11. Reigen
box 18/1
DAS KLEINE SCHAUSPIELHAUS
Schnitzler betrachtend, nicht vergessen, daß er nicht nur äußerlich
Arzt war. Das Arztsein liegt ihm im Blute, deshalb hat das
Todesproblem von Anfang an in seiner Welt eine starke Rolle gespielt.
Man lese seine Jugenddichtung „Sterben“, die ungefähr zur selben
Zeit wie die „Liebelei“ entstanden ist. Immer schwingt in seinem
Werke dieser schwarze Grundton mit. Er bleibt darum als
Genießender immer noch ein Reflektierender. Er philosophiert
noch im Bett.
Sein erster dramatischer Versuch war der „Anatol“, Das sind
Szenen aus dem Leben eines Wiener Müßiggängers, der mindestens
die eine Kunst besitzt, auf eine nicht gemeine Weise müßig zu
sein — eine solche Tugend muß in einem Lande und in einer
Epoche der Arbeit besonders gerühmt werden — wie viele Deutsche
verstehen sich noch auf die edleren Künste des Müßigganges?
Und morgen werden Produktivität und Ueberfluß, die in der Kultur
der Fäulheit steckten, ganz untergegangen sein, wenigstens für
dies Jahrhundert. Vom „Anatol“ bis zu dem letzten „Casanova“¬
Lustspiel Schnitzlers, das ist von einer Schaffenszeit, die etwa
um 1890 begann und 1920 noch nicht erlahmt war, hat Schnitzler
immer nur um die Liebe und den Tod, der zu ihr gehört, herum¬
gedichtet. Werke wie „Der junge Medardus“, in denen er sich
von seinem Thema entfernt hatte, sind ihm auch nur bruchstück¬
weise geglückt. Seine rundesten Arbeiten waren dem Phänomen
der erotischen Leidenschaft gewidmet, vom „Anatol“ zur „Liebelei“
von den „Lebendigen Stunden“ bis zum „Einsamen Weg“.
Hat
er im „Anatol“ die kleinen Affären des „jungen Herrn“
aus
gutem Wiener Haus gemalt, so hat er in der „Liebelei“
das
Trauerspiel des „Süßen Mädels“ gegeben, in den „Lebendigen
Stunden“ hat er die durch Literatur entstandene Parodie auf
eine Liebestragödie dargestellt, im „Freiwild“ hat er sich mit
dem Liebesschicksal der Schauspielerin zum ersten Mal be¬
schäftigt.
Im „Reigen“ marschieren nun alle Schnitzlerfiguren seiner ero¬
tischen Komödien auf: Das süße Mädel, der junge Herr, die
anständige junge Frau, der Schriftsteller, die Schauspielerin usw.
Im „Reigen“ sind alle Schnitzlerdramen enthalten. Weil sie alle
erotische Komödien sind, deshalb finden sie im „Reigen“ Platz,
der die Extrakte aus ihnen gibt. Hier sind die Schnitzlerschen
Themen ohne lyrischen Aufputz mit einem philosophischen Cynis¬
mus gesehen, der den Szenen im Zusammenhang erst den Charakter
starker Geistigkeit gibt. In dem Parallelismus der Szenen liegt
ihre tiefere Bedeutung, unausgesprochen, in den Pausen zwischen
den Szenen. Hier kommt eine erste Altersgeste Schnitzlers zum
2
Vorschein. Ueber
sich wiederholend
legene Altersweishe
„Frühli
Ach,
Soldat und Dirne
Dienstmädchen, S
Sommer, Herbst
Schnitzlers „Rei
sehr traurige N
Lyrik, mit welcht
verrückbaren V
törichter als die
weil sie sich
im Gegentei
erotische
geht aus
denklich
objektivie
Kurze Be
zwingt, ü
zum De
box 18/1
DAS KLEINE SCHAUSPIELHAUS
Schnitzler betrachtend, nicht vergessen, daß er nicht nur äußerlich
Arzt war. Das Arztsein liegt ihm im Blute, deshalb hat das
Todesproblem von Anfang an in seiner Welt eine starke Rolle gespielt.
Man lese seine Jugenddichtung „Sterben“, die ungefähr zur selben
Zeit wie die „Liebelei“ entstanden ist. Immer schwingt in seinem
Werke dieser schwarze Grundton mit. Er bleibt darum als
Genießender immer noch ein Reflektierender. Er philosophiert
noch im Bett.
Sein erster dramatischer Versuch war der „Anatol“, Das sind
Szenen aus dem Leben eines Wiener Müßiggängers, der mindestens
die eine Kunst besitzt, auf eine nicht gemeine Weise müßig zu
sein — eine solche Tugend muß in einem Lande und in einer
Epoche der Arbeit besonders gerühmt werden — wie viele Deutsche
verstehen sich noch auf die edleren Künste des Müßigganges?
Und morgen werden Produktivität und Ueberfluß, die in der Kultur
der Fäulheit steckten, ganz untergegangen sein, wenigstens für
dies Jahrhundert. Vom „Anatol“ bis zu dem letzten „Casanova“¬
Lustspiel Schnitzlers, das ist von einer Schaffenszeit, die etwa
um 1890 begann und 1920 noch nicht erlahmt war, hat Schnitzler
immer nur um die Liebe und den Tod, der zu ihr gehört, herum¬
gedichtet. Werke wie „Der junge Medardus“, in denen er sich
von seinem Thema entfernt hatte, sind ihm auch nur bruchstück¬
weise geglückt. Seine rundesten Arbeiten waren dem Phänomen
der erotischen Leidenschaft gewidmet, vom „Anatol“ zur „Liebelei“
von den „Lebendigen Stunden“ bis zum „Einsamen Weg“.
Hat
er im „Anatol“ die kleinen Affären des „jungen Herrn“
aus
gutem Wiener Haus gemalt, so hat er in der „Liebelei“
das
Trauerspiel des „Süßen Mädels“ gegeben, in den „Lebendigen
Stunden“ hat er die durch Literatur entstandene Parodie auf
eine Liebestragödie dargestellt, im „Freiwild“ hat er sich mit
dem Liebesschicksal der Schauspielerin zum ersten Mal be¬
schäftigt.
Im „Reigen“ marschieren nun alle Schnitzlerfiguren seiner ero¬
tischen Komödien auf: Das süße Mädel, der junge Herr, die
anständige junge Frau, der Schriftsteller, die Schauspielerin usw.
Im „Reigen“ sind alle Schnitzlerdramen enthalten. Weil sie alle
erotische Komödien sind, deshalb finden sie im „Reigen“ Platz,
der die Extrakte aus ihnen gibt. Hier sind die Schnitzlerschen
Themen ohne lyrischen Aufputz mit einem philosophischen Cynis¬
mus gesehen, der den Szenen im Zusammenhang erst den Charakter
starker Geistigkeit gibt. In dem Parallelismus der Szenen liegt
ihre tiefere Bedeutung, unausgesprochen, in den Pausen zwischen
den Szenen. Hier kommt eine erste Altersgeste Schnitzlers zum
2
Vorschein. Ueber
sich wiederholend
legene Altersweishe
„Frühli
Ach,
Soldat und Dirne
Dienstmädchen, S
Sommer, Herbst
Schnitzlers „Rei
sehr traurige N
Lyrik, mit welcht
verrückbaren V
törichter als die
weil sie sich
im Gegentei
erotische
geht aus
denklich
objektivie
Kurze Be
zwingt, ü
zum De