II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 748

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11. igen
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Die Deutsche Bühne
schiedensten Lebenskreise hindurchführen, ein
Beethovens „Fidelio“ hatte in seiner
wehmütiger Humor, der die Verkennung der
ersten Fassung bei der Wiener Uraufführung
Lebenswerte beleuchtet. Die Dialoge wirken
am 20. November 1805 infolge verschiedener
also durchaus nicht sinnlich anfreizend, viel¬
ungünstiger Umstände bekanntlich einen so
mehr aufklärend über die Täuschungen, denen
vollständigen Mißerfolg, daß eine Weiter¬
viele Menschen im Bereiche der Erotik aus¬
verbreitung daraufhin ganz ausgeschlossen
gesetzt sind und unter denen sie leiden, ohne
war. Erst nach wiederholter Umarbeitung
sich von ihnen Rechenschaft zu geben. Eine
and das Werk 1814 in Wien freundliche
sittlich bedenkliche Wirkung erscheint mir
Aufnahme und Anerkennung; zu allgemeiner
darum nach beiden gekennzeichneten Seiten
Verbreitung verhalfen ihm aber erst die
hin ausgeschlossen.
vollen Siege, die „Fidelio“ im Winter
1815/16 in der preußischen Königstadt da¬
Berlin, den 24. Dezember 1920.
vontrug. Es gereicht dem Berliner Theater¬
gez. Prof. Alfred Klaar.
publikum zur Ehre, daß es die gußerordent¬
liche Bedeutung dieses neuartigen Werkes
ogleich erkannte und durch lebhaften Beifall
Beethoven und Berlin.
wurdigte. Auch in der vervollkommneten,
Von Wilhelm Widmann.
meisterlichen Fassung von 1814 begegnete
Wann zum erstenmale den Berlinern
„Fidelio“ in den meisten deutschen Städten noch
Beethovensche Musik in öffentlicher Auf¬
mangelndem Verständnis, unglaublicher Teil¬
führung dargeboten wurde, läßt sich nicht
nahmslosigkeit oder entschiedener Ablehnung.
mehr feststellen. Die Presse, zu Beginn
„Sie verstehen's nicht! man könnte des
des 19. Jahrhunderts noch sehr bescheiden
Teufels werden!“ klagte ergrimmt Carl
an Umfang und Inhalt, registrierte nicht
Maria v. Weber, der 1816 „Fidelio“
alle musikalischen Ereignisse, zumal Ouver¬
n der Musikstadt Prag erfolglos eingeführt
turen, Sinfonien und andere Orchesterwerke
hatte. Die Mehrheit der Berliner Theater¬
oft ohne besondere Ankündigung zur Ein¬
und Musikgemeinde aber fühlte das Große
leitung der Theatervorstellungen oder als
des Werkes heraus und jubelte der Neuheit
Zwischenaktsmusik neu aufgeführt wurden.
begeistert zu. Der Zettel kündigte die Erst¬
So ist am 26. Februar 1813 Beethovens
aufführung (in dem alten, 1843 abgebrannten)
Ouverture „Zu Egmont“ gespielt worden,
Opernhause folgendermaßen an:
aber nicht zu Goethes Dichtung, die von
Königliche Schauspiele
hrem ersten Erscheinen im Jahre 1801 an
Mittwoch, den 11. Oktober 1815
bis 1819 mit der von Kapellmeister Reichardt
Zum Erstenmale:
dazu komponierten Musik gegeben wurde.
„Vorgestern habe ich Beethovens Ouverture
Fidelio
zum „Egmont“, recht gut ausführen hören“
Oper in zwei Abtheilungen,
nach dem
berichtete am 27. Februar 1813 der Direktor
französischen, von F
Treitschke.
Musik vom Herrn van
eethoven.
der Berliner Singakademie und Begründer
Personen:
der
„Liedertafel“ Karl Friedrich
Don Fernando, Minister
Hr. Beschort
Zelter, seinem Freunde Goethe nach
on Pizarro, Gouverneur eines
Weimar. „Von Rechtswegen müßte jedes
Staatsgefängnisses
Hr. Blume
bedeutende Deutsche Theaterstück seine eigene
Florestan, ein Gefangener
Hr. Eunike
Leonore, seine Gemahlin, unter
Musik haben, Es läßt sich kaum berechnen,
dem Namen: Fidelio
Mad. Schulz
wieviel Gutes daraus entstehen könnte für
Rokko, Kerkermeister
*
Herr Wauer
Dichter, Komponisten und Publikum.
*
Marzelline, seine Tochter
Mlle. Sebastiani
*
Diesmal ward die Ouvexture ohne das Stück
aquino, Pförtner
Herr Rebenstein
Hauptman.
Herr Rüthling
* „ „ „ „
gehört, wie der sel. Giela immer den Hut
Friedrichs des Großen vorzeigte.
Die
Die ersie Leonore auf Berlins weltbe¬
Ouverture aus f-moll kündigt in einer Folge
deutenden Brettern war also Frau Josephine
insterer Akkorde eine Tragödie an, geht in
Schulze, geb. Killitschgy, nicht (wie so
ein republikanisches Wesen über, dem das
oft behauptet wurde) Anna Milder. Auch
Kriegerische nicht fehlt, wird wohl= und
Josephine Killitschgy, die 1812 den Juristen
wehmütig, träumerisch, tumultuarisch und
Schulze geheiratet hatte, war aus Wien
endet siegreich. Ein Verdienst mehr an
gekommen und „glänzte als Bravour¬
dieser Musik ist das Zeitgemäße: Sie ist
und Koloratursängerin durch ihre gewaltige
gerade so lang, als ich sie wünschte, und die
Stimme, ihre vollkommene Schule und per¬
erste Szene schließt sich recht gut an das
lende Koloratur“. Nach verschiedenen zeit¬
Ende der Ouverture an.“
genössischen Zeugnissen war sie eine vor¬
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