II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 896

Balead für Zeirungsausichnitte
Berlin NO. 45, Georgenkirchplatz 211
Neue Zeit
Zeitung: sun

Charlottenbure
Ort: unsentnnne
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Datum: -ene reine eeresee
Uelönkz-Oberrealschule, Schillerstr
125=127, eine
große öffentliche Kundgebung,
bei der der
Reichstagsabgeordnete für Oberschlesien, Regierungspräsident
Alexander Pohlmann, sprechen wird.
Der „Reigen“=Prozeß.
Sittlichkeitsapoftel und „empfindende“ Kunktfreunde.
Im Verlauf der Verhandlung gegen die Theaterdi##ktion
Eysolldt-Sladek wegen der Aufführung des Schnitzlerschen
Reigests, über deren Beginn wir in der gestrigen Abendausgabe
berichteten, stellte Staatsanwalt von Bradke den Antrag auf
Ausschluß der Oeffentlichkeit wegen Gefährdung der Sittlichkelt.
Nach Kurzer Beratung beschloß das Gericht, den Antrag des
Staatsanwaltes abzulehnen, da von einer öffentlichen Verhandlung
eine Gefährdung der Sittlichkelt nicht zu erwarten ist. —
In der
Vernehmung ernlärt die Angeklagte Fiau Eysold, daß sie jede
strafbare Handlung bestreiten und den Vorwurf.
er¬
was Unzüchtiges auf die Bühne gebracht zu haben mit aller Ent¬
chiedenheit zurückweisen müsse.
Der Angeklagte Direktor Sladek erklärt in seiner Ver¬
nehmung, daß er von einer ungeheuren Erregung gepackt worden
sei, als ihm vor einigen Wochen die Anklage zugestellt worden sei,
die in einem Tone gehallen sei, der ihn auf die glelche Skufe mit
einem Veranskakter von schwulen Nackttänzen oder einem Leiter
eines Bordells zu stellen versucht. Die Aufführung für das Ge
richt werde, so hoffe er bestimmt, auch den Herrn Staatsanwalt
umstimmen und ihn erkennen lassen, daß er sich auf einen Irrweg
habe leiten lassen. Er schilderke, wie schon vor der Premiere ein
von gewisser Seite inszeniertes Kesseltreiben gegen die Auffüh¬
rung des Reigen“ eingesetzt habe, welches dann auch zu dem be¬
kannten Zivilprozeß vor dem Landgericht III geführt habe. Als
die Vorstellungen begannen, wurden die bekannten Skandalszenen
usw. von bestimmter Seite eingeleitet. Der Angeklagbe verwahrt
sich nochmals mit aller Entschiedenhelt dagegen, daß das Schnißz.
lersche Werk unzüchtig sei, er wie die Darsteller hätten keine un¬
züchtigen Handlungen begangen. Auf eine Frage des Staatsan
walks von Bradke, welchen pekuniären Erfolg das
Stück gehabt habe, erklärk Sladek, daß der materiell Erfolh
bank der ausgezeichneten Neklame durch die
Staatsanhaltschaff und des Kuliasministel
riums ein guter gewesen sei.
Die mitangeklagten Darsteller wiesen den Vorwurf, auf der
Bühne unzüchtige Handlungen zur Darstellung gebracht zu haben.
mit Entrüstung zurück und heionen, daß nur derfenige, der sitt
lich unreif oder sittlich ansauber sei, etwas nichtkünst¬
lerlsches in der Darstellung finden könne. Zu leisen Heikerkeits¬
ausbrüchen, welche den Vorsitzenden zu einer Drohung mit der
Räumung des Zuhörerraums veranlaßte, kam es, als der Ange¬
klagte Forster die Tatsache, daß die Staatsanwaltschaft selbst
den Rythmus der Zwischenaktsmusik als auf unzüchtigen
Verkehr hinweisend bezeichnet, als die größte Erfindung
dieses Jahrhunderks bezeichnet. Das interessanfeste dabei
sei, daß er die „unzüchtige Musik im Jahre 1907, also vor 14
Jahren, als er den „Neigen“ noch gar nicht kannte, als „Valse
noir, als einen „bragischen Walzer“ komponiert habe.
Hiermit ist die Vernehmung den Angeklagten beendet und es
beginnf die Beweisaufnahme. Als erster Zeuge wird der
von der Staatsanwaltschaft geladene Geh. Reg.-Rat Prof. Fa߬
bender gehört, der zwel Aufführungen gesehen hat und empört
darüber gewesen ist, namenklich, da auch viele junge Pärchen zu¬
frten und die jungen Mädchen gewissermaßen gewaltsam der
Prostitution in die Arme getrieben werden. Die let Szene
abe durch die starke Realistik besonders drutal-unzüchtig gewirkt.
Rechtsanwalt Dr. Rosenbeiger stellt an den Zeugen die
rage, wie oft er ins Theaber gehe und wann er zuleßzt im Theater
ewesen sei.

Zeuge schweigl. Auf wiederholle Frage
rklört der Zeuge nach längerem Besinnen: Vor einem Jahr habe
chmir Das Gelübde“ angesehen. Die Titel andener Stücke sind
#entfallen. Vor längerer Zeit habe ich im Deutschen Theater
Hamlet gesehen.
Die nächste Zeugin, die 71jährige Frau von Broon
chweig, eine geborene Freiin, ist Vorsitzende des Berüiner
iechlich-sozialen Frauen-Vereins, des Berliner Frauenbundes zur
ebung der Sittlichkeit und ist im Ausschuß zur Hebung der Volks¬
ttlichkeit. Die Zeugin bekundet, daß die Mitalloder aller evan¬
felisch-kirchlichen Frauenvereine auf das höchste entrüstet gewesen
eien, daß ein derartiges Slück überhaupt aufgeführt werden dürfe.
Sie habe das Stück selbst nicht gesehen, aber sie habe An¬
stoß an den Plakaten genommen, auf denen von „Soidab und
Dirne“ die Rede war, da sie wiederholt jugendliche Personen vur

den Plakaben habe stehen sehen, dbe ihre Bemerkungen aus¬
dauschben.
Staatsanwaltsrat von Bradke regt an, daß die Separat¬
vorstellung am Sonntag für das Gericht usw. aus mehr kechnischen
Gründen unter Ausschluß der Oeffentlichkeit statt¬
finde. R.=A. Wolfgang Heine billet die Presse zuzulassen.
Der Staatsanwalk stimmte dem zu. Nach kurzer Beratung ver¬
kündet der Vorsißende, Landgerichtsdirektor Brennhausen,
daß das Gericht den Antrag des Staatsanwalts auf Ausschluß der
Oeffentlichkeit ablehne, da die Separatvorstellung in Gestalt einer
gerichtlichen Inaugenscheinnahme (Lokaltermin) an sich
keine
öfsenkliche Verhandlung darstelle. In dem Lokattermin sollen
nur wenige Pressevertreter zugelassen werden, welche ihre Namen
sofort zu Protokoll geben müssen. Hierauf wunde die Verhandlung“
abgebrochen und auf Dienskag 9 Uhr verfagt.