II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 845

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Reigen
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Hefte des Neuen Schauspielhauses
Königsberg Pr. / Direktion: Richard Rosenheim
3. Jahrgang
Sonder=Nummer
Dezember 1921
Herausgeber: Dr. Wolff von Gordon Verlag: F. A. Herrmann, Königsberg
Schnitzler und sein „Reigen“.
Von Stefan Großmann.
Arthur Schnitzler, viele Jahre lang der mondäne Dichter Wiens,
Sohn eines berühmten Gelehrten, selber Arzt, gute Erscheinung, nicht
ohne ganz leise und deshalb annehmbare Selbstgefälligkeit, in der Kon¬
versation still, wohlerzogen, von angenehmem, feinem Witz, guter Musiker,
Weltmann, in behaglichen wirtschaftlichen Verhältnissen, nicht arm, aber
auch nicht reich, und zu alledem noch ein bißchen Melancholiker, mit einer
Stirnlocke, die pessimistisch in das sanft gerundete Gesicht fällt. Einmal
sah ich eine Kinderphotographie von ihm, da stand er in einem Sammet¬
anzug da. Den Sammetanzug hat er nie ganz verloren. Er hat sich nie
im Sande oder Schmutz herumgebalgt, er schlich immer ein wenig beiseite,
Knabe im Sammetanzug.
Es versteht sich, daß ein hübscher liebenswürdiger junger Mann
von solchen Gaben und Eigenschaften in Wien die Schätzung der Frauen
fand, und da er bester Bourgeoisie entstammte, von politischen oder reli¬
giösen Idealen nicht besessen war, so war nichts natürlicher, als daß ihn
von allen Themen des Lebens eigentlich keines interessierte außer dem
*
Thema: Femininum.
1862 ist sein Geburtsjahr. Am 15. Mai dieses Jahres feiern wir
seinen 60. Geburtstag. Das bedeutet, daß seine literarische Werdezeit in
die achtziger Jahre fiel. Es ist für den allzeit formsicheren Schnitzler
charakteristisch, daß er nie in den trivialen Naturalismus fiel. Entscheidend
dürften eben doch französische Einflüsse gewesen sein. Nicht russische. Man
kann zwischen dem Antlitz des älteren Alfonse Daudet und dem Gesichte
Arthur Schnitzlers einige Aehnlichkeiten feststellen. Beide sind hommes
à femmes. Beide sind Melancholiker, beide sind von liebenswürdiger
Bitterkeit und beide tragen, über eine weltstädtische Gemütsphilosophie
hinausstrebend, Keime einer zarten, ernsten, weitherzigen Moral in sich.
Man darf Schnitzler betrachtend, nicht vergessen, daß er nicht nur äußer¬
lich Arzt war. Das Arztsein liegt ihm im Blute, deshalb hat das Todes¬
problem von Anfang an in seiner Welt eine starke Rolle gespielt. Man
lese seine Jugenddichtung „Sterben“, die ungefähr zur selben Zeit wie die
„Liebelei“ entstanden ist. Immer schwingt in seinem Werke dieser schwarze
Grundton mit. Er bleibt darum als Genießender immer noch ein Re¬
flektierender. Er philosophiert noch im Bett.
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