II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 730

11. Reigen
gal-Dramatik.
en Berliner Mitarbeiter wird uns
der Königgrätzerstraße eines Tages
e“ spielen würde, — man brauchte
ist ein Prophet zu sein, u dies
rt lebt man von und für Fräulein
lia Orska Spezialistin für deka¬
viel zu wenig gesagt. Sie oder
och
uf, ihre ganze schauspielerische Er¬
und ganz und gar nichts anderes,
tend gierige, süchtig trillernde, kätz¬
stlichkeit. Mit deren virtuoser und
rbeitung hat Maria Orska sich und
neuen Reichen“ ein mächtig zahlen¬
s ist aber nicht leicht, zur Entfaltung
Rollen herbeizutreiben. Wedekind
ohl nicht ganz so gemeint, aber
sind, hat sie nachgerade abge¬
En
je sich in der V zweiflung an Schil¬
iffen. Oscar Wildes „Salome“ ist
ssische Stück ihrer ganzen Richtung
nge, ehe Richard Strauß ein Opfer
sten Erfolge Reinhardts mit Gertrud
kier“ war, — dies Spiel ist wirklich
illernde Sumpfblume. Der große
lt gottlos verwesender Sinnlichkeit.
Liebesbegehren der Prinzessin Sa¬
aupt ausbricht, gestaltet — gestaltet
ungsvollen Verskünsten, aber ganz
geistig distanzierende Kraft, can¬
schönen Rausch dieser sinnlos=sinn¬
alles, wie es kommen mußte: Maria
schmachtete und gierte die „Salome“
nrad Veidt, dessen hektisch schmach¬
n längst zu einem männlichen Pen¬
t, machte wirklich den Jochanaan
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Die Gertrud Eysoldt aber, die vor 17 Jahren als Salome
berühmt wurde, zeichnet heute als Direktorin des „Kleinen
Schauspielhauses“, das sich in der Staatlichen Hochschule für
aber der
Musik am Steinplatz befindet. (NB. sie zeichnei,
Konzern des Deutschen Theaters liefert Schauspieler und
Regisseure und scheint überhaupt ganz sonverän über dee
Institut zu verfügen.) Diese Gertrud Eysoldt also kündigte
die Aufführung von Arthur=Schnitzlers „Reigen“
an. Es sind dies zehn sexuelle-Dialöge die nür durch Perso¬
nalunion zusammenhängen, in denen jedesmal ein Partner
der ersten Begenung noch in der zweiten mitspielt, bis in der
zehnten der Graf den Kreislauf mit je er Dirne schließt, die
mit dem Soldaten das Sviel begann. So ist das Ganze ein
böser Witz, und die einzeine Szene, in deren Mitte jedesmal
— jenen Punkt an¬
bedeutungsvolle Gedankenstriche
deuten, der überall, wo Seele und Leidenschaft nie mitspielen,
dann freilich der einzig wesentliche Punkt bleibt — auch die
einzelnen Szenen zeigen oft genug die bekannte, melanchelisch¬
ironische Anmut Schnitzlerscher Dialoge. Sie werden besonders
lustig, wenn in der zweiten Hälfte die allgemeine Verlogenhei
der erotischen Phrase durch Fachleute, Schriftsteller und
Schauspielerin, mit phantostischer Energie gehandhabt wird.
Das Buch gibt der Sinnlichkeit der entseelten Welt gewiß
keinen mystisch=dämonischen Schimmer, wie der Wildesche Akt,
aber es seziert den gleichen Zustand einer Erntik, der alles
Seelische zur Lüge wird, mit trockenster Ironie und wird dä¬
durch in einem kaum vergleichlichen Grade deutlich. Früher
hatte der Zensor sogar das Buch verbaten; jetzt gibt es keine
Zensatr mehr, aber in diesem speziellen Fasse hatte das Kultus¬
ministerium, zu dem die Hochschule für Musik gehört, Rechte
des Hausherrn. Es erklärte die Aufführung eines solchen
Stückes in seinen Räumen für vertragswidrig und erwirkte
wenige Stunden vor der Aufführung eine gerichtliche Ver¬
fügung, die das Spiel bei Haftstrafe der Direktion verbot.
Dennoch ging nach einer emphatischen Ansprache der Frau
Eysoldt die Schnitzlersche Szenenreihe über die Bretter, und
das Premierenpublikum demonstrierte mit heftigem Beifall
Die Auf¬
für die bedrohte „Freiheit der Kunst“
von Ernst
führung mit sohr hübschen Szenenbildern
W
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Stern und manchen hübschen schauspielerischen Einzel¬
leistungen (besonders die Herren Götz, Schwannecke, der
neue Komiker Karl Etlinger und Blanche Dergan, die sehr
lustig eine einst berühmte Heroine parodierte, die schon dem
Dichter Vorbild für seine „Schauspielerin“ gewesen sein soll)
— diese ganze Aufführung war nicht ohne Quselität und nach
Möglichkeit dezent. Trotzdem bringe ich die rechte Entrüstung
über diesen tückischen Angriff auf die freie Kunst nicht auf.
Wenn derartige Stücke (und an der gleichen Stelle hat man
mehrere hundert Male die „Büchse der Pandora“ gespielt
ihren Kassenerfolg machen, so tun sie es ganz gewiß nicht durch
die in ihnen enthaltenen artistischen oder geistigen Werte. Als
Unternehmen bleibt das eine trübe Spekulation mit niedersten
Masseninstinkten, wobei man den Gebrauch großartiger Worte
nur e va dem unbegrenzten Mangel an Selbsterkenntnis bei
allen Theaterleuten zugute halten kann. Verbote werden wehl
nicht die richtigen Mittel sein, um Aufführungen soscher Art
zu bekämpfen; daß sie aber bekämpfenswert sind, meine ich
Artistische Studien über entfesselte Sexualität
ullertings.
nögen ihre technische Qualität und kulturgeschichtliches In¬
téresse haben — als Massennahrung auf dem Theater dorae¬
boten, wirken solche Proben zersetzter Kultur weiter zersetzend

und ind zweifellos eine Kulturgefahr.