II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 777

erlassen liefert man den Franzosen ganz unnötigera
Weise nur billige Vorwände, um auf unseren, noch
immer die Nachbarn bedrohenden, gefährlichen Mili¬
larismus hinweisen zu können. Also wozu? Nein,
nein, es zeigt sich immer aufs Neue, politische Klug¬
heit ist bei unseren Generalen wenig vorhanden. Und
Herr von Seeckt ist noch der verständigsten einer.
Und nun kommt unserer an dieser Steile zu wieder¬
holten Malen ausgesprochenen Ansicht über den Krieg
auch noch Sraf Bernstorff zu hilfe. In einem Auf¬
sehen erregenden Artikel -nildeutsche Geschichts¬
fälschunge weist er klipp und klar nach, daß unser
armes Daterland dem Kriege und der
Niederlage entgangen wäre, wenn es
bei uns niemals eine alldeutsche Agi¬
tation Presse und Publizistik gege¬
ben hätte. Leider können diese post festum er¬
schienenen Weisheiten unserem armen Dolk wenig mehr
nützen. Der Sozialismus hat einstweilen gründlich
versagt. Das ist klar. Korruption und Stellenjägerei
sind noch immer in obilster Blüte. Die allgemeine
Unzufriedenheit hat einen gefährlichen Grad erreicht.
Das wird werden? — Im Großen Schauspiellhaus
gibt man jetzt -Florian Geuers. Darin wird gezeigt,
wie schon einmal vor 400 Jahren Ritter und junker
über das revoltierende Bauernoolk, weil es schlecht
ausgerüstet, zu geringerer Sahl und obendrein unter
sich uneinig warr einen leichten Sieg davon trug und
die Unbotmäßigen zu Paaren trieb. — Soll's wieder
so kommen? Es scheint fast so. Die Herrenkaße¬
wartet auf ihre Stunde.
Willhafn.
Glossen zum Reigen.
Man kann der Direktion Eysoldt=Sladek zunächst
gratulieren. Der Reigen ist freigegeben, und so sind die
derzeitigen Verwalter des Kleinen Schauspielhauses in der
Fasanenstraße auf ein Jahr und vielleicht auf länger hin¬
aus aller Repertoir=Sorgen enthoben. Das ganze intellek¬
tuelle Berlin und alles, was sich dazu zählt oder gezählt
werden möchte, wird sich diesen Schnitzler angesehen haben
wollen.: Und wahrlich, es lohnt sich. Ueine Furcht, man
wird nicht verdorben. Und obwohl es in diesen zehn Dia¬
logen um die allerheikelsten Dinge geht, es erhebt sich an
keiner Stelle ein Anlaß zu moralischer Entrüstung. Die
ehemaligen Residenz=Theater=Zoten und =Zötchen=durfen=mit
diesen von einem echten Dichter dem Leben abgelauschten
Liebesdialogen garnicht in Vergleich gezogen werden. In
dem Augenblick wo das Zwiegespräch stockt und das
Menschliche, Allzumenschliche in Aktion treten soll, senkt
sich unter sanften Mlusikklängen wohltätig der Schleier -
— und hebt sich eigentlich, nach meinem Empfinden,
ein wenig zu schnell wieder. Der Zuschauer und gespann¬
teste Hörer ist überrascht, und eh noch die Wahrnehmung
und Erkenntnis des Mysteriums, das sich hinter dem
Schleier vollzieht, in unser Bewußtsein gedrungen, geht
der Dialog schon wieder weiter. Von Seiten des Männ¬
chens ein wenig gelähmt, ernüchtert und unbeschwingt, von
Seiten der Mädchen und Frauen noch immer girrend,
liebeheischend, nach Wiederholung lechzend, und da der
Partner keine Miene dazu macht oder Lust dazu zeigt, mit
Dariete und Kino.
nem Schuß Sentimentalität. Nur die Schauspielerin ist
frei von Empfindelei. Sie entläßt ihre Liebhaber mit einem
befriedigten Gefühl heiterer Zufriedenheit und stezen Ge¬
ättigtseins. Sie buhlt nicht um die Gunst ihrer Verehrer,
sie verschenkt sich und kennt danach weder Rene noch Be¬
bauern. Die Liebe und der Liebeskult gehören sozusagen
zu ihrem Beruf. Sie würde, mit moralischen Maßstäben
gemessen, in diesem Reigen fallender und gefallener Mäd¬
chen und Frauen zweifelsohne am schlimmsten abschneiden.
