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box 18/2
Reigen
bewegung. Gegenwurtig ge
Zeugenaussagen im „Reigen“=Prozeß.
kaufen würde, so stände er stets mit einem Fuß im Gefängnis. Er
Eine Erklärung
gehöre keinem Jünglingsverein oder deutschvölkischem Verein an,
aber trotzdem müsse er sagen, ein solches Stück erzeuge eine
moralische Vergiftung. Diese unglaubliche Anhäufung
des Präsidenten des Bühnenvereins.
von Bettstellen, dieses Bettstellen=Karussel auf der Bühne, sei von
Nach eintägiger Ruhepause wurde heute vormittag vor der
zahlreichen älteren Leuten aus dem Volke als eine Schweinerei und
Strafkammer des Landgerichts III die Verhandlung im „Reigen“¬
Gemeinheit bezeichnet worden.
Prozeß fortgesetzt. Der Andrang ist auch heute wieder sehr stark,
Die Zeugin, Fabrikdirektorswitwe May bekundet, daß sie seit
so daß nur ein Teil des Publikums zu dem sehr kleinen Zuhörer¬
dreißig Jahren in der sozialen Frauenbewegung stehe. Sie sei
raum zugelassen werden kann.
Schriftführerin im Jüdischen Frauenverein und gehöre ferner dem
Verein zur Wahrung von Anstand und guter Sitte und dem Verein
Bevor in die Vernehmung der Zeugen eingetreten wird, gibt
für Volkswohlfahrt an. Sie habe das Stück schon vor zehn
Rechtsanwalt Wolfgang Heine folgende Erklärung ab: In der
„Täglichen Rundschau“ befindet sich in dem Bericht über die neu¬
Stück aufgeführt werden sollte. Sie schätze Frau Eysoldt fünstlerisch
liche Vernehmung des Barons v. Putlitz die Angabe, daß der Zeuge
sehr und könnte es verstehen, wenn das Stück als ein Experiment für
erklärt hätte, Frau Eysoldt habe keine künstlerischen Tendenzen
geistig gebildete Leute gegeben würde, das heißt für einen Kreis vo.
verfolgt, sondern nur geschäftliche Interessen. Das steht in der
Menschen, die diesem Experiment das erforderliche Verständnis ent¬
Zeitung, die in den Kreisen gelesen wird, von denen das Kesseltreiben
gegenbringen können. Daß aber ein derartiges Stück für das
gegen den „Reigen“ ausgegangen ist. Ich muß hier konstatieren,
Theaterpublikum, das
heutzutage das zahlungsfähigste ist
daß das eine glatte Fälschung ist, denn gerade das Gegenteil
und in
der Lage ist, häufiger ein Theater zu besuchen,
hat der Zeuge und Sachverständige v. Putlitz gesagt.
gespielt werde, halte sie für äußerst verderblich.
Landgerichtsdirektor Brennhausen: Wir wollen hier nicht
auf das eingehen, was in den Zeitungen über diesen Prozeß steht.
Ich persönlich habe mich jeder Lektüre der Zeitungen enthalten, um
mich in keiner Weise beeinflussen zu lassen.
Sprunghaftes Steigen der Indexziffer.
Rechtsanw. Wolfgang Heine: Ich bitte aber Exzellenz v. Putlitz
Emporschnellen aller Preise.
nochmals über diesen Punkt zu vernehmen, um
zu zeigen, daß
hier mit bewußter Entstellung, Verdrehung und Lüge gearbeitet
Berlin, 12. November. (W. T. B.)
wird.
Die Großhandelsindexziffer des Statistischen Reichs¬
Zeuge v. Putlitz, Präsident des Deutschen Bühnenvereins,
amts ist unter dem Einfluß der katastrophalen Mark¬
bestätigt nochmals, daß er unter allen Umständen anehmen müsse,
daß Frau Eysoldt in erster Linie künstlerische Interessen
entwertung von 2067 im Durchschnitt des Monats Sep¬
und erst in zweiter Linie geschäftliche Interessen verfolgt habe.
tember auf 2460 im Durchschnitt des Monats Oktober
Er halte Frau Eysoldt überhaupt nicht für fähig, unkünstlerische
emporgeschnellt. Die Preissteigerung ist allgemein;
Interessen zu verfolgen.
