II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 937

11. Reigen
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Herauvfotberangen ans unzwertarge.
Schüler aus dem Auslande würden in einigen Jahren ganz
seines guten Willens antworten.
rade der folgerichtigen Charakterbildung im Stadtbilde
Heine, in Aussicht, der während der Verhandlung gegen
ebenso wie im Werden der Menschen ein nicht unwesentliches,
eine Art einigemal scharf, aber niemals gehässig los¬
Hindernis erwachsen. Das Gros der Bevölkerung schöpfte
gezogen ist. Ohne Nachwehen dürfte sich also das „Reigen“¬
geistiges Rüstzeug mehr als anderwärts aus Zufälligkeiten
Fieber keinesfalls geben.
und Belanglosigkeiten. Während in auserwählten Zirkeln
Zwischen den Sachverständigen von seiten der Kunst
stets neue Kunst= und Kulturlosungen zum prätenziösen
und Kritik herrscht größte Einstimmigkeit, daß ein
Tagesgespräche wurden, hing die Menge inbrünstiger als
künstlerischer Kern den Schnitzlerischen Diglogen nicht
anderwärts dem Banalen und Ewig=Gleichen, farblosen
abzusprechen sei. Das Grundmotiv, das durch diese
Redensarten und einem reizlosen Lokalvummel nach. Frei¬
in ihrer lebenstreuen Erotik so überaus melancholischen
lich war da die Kriegs= und Nachkriegsverwirrung den
Szenen schimmert, ist der poetische Hinweis auf das
seelisch ungefestigten Massen ein willkommener Zersetzungs¬
Schale und Charakterverflachende des Sichauslebens
anlaß. Die Bar= und Dielenunkultur, die seitdem los¬
in Gelegenheitsliebschaften, eine gediegene Jugend¬
wucherte, den allgemeinen Hang der neuesten Jugend
variante zur „Liebelei, zu „Leutnant Gustl" und
zu all jenen späteren Dramen und Romanen des
das Verbot einiger streitbarer, aber durch und durch ernst¬
Ländelns, die für Schnitzlers dichterische Veranlagung
gemeinter Kunstwerke eindämmern zu wollen, heißt dem
bezeichnend sind. Und noch etwas ging aus diesen Aus¬
Kranken heilbringende Nährsäfte entziehen.
sagen einmütig hervor — daß nämlich der „Reigen"s
Professor Brunner spurte, je weiter die Verhandlung
Darstellung mit Fug und Recht nur ein einziger Vorwurf
fortschritt, desto peinlicher seine Unterlegenheit gegenüber
gemacht werden könne: sie ist auf einen dezenteren Grund¬
der Sachverständigengarde vom Kunstfache. Und um sein
ton gestimmt, als Stoff und Zielsteckung erfordern würden.
persönliches Ansehen möglichst heil aus der Krise zu retten,
Das Urteil, das für sämtliche Angeklagte freisprechend
verstand er sich in seinem Exposé vor Gericht auf die un¬
lautete, brachte dem Mann von gesunder Einsicht, der
geheuerliche Behauptung, es wäre wohl nicht zu bestreiten,
inmitten schwankender Werte noch immer felsenfest auf die
daß der „Reigen“ ein Kunstwerk sei, aber unmoralisch sei
Unparteilichkeit der deutschen Justiz baut, keinerlei Ueber¬
er nun einmal doch. Durch die Konstrüktion dieses größt¬
raschung. Das Eingehen auf den Antrag des Staats¬
möglichen Widerspruches hat Professor Brunner sein
anwaltes, der für die Eysoldt vier Monate Gefängnis vorsah,
Röllchen als Kunstexperte wohl für alle künftigen Zeiten
hätte das Rechtsempfinden aller liberal Denkenden aufs
ausgespielt. In einer verzweifelten Presseerklärung, die er
tiefste verletzt. Aber die Begründung des Urteils tat wohl.
einen Tag vor erfolgter Urteilsverkündung veröffentlichen
Sie war keine traditionelle Wortklauberei, sie war ein ent¬
ließ, versucht er, sich noch einmal als den Heros einer
schiedener Fortschritt. Es geschah zum erstenmal, daß ein
besonderen Weltanschauung aufzuspielen.
„Ich hab's
deutsches Gericht nicht nur die Beweisführung seiner künst¬
bewagt“ — verkündet er hier — „im vollen Gegensatz zu
erischen Beiräte annahm, sondern im Nahmen einer sonst
ämtlichen Sachverständigen unter meinem Eid ein ehrliches,
o trockenen Urteilsmotivierung selbst gewisse Kunstsätze
wohlbegründetes Bekenntnis zu christlich=deutscher Sitte und
verfocht. Es mag infolge der Umwälzungen der letzten
Sittlichkeit abzulegen. Wohl nur, wer diese bekämpft, wird
Jahre vieles in Deutschland schlechter geworden sein. Aber
mich darum schmähen. Nach dieser selbstbewußten Enunzia¬
tion stellt er einen Strafantrag gegen den Verteidiger, den
einiges hat sich nun doch auch gebessert.
bekannten Rechtsanwalt und Sozialdemokraten Wolfgang!
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Eustar Exenyi.
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