifel, daß das Kultusmnisterium von
dem Vorwurfe nicht freigesprochen werden kann, zu der Verbreitung der
vorliegenden „Unzüchügkeit“ wesenflich beigekeagen zu haben.
Erwin Reiche.“