und zwar stiegen Getreide und Kartoffeln von 2016 auf 2380, Fleisch,
Als Zeuge bekundet Kuratus Heinrich Wienken: Er habe sich
den „Reigen“ angesehen. Er habe schon viel gesehen, aber seine Er¬
Fische, Fette von 1943 auf 2325; Kolonialwaren von 2817 auf 3099;
wartungen bezüglich der Unzüchtigkeit des Stückes seien
landwirtschaftliche Erzeugnisse und Lebensmittel zusammen von 2020
noch weit übertroffen. Er habe so großes Aergernis an den
auf 2417; ferner Häute und Leder von 3727 auf 4539; Textilien von
Schweinereien genommen, daß er mit dahin gewirkt habe, daß
3070 auf 4176; Metalle von 2036 auf 2965; Kahle und Eisen von 1830
die aus den zugunsten der Kinderhilfe an den Theatern acht Tage
auf 1885; Industriestoffe zusammen von 2155 auf 2539; die vor¬
lang gemachten Aufschläge zu den Preisen von den „Reigen“=Auf¬
führungen nicht angenommen werden sollen. Er halte das Werk
wiegend im Inlande erzeugten Waren Getreide, Kar¬
für direkt unzüchtig in allen seinen Szenen. Den Be¬
toffeln, Fleisch, Fisch, Fette, Kohle, Eisen von 1952 auf 2235; die
gründungen seiner Ansicht wird von der Verteidigung und dem
vorwiegend aus dem Auslande eingeführten Waren von 2643
Angeklagten Sladek — letzterer unter Betonung seines streng
auf 3585. Der Dollar stieg im Durchschnitt des Monats Oktober
katholischen Glaubens — energisch widersprochen. Längere Ausein¬
andersetzungen veranlaßt die Bemerkung des Sachverständigen
gegenüber September in Berlin um 42,9 v. H. Ihm folgten un¬
Brunner, der behauptet, daß von dem Kleinen Schauspielhaus
mittelbar die Einfuhrwaren mit einer Preissteigerung um
die Abgabe des Zuschlages zugunsten der Kinderhilfe zu besonderer
35,6 v. H., während sich das Preisniveau der Inlandswaren gleich¬
Reklame benutzt worden sei. Auch diese Behauptung wird vom
zeitig um 14,5 v. H. hob.
Angeklagten Sladek direkt als unwahr bezeichnet; Professor
Brunner verteidigt sich gegen diesen Vorwurf und Rechtsanwalt
Heine betont, daß die Feststellung dieser vollständig unrichtigen
Die Abrüstungskundgebung im Zirkus Busch.
Behauptung wichtig sei für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit
Die morgen, pünktlich 10½ Uhr vormittags, im Zirkus Busch
dieses Sachverständigen.
stattfindende Abrüstungskundgebung bringt
zum Hauptthema
Angeklagter Sladek betont nochmals dem Kuratus Wienken
„Amsterdam — Washington, Deutschland und die
gegenüber, daß alle Theater auf Grund der Anregung des
Abrüstungskonferenz“ Referate von Wilhelm Reimann
Präsidenten Ebert sich dazu verstanden haben, eine Woche lang
(Gewerkschaftskommission), Dr. Hans Simons jun., Hauptmann
Zuschläge zu den Theaterpreisen zugunsten der Kinderhilfe an den
a. D. Willy Meyer, Frau Antonie Pfuelf, M. d. R., Professor
Reichsausschuß abzuführen. Dies wurde ebenso win von den übrigen
Paul Oestreich und Helmut v. Gerlach. Wilhelm Dieterle
Direktionen auch von dem Kleinen Schauspielhause ausgeführt. Das
rezitiert „Die heilige Allianz der Völker“ von Beranger
von den Reigenvorstellungen abgelieferte Geld sei bis heute
und Eulenbergs „Zelt der Zukunft“. Armin T. Wegner hält den
nicht zurückgegeben worden; es müsse also doch seinem
Toten des Krieges eine Gedenkrede. Der Zutritt ist frei. Einla߬
Zwecke zugeführt worden sein.
Kuratus Wienken erwidert, daß der Reichsausschuß seinerzeit
karten sind von 9½ Uhr an im Zirkusgebäude zu haben.
beschlossen habe, die aus den „Reigen"=Vorstellungen fließenden
Der Aktionsausschuß „Nie wieder Krieg“ setzt sich jetzt wie folgt
zusammen: Karl Vetter (Berlin), Professor René Lauret
Gelder nicht in den Fonds für die Kinderhilfe fließen zu lassen; diese
(Paris), John Fletcher (London).
sind dem Polizeipräsidium zu Zwecken der inneren Mission über¬
wiesen worden.
Der Zeuge Buchhändler Lüttke erklärt als „Mann aus
Morgen voraussichtliches Wetter für Berlin und Umgegend.
dem Volke“ daß er, nachdem er das Stück gesehen hatte, gesagt
Zunächst größtenteils trübes etwas nebeliges Frostweiter mit weiteren
jabe, das Stück gehöre nicht auf die Bühne und nicht in die
Schneefällen und mäßigen südöstlichen Winden. Nachher zeitweise auf¬
Oeffentlichkeit. Wenn er als Buchhändler etwas Derartiges ver¬
klarend.
