II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 872

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Reigen
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Klose & Seidel
Bureau für Zeitungsausschnitte
Berlin NO 43, Georgenkithuntegt. u
Zeitung:
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Ort:
Datum:
„Der Kampf um den „Reigen“,
Von
Viktor Helling.
Da Schutters „Reigen“, der dem Künster heitge.
Geht hin und her der Zank
Wer beispielsweise hatenkreuz=parteilich,
Verdammt ihn durch die Bank.
Netreicht, das ihr ein höhrer Kunstsnm eigen.
Der überlauten Schar,
Dir, wie man weiß, von je ein holder Reigen
Im Tanz des Lebens war.
Sie, die so vieles Hehre erbgepachtet.
Geschmack und andern Kram,
Belleicht hat mehr ste, als ihr alle dachtet,
Auch noch in Pacht die Scham.
und mag die auch mitunter dort grad sehlen.
Wo sie uns andre brennt
dier sind die Edlen, die so gern kratelen,.
In ihrem Element!
Wie
eat man docht . Den Reinen, dem ist alles
Richts anderes als rein.
Ein Schnüssel=Schwein, diametralen Falles,
Alt noch kein Trüffelschwein.
Klose & Seidel
Bureau für Zeitungsausschnitte
Berlin NO. 43, Georgenkirchplatz 21
113
Zeitung:
Berlin
Ort:
Datum:
hn
Neues vom „Reigen'=Skandal.
Das Theaterstück der „Reigen“ von Schnitzler darf
trotz alley Einsprüche den Nutznießern des Sitrenvekfälls noch
immer Tag für Tag als ergiebige Geldquelle dienen.
Seit einigen Wochen gibt man den Besuchern mit dem
Theaterzettel ein Heft in die Hand, in dem das Lob dieser
Schmutzerei von literarischen Größen besungen wird, in dem
man höre und staune!
— auch ein Urteil der 6. Zivil¬
kammer des Landgerichts III zu Berlin abgedruckt ist, das
diese Aufführung als „eine sittliche Tat“ verherrlicht
Dieser in deutschen Landen wohl unerhörte Richterspruch
muß in hohem Maße als „modern" bezeichnet werden. Mehr
noch als der Mangel jedes tieferen sittlichen Tinstes be¬
fremdet der Hereinfall des Gerichtes auf die Mache der ge¬
schäftskundigen Theaterleitung, von der ihre Freunde bisher
wohl nur behauptet hatten, daß sie der Kunst dienen wolle.
wenn sie mit der Spekulation auf die niedrigsten Triebe des
Schaupöbels ihre Kasse füllt. Einem preußischen Gericht blieb
es vorbehalten, das Tun dieser Leute auf eine
sittliche Absicht zurückzuführen. Herr Sladel
und Frau Eysoldt als Vorkämpfer der Sittlichkeit! —
neues ungewohntes Bild in der Neu=Berliner Kultur, zweifel¬
los von eigenartigem Reiz.
Die Stelle in dem Urteil lautet:
Die Wirkung der Aufführung soll nach der erklärten Absicht
der Direktion gipfeln in der Erzielung eines sittlichen Ekel¬
vor dem Tiefstand der Haltung weitester Bevölkerungsschichten
auf dem Gebiete des Geschlechtslebens. Auf diesen Erfolg is
jede Einzelheit berechnet. Dieser Erfolg wird bei jedem reifen
gebildeten Zuschauer auch erzielt. Vor allem beruht diese Wir¬
kung auf der ernsten Hingabe der Direktion an ihre Aufgabe
und auf ihrer überlegenen Kenntnis der Wirkung der szenischen
Darstellung.
Demnach sollte man meinen, wäre der weitere Kampf
gegen die Schmach der öffentlichen „Reigen“=Aufführung hoff
nungslos.
— Die Polizei hat ja auch noch keinen Anlaß zum
Einschreiten genommen, obwohl der Minister des Innern
immer wieder betont, daß die Wahrung der öffentlichen
Ordnung gemäß § 10, II, 17 des Allgemeinen Landrechts
ihm auch nach Aufheben der Vorzensur pflichtgemäß am
Herzen liege. Er mochte sich ja wohl durch das ermän#
einzigartige Urteil zum völligen Gewährenlassen des Un¬
zuchtstückes ermutigt sehen. Was aber gedenkt die Polizei
jetzt zu tun, nachdem eine entscheidende Wendung
in der rechtlichen Beurteilung der „Reigen“=
Aufführung eingetreten ist?
Im ausgesprochenen Gegensatz zu dem Urteil der
6. Zivilkammer des Landgerichts IlI ist nämlich der General¬
staatsanwalt beim Kammergericht der Meinung, daß die
Aufführung des „Reigen“ als objektiv un¬
züchtig anzusehensei. Und dieser Auffassung stimmt
der Justizminister zu. Wenn aber schon eine Schaustellung
als unzüchtig von den höchsten maßgebenden Stellen ange¬
sehen wird, so ist damit die Grenze des unter dem Gesichts¬
punkt der öffentlichen Ordnung nach § 10, II, 17 des Allge¬
Die
meinen Landrechts Zulässigen weit überschritten.
Polizei hat zweifellos jetzt die unabweisbare Pflicht, sofort
die weitere Aufführung zu untersagen und sie nicht etwa
deswegen zu dulden, weil schon mehrere hundert Vor¬
stellungen ohne behördliche Beanstandung stattgefunden
haben. Das mag eine für die Behörde unangenehme Tat¬
sache sein und als solche eine interne Angelegenheit der
Polizei. Die Oeffentlichkeit hat zweifellos das größte Inter¬
esse daran, daß nun endlich einmal gegen den Skandal ein¬
geschritten und die Staatsautorität gegenüber
ihren schamlosen Verächtern gewahrt wird.
In diesem Zusammenhange sei darauf hingewiesen, daß
vor kurzem beim Schöffengericht Charlottenburg die Be¬
leidigungsklage des Polizeipräsidenten gegen eine tapfere
Frau, Klara Müller aus Steglitz. zur Verhandlung kam, die
im Zusammenbang mit den bekannten skandalosen Vor¬
gängen des 22. Februar stand. Damals war zum Schutz der
Ansiirer, die mangels