II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 724

11.
igen
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Berliner Theater.
„Eäsar und
Wildes „Salome“. — Schniglers Reigen“.
Cleopatra“ von Shaw.
(Von unsgrem Korrespondenten.)
Ae (— Berlin, 24.
Bzember.
Daß das Theater in der Königgrätzerstraße eines Tages
Oeear Wildes „Salome“ spielen würde, — man brauchte
weder Jochanaan noch sonst ein Prophet zu sein, um dies
vorauszusagen. Denn dort lebt man von und für Frävlein
Orska. Und daß Maria Orska Spezialistin für bekadente
Grotik sei, das ist noch viel zu wenig gesagt. Sie ober ihr
ganzer theatralischer Ruf, ihre ganze schauspielerische Er¬
scheinung ist überhaupt und ganz und gar nichts anderes,
als eine morbide, schmachtend gierige, süchtig trillernde,
kätchenhaft gereckte Geschlechtlichkeit. Mit deren virtuosen
und völlig ungehemm en Ausarbeitung hat Maria Orska sich
und ihrem Theater ein mächtig zahlendes Publikum erebert.
Es ist aber nicht leicht, zur Entfaltung ihrer Eigenschaft ge¬
eigne'e Relsen herbeizutreiben. Wedelind und Strindberg, die
a wohl nicht ganz so gemeint, aber immerhin so zu gebrauchen
sind hat sie nachgerade abgeweidet. Und einmal hat sie sich
in der Verzweiflung an Schillers Lady Milford vergriffen.
Oscar Wildes „Salome“ ist ja aber schlechthin das klaf¬
fische Stück ihrer ganzen Richtung. Dies subtile Spiel, das
lange, ehe Richard Strauß eine Oper daraus machte, eine der
ersten Erfelge Reinhardts mit Gertrud Eysoldt am „Kleinen
Theater“ war, — dies Sviel ist wirklich nichts als eine
kostbar schillernde Sumpfblume. Der große irische Artist
hat die Welt gottlßs verwesender Sinnlichkeit, die in dem
mörderischen Liebesbegehren der Prinzes in Salome nach des
Täufers Haupt ausbricht, gestaltet — gestaltet mit feierlich
zarten stimmungsvollen Verskünsten, aber ganz ohne eine
tellusgnehmende, geistig distanzierende Kraft, ganz hinge¬
geben an den giftig schönen Rausch dieser sinnlos=sinnlichen
Welt. Und so kam al'es, wie es kommen mußte: Maria Orska
lötete, Fril'erte und schmachtete und gierte die „Salon##
und der vielberühm'e Conrad Beldt, dessen hektisch schmach¬
tende Schlankheit sich schon längst zu einem männlichen Pen¬
hant der Orska entwickelt, machte wirklich den Jochanaan
bagu
Die Gertrud Eysolbt aber, die vor 17 Jahren als
Salome berühmt wurde, zelchnet heute als Direktorin des
„Kleinen Schausvlelhauses“, das sich in der Seaatlichen Hoch¬
schule für Musik am Steinplatz bescidet. (N.O. sie zeichnet,
aber der Konzern des Drutschen Thetters liefert Schauspfeler
und Regisseure und scheint überhaupt ganz sonverän über
das Institut zn verfügen). Diese Gertrud Cysoldt also kün¬
digte die Aufführung von Arthur Schnitzlers Mei¬
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en“ an. Es sind dies zehn sexuelle Dialoge, die nur durch
Personalunion zusammenhängen, in denen jedesmal ein Pas¬
us der ersten Begegnung noch in der zweiten mitspielt, bis in
der zehnten der Graf den Kreislauf mit jener Dirne schließt,
die mit dem Soldaten das Spiel begann. So ist das Ganze ein
böser Witz, und die einzelne Szene, in deren Mitte jedesmal
jenen Punkt andeu¬
bedeu ungsvolle Gedankenstriche
en, der überall, wo Seele und Leidenschaft nicht mitspielen,
denn frellich der einzig wesentliche Punkt bleibt, — auch die
einzelnen Szenen zeigen oft genug die bekann'e, melancholisch¬
ronische Anmut Schhitzler'scher Dialoge. Sie werden be¬
onders lustig, wenn in der zwelten Hälfte die allgemeine
Verlogenheit der erotischen Phrase durch Fachleute, Schrift¬
steller und Schauspielerin, mit phantastischer Energie gehand¬
habt wird. Das Buch gibt der Sinnlichkeit der entseelten
Welt gewiß keinen mystisch dämonischen Schimmer wie der
Wildesche Alt, aber es seziert den gleichen Zustand einer
Erotil, der alles Seelische zur Lüge wird mit trockenster Ironie
und wird dadurch in einem kaum vergleichlichen Grade deut¬
— Früher hatte der Zensor sogar das Buch verboten,
ich
etzt sgibt es keine Zensur mehr, aber in diesem speziellen
falle hatte das Kultusministerium, zu dem die Hochschule für
Musik gehört, Rechte des Hausherrn. Es erklärte die Auf¬
führung eines solchen Stücks in seinen Räumen für vertrags¬
widrig und erwirk'e wenige Stunden vor der Aufführung eine
jerichtliche Verfügung, die das Spiel bei Haftstrafe der Di¬
rektion verbot. Dennoch ging nach einer emphatischen An¬
prache der Frau Eysoldt die Schnitzlersche Szenenreihe über
die Breiter und das Premierpublikum demonstrierte mit hef¬
tigem Beifall für die bedrohte „Freiheit der Kunst.“
Die Aufführung mit sehr hübschen Szenenbildern
von Ernst Stern und manchen hübschen schauspielerischen
Einzelleistungen (besonders die Herren Götz, Schwannecke, der
nene Komiker Karl Etlinger und Blanche Dergan, die sehr
lustig eine einst berühmte Heroine parodierte, die schon dem
Dichter Vorbild für seine, Schausplelerin“ sein soll —
diese ganze Aufführung war nicht ohne Qualität und nach
Möglichkeit dezent.
Trotzdem bringe ich die rechte Entrüstung über biesen
tückischen Angri'f auf die freie Kunst nicht auf. Wenn der¬
artige Stücke (und an der gleichen Stelle hat man mehrere
hundert Male die „Büchse der Pandora“ gesoielt) ihren
Kassenerfolg machen, so tun sie es ganz gewiß nicht durch die
n ihnen enthaltenen artistischen oder geistigen Werte. Als
Unternehmen bleibt das eine trübe Spekulation mit niedersten
Masseninstinkten, wobei man den Gebrauch großartiger Worte
nur eswa dem unbegrenzten Mangel an Selbsterkenntnis bei
allen Theaterleuten zugute halten kann. Verbote werden wohl
nicht die richtigen Mittel sein, um Aufführungen solcher
Art zu bekämpfen; daß sie aber bekämpfenswert sind, meine
ch allerdings. Arkisti'che Studien über entfesselte Sexnalität
mögen ihre technische Qualität und kulturgeschichtliches Inter¬
essa haben — als Massennabrung auf dem Theater dargeboten
wirken solche Proben zersetzter Kultur weiter zersetzend und
sind zweisellos eine Kulturgefahr.
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