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Reigen
bewegung. Gegenwurtig ge
Zeugenaussagen im „Reigen“=Prozeß.
kaufen würde, so stände er stets mit einem Fuß im Gefängnis. Er
Eine Erklärung
gehöre keinem Jünglingsverein oder deutschvölkischem Verein an,
aber trotzdem müsse er sagen, ein solches Stück erzeuge eine
moralische Vergiftung. Diese unglaubliche Anhäufung
des Präsidenten des Bühnenvereins.
von Bettstellen, dieses Bettstellen=Karussel auf der Bühne, sei von
Nach eintägiger Ruhepause wurde heute vormittag vor der
zahlreichen älteren Leuten aus dem Volke als eine Schweinerei und
Strafkammer des Landgerichts III die Verhandlung im „Reigen“¬
Gemeinheit bezeichnet worden.
Prozeß fortgesetzt. Der Andrang ist auch heute wieder sehr stark,
Die Zeugin, Fabrikdirektorswitwe May bekundet, daß sie seit
so daß nur ein Teil des Publikums zu dem sehr kleinen Zuhörer¬
dreißig Jahren in der sozialen Frauenbewegung stehe. Sie sei
raum zugelassen werden kann.
Schriftführerin im Jüdischen Frauenverein und gehöre ferner dem
Verein zur Wahrung von Anstand und guter Sitte und dem Verein
Bevor in die Vernehmung der Zeugen eingetreten wird, gibt
für Volkswohlfahrt an. Sie habe das Stück schon vor zehn
Rechtsanwalt Wolfgang Heine folgende Erklärung ab: In der
„Täglichen Rundschau“ befindet sich in dem Bericht über die neu¬
Stück aufgeführt werden sollte. Sie schätze Frau Eysoldt fünstlerisch
liche Vernehmung des Barons v. Putlitz die Angabe, daß der Zeuge
sehr und könnte es verstehen, wenn das Stück als ein Experiment für
erklärt hätte, Frau Eysoldt habe keine künstlerischen Tendenzen
geistig gebildete Leute gegeben würde, das heißt für einen Kreis vo.
verfolgt, sondern nur geschäftliche Interessen. Das steht in der
Menschen, die diesem Experiment das erforderliche Verständnis ent¬
Zeitung, die in den Kreisen gelesen wird, von denen das Kesseltreiben
gegenbringen können. Daß aber ein derartiges Stück für das
gegen den „Reigen“ ausgegangen ist. Ich muß hier konstatieren,
Theaterpublikum, das
heutzutage das zahlungsfähigste ist
daß das eine glatte Fälschung ist, denn gerade das Gegenteil
und in
der Lage ist, häufiger ein Theater zu besuchen,
hat der Zeuge und Sachverständige v. Putlitz gesagt.
gespielt werde, halte sie für äußerst verderblich.
Landgerichtsdirektor Brennhausen: Wir wollen hier nicht
auf das eingehen, was in den Zeitungen über diesen Prozeß steht.
Ich persönlich habe mich jeder Lektüre der Zeitungen enthalten, um
mich in keiner Weise beeinflussen zu lassen.
Sprunghaftes Steigen der Indexziffer.
Rechtsanw. Wolfgang Heine: Ich bitte aber Exzellenz v. Putlitz
Emporschnellen aller Preise.
nochmals über diesen Punkt zu vernehmen, um
zu zeigen, daß
hier mit bewußter Entstellung, Verdrehung und Lüge gearbeitet
Berlin, 12. November. (W. T. B.)
wird.
Die Großhandelsindexziffer des Statistischen Reichs¬
Zeuge v. Putlitz, Präsident des Deutschen Bühnenvereins,
amts ist unter dem Einfluß der katastrophalen Mark¬
bestätigt nochmals, daß er unter allen Umständen anehmen müsse,
daß Frau Eysoldt in erster Linie künstlerische Interessen
entwertung von 2067 im Durchschnitt des Monats Sep¬
und erst in zweiter Linie geschäftliche Interessen verfolgt habe.
tember auf 2460 im Durchschnitt des Monats Oktober
Er halte Frau Eysoldt überhaupt nicht für fähig, unkünstlerische
emporgeschnellt. Die Preissteigerung ist allgemein;
Interessen zu verfolgen.
