II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 833

11. Reigen
box 18/1
Spielzeit 1920/21
Heft 1
Das Kleine Schausplelhaus
INHALTS-UEBERSIC HT:
Schnitzler und sein „Reigen“ von Stefan Großmann.
Gutachten des Herrn Prof. Alfred Klaar./ Gutachten
des Herrn Emil Lind. Urteil des Landgerichts Ill
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über Schnitzlers „Reigen“.
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Schnitzler und sein „Reigen“
von Stefan Großmann.
Arthur Schnitzler, viele Jahre lang der mondäne Dichter Wiens,
Sohn eines berühmten Gelehrten, selber Arzt, gute Erscheinung,
nicht ohne ganz leise und deshalb annehmbare Selbstgefälligkeit,
in der Konversation still, wohlerzogen, von angenehmem, feinem
Witz, guter Musiker, Weltmann, in behaglichen wirtschaftlichen
Verhältnissen, nicht arm, aber auch nicht reich, und zu alledem
noch ein bischen Melancholiker, mit einer Stirnlocke, die pessi¬
mistisch in das sanft gerundete Gesicht fällt. Einmal sah ich eine
Kinderphotographie von ihm, da stand er in einem Sammetanzug
da. Den Sammetanzug hat er nie ganz verloren. Er hat sich nie
im Sande oder Schmutz herumgebalgt, er schlich immer ein wenig
beiseite, Knabe im Sammetanzug.
Es versteht sich, daß ein hübscher liebenswürdiger junger Mann
von solchen Gaben und Eigenschaften in Wien die Schätzung der
Frauen fand und da er bester Bourgeoisie entstammte, von politischen
oder religiösen ldealen nicht besessen war, so, war nichts natür¬
licher, als daß ihn von allen Themen des Lebens eigentlich keines
interessierte außer dem Thema: Femininum.
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1862 ist sein Geburtsjahr. Am 15. Mai dieses Jahres feiern wir
seinen 60. Geburtstag. Das bedeutet, daß seine literarische Werdezeit
in die achtziger Jahre fiel. Es ist für den allzeit formsicheren
Schnitzler charakteristisch, daß er nie in den trivialen Naturalismus
fiel. Entscheidend dürften eben doch französische Einflüsse gewesen
sein. Nicht russische. Man kann zwischen dem Antlitz des älteren
Alfonse Daudet und dem Gesichte Arthur Schnitzlers einige Aehn¬
lichkeiten feststellen. Beide sind hommes à femmes. Beide sind
Melancholiker, beide sind von liebenswürdiger Bitterkeit und beide
tragen, über eine weltstädtische Gemütsphilosophie hinausstrebend,
Keime einer zarten, ernsten, weitherzigen Moral in sich. Man darf