II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 729

11.
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Reigen
Sexual-Dramatik.
Von unserem ständigen Berliner Mitarbeiter wird uns
geschrieben:
Daß das Theater in der Königgrätzerstraße eines Tages
Oscar Wildes „Salome“ spielen würde, — man brauchte
weder Jochanaan noch sonst ein Prophet zu sein, um dies
vorauszusagen. Denn dort lebt man von und für Fräulein
Orska. Und daß Maria Orska Spezialistin für deka¬
dente Grotik sei, das ist noch viel zu wenig gesagt. Sie oder
ihr ganzer theatralischer Ruf, ihre ganze schauspielerische Er¬
scheinung ist überhaupt und ganz und gar nichts anderes,
als eine morbide, schmachtend gierige, süchtig trillernde, kätz¬
chenhaft gereckte Geschlechtlichkeit. Mit deren virtuoser und
völlig ungehemmter Ausarbeitung hat Maria Orska sich und
ihrem Theater aus den „neuen Reichen“ ein mächtig zahlen¬
des Publikum erobert. Es ist aber nicht leicht, zur Entfaltung
hrer Cigenschaft geeignete Rollen herbeizutreiben. Wedekind
und Strindberg, die ja wohl nicht ganz so gemeint, aber
immerhin so zu gebrauchen sind, hat sie nachgerade abge¬
weidet. Und einmal hat sie sich in der D# zweiflung an Schil¬
lers Lady Milford vergritfen. Oscar Wil's „Salome“ ist
ja aber schlechthin, das klassische Stück ihrer ganzen Richtung.
Dies subtile Spiel, das lange, ehe Richard Strauß ein Opfe¬
daraus machte, eine der ersten Erfolge Reinhardts mit Gertrud
Eysoldt am „Kleinen Theater“ war, — dies Spiel ist wirklich
nichts als eine kostbar schillernde Sumpfblume. Der große
irische Artist hat die Welt gottlos verwesender Sinnlichkeit,
die in dem mörderischen Liebesbegehren der Prinzessin Sa¬
lome nach des Täufers Haupt ausbricht, gestaltet — gestaltet
mit feierlich zarten stimmungsvollen Verskünsten, aber ganz
ohne eine stellungnahme, geistig distanzierende Kraft, gan¬
hingegeben an den giftig schönen Rausch dieser sinnlos=sinn¬
ichen Welt. Und'so kam alles, wie es kommen mußte: Maria
Orska flötete, trillerte und schmachtete und gierte die „Salome“
und der vielberühmte Conrad Veidt, dessen hektisch schmach¬
ende Schlankheit sich schon längst zu einem männlichen Pen¬
dant der Orska entwickelt, machte wirklich den Jochanaan
dazu!
Die Gertrud Eysoldt aber, die vor 17 Jahren als Salome
berühmt wurde, zeichnet heute als Direktorin des „Kleinen
Schauspielhauses“, das sich in der Staatlichen Hochschule für
Musik am Steinplatz befindet. (NB. sie zeichnet, aber der
Konzern des Deutschen Theaters liefert Schauspieler und
Regisseure und scheint überhaupt ganz souverän über das
Institut zu verfügen.) Diese Gertrud Eysoldt also kündigte
die Aufführung von Axthur=Schnitzlers „Reigen“
an. Es sind dies zehn sexuelie-Dialöge die nür durch Perso¬
nalunion zusammenhängen, in denen jedesmal ein Partner
der ersten Begenung noch in der zweiten mitspielt, bis in der
zehnten der Graf den Kreislauf mit jeer Dirne schließt, die
mit dem Soldaten das Sviel begann. So ist das Ganze ein
böser Witz, und die einzelne Szene, in deren Mitte jedesmal
bedeutungsvolle Gedankenstriche
jenen Punkt an¬
deuten, der überall, wo Seele und Leidenschaft ni“ nitspielen,
dann freilich der einzig wesentliche Punkt bleibt — auch die
inzelnen Szenen zeigen oft genug die bekannte, melancholisch¬
ronische Anmut Schnitzlerscher Dialoge. Sie werden besonders
lustig, wenn in der zweiten Hälfte die allgemeine Verlogenheit
der erotischen Phrase durch Fachleute, Schriftsteller und
Schauspielerin, mit phantostischer Energie gehandhabt wird.
Das Buch gibt der Sinnlichkeit der entseelten Welt gewiß
keinen mystisch=dämonischen Schimmer, wie der Wildesche Akte
aber es seziert den gleichen Zustand einer Er#tik, der alles
Seelische zur Lüge wird, mit trockenster Ironie und wird dä¬
durch in einem kaum vergleichlichen Grade deutlich. Früher
hatte der Zensor sogar das Buch verboten: jetzt gibt es kein¬
Zensur mehr, aber in diesem ipeziellen Falle hatte das Kult###
ministerium, zu dem die Hochschule für Musik gehört, Recht¬
des Hausherrn. Es erklärte die Aufführung eines solchen
Stückes in seinen Räumen für vertragswisrig und erwirkts
wenige Stunden vor der Aufführung eine gerichtliche Ver¬
fügung, die das Spiel bei Haftstrafe der Direktion verbot.
Dennoch ging nach einer emphatischen Ansprache der Frau
Eysoldt die Schnitzlersche Szenenreihe über die Bretter, und
das Premierenpublikum demonstrierte mit heftigem Beifall
für
die bedrohte „Freiheit der Kunst“. Die
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führung mit sohr hübschen Szenenbildern von Einst
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