Es ist das leichtsinnige, genußfrohe und oberflächliche
Wien, das in diesen zehn ineinander verschlungenen Dia¬
logszenen an uns vorüberzieht. Anatelluft umwittert uns
und Einleitung und Ausklang dieser in den verschiedensten
Dariationen immer nur um den einen Punkt tändelnden
Gespräche verraten wieder den feinen Psychologen und
menschenkundigen Seelenanalythiker, als den wir Schnitzler
seit einem Menschenalter verehren. Man unterhält sich
zwei Stunden unter lächelndem und prickelndem Behagen
auf das Allerbeste. Schrecker war übel beraten, als er
gegen diese charmanten und liebenswürdigen erotischen
Niedlichkeiten mit moralischem Furor zu Felde zog. Das
hieße mit Kanonen auf Kolibris und Goldfasanen schießen.
Die Sache ist mit femnabgewogenem Takt und Geschmack
inszeniert und in einen stimmungsvollen Rahmen gefaßt.
Gespielt wird durchweg passabel. Kurt Götz ragte hervor
und Schwanneke war voll behaglichstem Humor. Auch
die Damen fast durchweg einwandfrei. Nur den Dichter
hälte mancher und manche sich anders gewünscht. Näment¬
lich die schöne Frau an meiner Seite mit den rätselvollen
Axenaugen war unzufrieden. Es nützte mir wenig, daß
ich immer wieder versicherte, Schnitzler selbst hätte diesen
Darsteller gewünscht. Sie ließ sich nicht beschwichtigen
Schon sein Aeußeres mißsiel ihr: Das ist ein behäbiger,
nüchterner Bourgois, aber kein Dichter. Ich wünschte für
diese Figur ein Gemisch von Snob und ziersamen Schön¬
ling mit einem Auflug von Selbstironie. Alles darf diese
Figur sein, nur nicht uninteressant. Dann werden auch
die impulsiven Anwürfe und Ausbrüche der Schauspielerin
viel wirksamer als angesichts dieser banalen Trockenheit.
Ein poetischer Gipfel= und Höhepunkt in dem bunten Spiel,
eine Art Oskar Wilde=Figur, müßte dieser dichtende Dandy
ein u. s. w. — Nun, glücklicher weise stellte der Dar¬
steller des Grafen, Stil und Stimmung ganz im Sinne
meiner eben so verführerischen wie gefährlich klugen Nach¬
barin wieder her und man schied in der angeregtesten und
zufriedensten Laune. —— Das Theaterchen in der Fa¬
lauenstraße wird sich in den nächsten Wochen und Mon¬
den wohl immer als viel zu klein erweisen, um all die
Neugierigen, die sich diese Schnitzlerschen Liebesspiele an¬
sehen wollen, unterzubringen. Herr Kaindl, der getreue
Adlatus Sladeks, kann mir heute schon leid tun und mag
sehen, wie er diesem Ansturm gerecht-wird. — Ueber den
Reigen, der gewiß Schnitzlers originellstes, kühnstes und
lebenssprühendstes poctisches Capricio, das er je in schöpfe¬
rischer Lanne geschaffen, wird gelegentlich der hundertsten
oder dreihunderisten Wiederholung noch mancherlei zu
sagen sein. Für heute nur dies: In der bildenden Kunst
hat die Malerei sich wohl am, öftesten des Stoffes bemäch¬
tigt. In sämtlichen Galerien Emopas wimmelt es von
Danaen, Leda's, Jos und anderen Opfern des göttlichen
Wüstlings. Wir sehen sie oft inmitten ihrer Extasen.
Der junge Schiller schrie: „Laura, nenne mir den Wir¬
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