II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 892

11.
Reigen
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Neues vom Tage.
Lesser Ary Ehrenmitglied der Berliner
Sezession.
Zum heutigen 60. Geburtstag Lesser Urys
drängten sich bereits vom frühen Morgen ab
im Atelier am Nollendorfplatz Gratulanten mit
Blumen und Geschenken. Die bedeutsamste
Ehrung wurde dem Jubilar zuteil, als gegen
1 Uhr eine Vorstandsabordnung der Berliner
Sezession unter Führung des Präsidenten Lovis
Corinth erschien, bestehend aus den Herren
Spiro, Oppenheim, Roeßner, und Ury mit den
herzlichsten Glückwünschen der Sezession eine
von dem Maler Fritsch geschriebene Urkunde
überbrachte, durch die die Sezession Lesser
Ury zu ihrem Ehrenmitglied ernannte
Der Vorsitzende verlas den Wortlaut der Ur¬
kunde: „Hochverehrter Herr Kollege! Der Künst¬
er, der sein Leben lang ohne Rücksicht auf
Modeströmungen und Tageserfolge unbeirrt
seinen eigenen Weg geht, ist uns ein Vorbild.
In dieser Erkenntnis hat die Berliner Sezessior
Sie, sehr verehrter Meister, in ihrer General¬
versammlung vom 1. November 1921 zu ihrem
Ehrenmitgliede ernannt.“ Der Jubilar ant¬
wortete, sichtlich gerührt, in herzlichen Wor¬
ten,
Tödlicher Straßenunfall.
Gestern in den Abendstunden wurde vor dem
Hause Wilhelmshavener Straße 53
eine unbekannte, dem Arbeiterstande angehörende
etwa 65 Jahre alte Frau von einem Auto¬
mobil überfahren und getötet. Das Auto¬
mobil fuhr davon, ohne daß der Schofför sich um
die Frau gekümmert hätte. Die Leiche wurde
nach dem Schauhause gebracht.
Personalien.
Aus den Familienanzeigen der
„Bossischen Zeitung“:
Als Verlobte emp¬
fehlen sich Fräulein Eva Schlamm und Herr Otto
Hirschfeld, Fräulein Käthe Rosenthal und Herr Fritz
Leyser, sowie Fräulein Hildegard Landshoff und Herr
Karl Lauinger,
Ihre Vermählung geben bekannt
Herr Franz Dispeker (Nürnberg) und Frau Grete geb.
Nathanson, sowie Herr Kurt Richter und Frau Eyc
geb. le Viseur. — Die Geburt einer Tochter melden
Herr Hans Knoche und Frau Grete geb. Loewenthal,
Herr Arthur Fraenckel (Zürich) und Frau Kläre
zeigen die Geburt eines Sohnes an.
Bei einem Raubüberfall erschossen.
In Lauenhagen bei Strasburg in der
Uckermark ist in der Nacht zum Sonntag die
Frau des Vorschnitters Wlaczek das Opfer
eines Raubüberfalls geworden. Vier unbekannte
bewaffnete Räuber waren plötzlich in die Woh
nung des Vorschnitters eingedrungen, um sie
auszuplündern. Da Wlaczek sich zur Wehr setzte
kam es zu einem Kampf mit den Verbrechern,
bei dem die Ehefrau des Vorschnitters er
schossen wurde. Die Täter sind, da poli¬
zeiliche Hilfe nicht gleich zur Stelle war, ent¬
kommen.
Da angenommen wird, daß es sich um Ber¬
liner Verbrecher handelt, hat die Ober¬
staatsanwaltschaft von Prenzlau die hiesige
Kriminalpolizei von dem Ueberfall in Kenntnis
gesetzt, die zur Aufklärung des Verbrechens sofort
die notwendigen Schritte eingeleitet hat.
Morgen Fridolin.
Der „Heitere Fridolin“. Nr. 2,
erscheint
morgen und ist überall auf der Straße
owie in
Buch= und Papierhandlungen
für 1
Mark zu
haben.
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Ebensowenig, ob jene Dame, deren religiöses Ge¬
fühl gegen die Sonntagsveranstaltung während
des Gottesdienstes protestiert hatte, sich anstatt
im Theater in der Kirche erbaut hat. Der „Rei¬
gen“ wird fortgesetzt. Schlußakt der Tragi¬
komödie Dienstag vormittag in Moabitz“ In
diesem Sinne schied man von der Stätte des
tan.
Die große Koalition im
Leich.
In einer Versammlungsrede, die der Reichs¬
wehrminister Dr. Geßler gestern in Dresden
hielt, erklärte er: Nachdem die Demokraten durch
ihren Rücktritt aus der Regierung in Preußen
den gordischen Knoten der Koalitionsfrage durch¬
hauen haben, dürfe die Hoffnung ausge
sprochen werden, daß nach dem Bei¬
spiel
Preußens sich auch im Reich
die große Koalition begründen werde
In sachlicher Beziehung, das heißt vor allem in
der Steuerfrage, war man bekanntlich in
den Verhandlungen zur Beilegung der Krise im
Reichskabinett auf bestem Wege. Der Beschluß des
Reichsverbandes der deutschen Indu¬
trie hat die Frage freilich nicht so gefördert,
wie es zu hoffen gewesen wäre. Aber der von
Tag zu Tag wachsende harte Druck der Tatsachen
wird die große Koalition auch im Reiche zusam¬
menschmieden. Von festen Verhandlun¬
gen kann zwar noch nicht gesprochen werden,
aber daß die Umbildung des Reichskabinetts nicht
mehr lange auf sich warten lassen kann, davon
ist man zumindestens bei allen bürgerlichen Par¬
teien überzeugt.
Zur Bildung des neuen preußischen Kabinetts
hören wir, daß der frühere Ministerpräsident
Stegerwald die Uebernahme des für ihn
offengelassenen Wohlfahrtsministeri¬
ums endgültig abgelehnt hat.
Im Handelsministerium wird wie¬
der der Posten eines Staatssekretärs ge¬
schaffen werden; bei der Bildung der Ministerliste
wurde vereinbart, daß auf ihn ein Mitglied der
Deutschen Volkspartei berufen werden soll.
Butterbrot mit Edelstein.
An der holländischen Grenze wurde ein
Brillantenschmuggler festgestellt, der dadurch
den Verdacht der Ueberwachungsbeamten
erregt hatte, daß er in ein Butterbrot eine
größere Anzahl loser Beillanten eingedrückt
hatte, um sie unauffällig über die Grenze zu
bringen.
Wenn Du noch eine Butter hast,
So danke wirklich Gott deswegen,
Und streich' Dein Brot damit zur Mast,
Statt Dir Brillanten draufzulegen.
Brillanten sind kein „Butterbrot“,
Ste sind geschaffen, um zu glänzen
Ob dem Belag Beschlag auch droht,
Kennt Deine List doch — keine Grenzen,
Eh Du verlassen unser Land,
Ist Dein Geheirinis längst verpfiffen,
Geschliffen ist wohl der Brillant,
Die Zöllner sind meist — ungeschliffen.
Sie wittern in der Schmiere —
Geld,
Und machen Deinen Plan zuschanden:
Man führt Dich, jeder Zoll ein Held,
Nach Diamantua in Banden.
Fort ist Dein Frühstücksappetit,
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