und zwar stiegen Getreide und Kartoffeln von 2016 auf 2380, Fleisch,
Als Zeuge bekundet Kuratus Heinrich Wienken: Er habe sich
den „Reigen“ angesehen. Er habe schon viel gesehen, aber seine Er¬
Fische, Fette von 1943 auf 2325; Kolonialwaren von 2817 auf 3099;
wartungen bezüglich der Unzüchtigkeit des Stückes seien
landwirtschaftliche Erzeugnisse und Lebensmittel zusammen von 2020
noch weit übertroffen. Er habe so großes Aergernis an den
auf 2417; ferner Häute und Leder von 3727 auf 4539; Textilien von
Schweinereien genommen, daß er mit dahin gewirkt habe, daß
3070 auf 4176; Metalle von 2036 auf 2965; Kahle und Eisen von 1830
die aus den zugunsten der Kinderhilfe an den Theatern acht Tage
auf 1885; Industriestoffe zusammen von 2155 auf 2539; die vor¬
lang gemachten Aufschläge zu den Preisen von den „Reigen“=Auf¬
führungen nicht angenommen werden sollen. Er halte das Werk
wiegend im Inlande erzeugten Waren Getreide, Kar¬
für direkt unzüchtig in allen seinen Szenen. Den Be¬
toffeln, Fleisch, Fisch, Fette, Kohle, Eisen von 1952 auf 2235; die
gründungen seiner Ansicht wird von der Verteidigung und dem
vorwiegend aus dem Auslande eingeführten Waren von 2643
Angeklagten Sladek — letzterer unter Betonung seines streng
auf 3585. Der Dollar stieg im Durchschnitt des Monats Oktober
katholischen Glaubens — energisch widersprochen. Längere Ausein¬
andersetzungen veranlaßt die Bemerkung des Sachverständigen
gegenüber September in Berlin um 42,9 v. H. Ihm folgten un¬
Brunner, der behauptet, daß von dem Kleinen Schauspielhaus
mittelbar die Einfuhrwaren mit einer Preissteigerung um
die Abgabe des Zuschlages zugunsten der Kinderhilfe zu besonderer
35,6 v. H., während sich das Preisniveau der Inlandswaren gleich¬
Reklame benutzt worden sei. Auch diese Behauptung wird vom
zeitig um 14,5 v. H. hob.
Angeklagten Sladek direkt als unwahr bezeichnet; Professor
Brunner verteidigt sich gegen diesen Vorwurf und Rechtsanwalt
Heine betont, daß die Feststellung dieser vollständig unrichtigen
Die Abrüstungskundgebung im Zirkus Busch.
Behauptung wichtig sei für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit
Die morgen, pünktlich 10½ Uhr vormittags, im Zirkus Busch
dieses Sachverständigen.
stattfindende Abrüstungskundgebung bringt
zum Hauptthema
Angeklagter Sladek betont nochmals dem Kuratus Wienken
„Amsterdam — Washington, Deutschland und die
gegenüber, daß alle Theater auf Grund der Anregung des
Abrüstungskonferenz“ Referate von Wilhelm Reimann
Präsidenten Ebert sich dazu verstanden haben, eine Woche lang
(Gewerkschaftskommission), Dr. Hans Simons jun., Hauptmann
Zuschläge zu den Theaterpreisen zugunsten der Kinderhilfe an den
a. D. Willy Meyer, Frau Antonie Pfuelf, M. d. R., Professor
Reichsausschuß abzuführen. Dies wurde ebenso win von den übrigen
Paul Oestreich und Helmut v. Gerlach. Wilhelm Dieterle
Direktionen auch von dem Kleinen Schauspielhause ausgeführt. Das
rezitiert „Die heilige Allianz der Völker“ von Beranger
von den Reigenvorstellungen abgelieferte Geld sei bis heute
und Eulenbergs „Zelt der Zukunft“. Armin T. Wegner hält den
nicht zurückgegeben worden; es müsse also doch seinem
Toten des Krieges eine Gedenkrede. Der Zutritt ist frei. Einla߬
Zwecke zugeführt worden sein.
Kuratus Wienken erwidert, daß der Reichsausschuß seinerzeit
karten sind von 9½ Uhr an im Zirkusgebäude zu haben.
beschlossen habe, die aus den „Reigen"=Vorstellungen fließenden
Der Aktionsausschuß „Nie wieder Krieg“ setzt sich jetzt wie folgt
zusammen: Karl Vetter (Berlin), Professor René Lauret
Gelder nicht in den Fonds für die Kinderhilfe fließen zu lassen; diese
(Paris), John Fletcher (London).
sind dem Polizeipräsidium zu Zwecken der inneren Mission über¬
wiesen worden.
Der Zeuge Buchhändler Lüttke erklärt als „Mann aus
Morgen voraussichtliches Wetter für Berlin und Umgegend.
dem Volke“ daß er, nachdem er das Stück gesehen hatte, gesagt
Zunächst größtenteils trübes etwas nebeliges Frostweiter mit weiteren
jabe, das Stück gehöre nicht auf die Bühne und nicht in die
Schneefällen und mäßigen südöstlichen Winden. Nachher zeitweise auf¬
Oeffentlichkeit. Wenn er als Buchhändler etwas Derartiges ver¬
klarend.