II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 884

11.

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Dr. Johannes Eckardt: Chronik der Kunst und Wissenschaft.
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—.
sierenden Ton um seine Wirkung
ge¬
Im Zusammenhange damit möchten
bracht wird. Im Gegenteil! Die über¬
wir auf den „Totentanz 1921“ von Leo
wiegende Mehrzahl der Zuschauer wird
Weismantel hinweisen. Wir haben in
diesen ironisierenden Ton nur mißver¬
der „Chronik“ von dem Dichter wiederholt
stehen, wird vielleicht mit ihm über das
schon gesprochen. Wir erwähnten auch
Gegenständliche schmunzeln und sich daher
den Erfolg seines Heimatspieles in der
aber doch hauptsächlich an dem rein Stoff¬
Rhön vom Sommer 1921. Nun hat Weis¬
lichen unterhalten. Wir dürfen uns doch
mantel einen Bilder=Zyklus in dramatischer
über die Wirkung solcher Aufführungen
Form geschaffen, dem man den Titel
keiner Täuschung hingeben. Je raffinierter
„Der Totentanz 1921“ gab, und den man
ie gemacht werden, und je mehr Geist,
in der alten Meistersinger=Kirche, der Katha¬
Witz und Ironie an ihnen formte, desto
rinenkirche in Nürnberg, zur Uraufführung
bedenklicher ist die Wirkung.
Und was
brachte. Weismantel stellt den Tod mitten
nützt uns schließlich auch vom rein künst¬
in das Leben unserer Gegenwart.
Um
lerischen Standpunkt gesprochen eine noch
einige
seiner Bilder herauszugreif
en:
so gepflegte Form für derartige Stoffe,
Bauern sitzen mit Regierungsvertretern
zu¬
wenn die Wirkung einer solchen Auffüh¬
sammen und wollen eine wesentliche
Er¬
rung auf die weitesten Zuschauerkreise
höhung des Milchpreises erreichen.
Sie
zum mindesten dahin geht, daß die heilige
kümmern sich nicht um die Not der Städter,
Scham vor solchen Dingen, die Ehrfurcht
sondern um die Möglichkeit des Verdienstes.
vor den menschlichen Beziehungen der
Da tritt der Tod in ihren Kreis. Der
Liebe ihrer Köstlichkeit und Zartheit ent¬
kleine Bauernjunge will vom Baume
kleidet wird.
Die heutige Zeit mit all
Apfel pflücken; es sind aber Totenköpfe.
ihrem krassen, egoistischen Materialismus
Die Quelle gibt kein frisches Wasser mehr,
fordert mehr denn je eine Verinnerlichung
sondern nur rotes Blut; die Kuh keine
des persönlichen Lebens, eine Vertiefung
Milch, sondern Blut. Kurzum, das Dä¬
des rein Menschlichen, eine bewußtere,
monische,
Schreckliche des unerbittlichen
seelische Erfassung der Beziehungen zwischen
Todes greift in dieses egoistische Bauern¬
Mensch und Mensch, zwischen Mann und
leben. Ein anderes Bild: der Pressekönig.
Weib. Nur aus einer solchen innigen Ver¬
Er sitzt wie eine Spinne in seinem Gewebe,
bindung kann neuer Geist werden; diese
beherrscht den Börsenmarkt, die öffentliche
Innigkeit, dieses scheue Bewußtsein um
Meinung und glaubt, ein Herrscher zu
die Wunder der Liebe sollte heute mehr
sein, gegen den es keine Gewalten gibt,
denn je unausgesprochen bleiben und dar
bis der Tod auch ihn zwingt, über sich eine
niemals zum Gegenstand theatermäßiger
höhere Macht anzuerkennen. Weismantel
Unterhaltung herabgewürdigt werden.
bringt Bilder aus dem Schützengraben,
Wenn dieses Bewußtsein stärker und
aus dem Alltagsleben in der Familie,
aktiver wird, dann wäre wohl auch der
Bilder, die immer unmittelbar aus unserer
Boden für deutsche Kultur aufgeackert;
Zeit genommen sind, und die daher viel
das Unkraut könnte ausgejätet, der gute
tiefer wirken als irgend eine legendäre
Same gestreut werden. Die Ansätze dafür
entzeitlichte Belebung eines ähnlichen
mehren sich. Allenthalben findet man in
Stoffes. Weismantels sichrer Blick für
den Spielplänen der großen und kleinen
Wirkungen, vor allem sein unleugbarer
Theater ernste Stücke, die an die letzten
Instinkt für das Theater verstehen es,
Fragen des Lebens greifen. Es mehren
Bilder von höchster Lebendigkeit zu schaffen.
sichldie Versuche, alte Legendenspiele zu
Der dämonische Einschlag seinerdichterischen
erneuern.
Es mag sein, daß hier viel
Begabung kommt diesem Stoffe besonders
Modestimmung mit entscheidet und mit¬
zugute.
Das Bildhafte ist entschieden
unter vielleicht das eigentlich Schöpferische
sicher gesehen, wenn es auch ideell nicht
aus dem Leben der Zeit heraus fehlt.
bis ins Letzte ausgeschöpft, abgerundet,
Jedenfalls aber dürften diese Symptome
geformt erscheint.
Aber all diese mit
nicht unterschätztswerden. Es kommt ja
wenigen Strichen hingezeichneten Eindrücke
dazu, daß einzelne Werke dieser Art bereits
beweisen ein ernstzunehmendes dramatisches
versuchen, aus dem unmittelbaren Erleben
Talent, das durch die überaus sorgfältig
der Zeit, der Gegenwart heraus diese
vorbereitete Nürnberger Uraufführung nur
Fragen der Zeitlichkeit zu beantworten.
noch deutlicher in Erscheinung trat.
Dr. Johannes Eckardt, München.
SSSPGS
Sesegerr