box 18/2
11. Reigen
Kioie & Seider
Bureau für Zeitungsausschnitte
Berlin NO. 45, Georgenkirchplatz 21
. Börnen-Conrie
Zeitung:
Ort: —
Datum: —1-A-DEI
Theater und Musis
Professor Brunner im Hörsaal. Professor
Bruc##t hatte einen Vortrag über „Kunst und Sitte
lichtert“ angekündigt. Er hielt einen über den
„Reigen“=Prozeß. Im Hörsaal 51 der Universität,
auf" Einladung des Euckenbundes.
Prof. Brunner
wiederholte sein sachverständiges Urteil aus dem
„Reigen“=Prozeß, vervollständigte es, las Briefe vor,
die ihn als Martyrer und Helden feiern. Rudolf
Eucken, Max Koch, Max Wundt stimmen nicht
nur mit Brunner überein, sie sind sogar von ihm
entzückt. Sie teilen ihr Entzücken mit vielen ein¬
fachen Briefschreibern. So zum Beispiel mit einer
„Beamtenfrau fünfter Rangklasse“, die sich in ihrem
Brief an Brunner selbst als solche bezeichnet und
ihrer Ueberzeugung Luft macht, daß sie trotz Revo¬
lution und 9. November „gesellschaftliche Unter¬
chiede“ gelten läßt. Infolgedessen entschuldigt sie
sich erst bei Prof. Brunner, daß sie ihm überhaupt
einen Brief zu schreiben wage. Zum Schluß weist
sie auf ein Theaterstück in einem Berliner
Theater hin — Brunner nannte es nicht — und
wünscht, daß es anders gespielt werde. Sie über¬
brückt damit gewissermaßen alle Klassenunterschiede
und beweist, daß das Anstoßnehmen kein Vorrecht
der Profestoren ist. Brunner läßt nächstens eine
Broschüre mit all diesen Zuschriften erscheinen. Der
Euckenbund vergaß nicht, durch seinen Vorsitzenden
auf Brunners Zeitschrift: „Die Hochwacht“ hinzu¬
weisen und zum Eintritt in den Euckenbund — dem
Brunner selbst angehört — einzuladen. Prof.
Brunner sagte u. a., der „Reigen“ — wie man ihn
auch beurteilen möge
— sei keine Kunst, nach der
sich gerade das Volk sehne. Im übrigen nahm er
als nhänger des Eros — Schnitzler die
leichtfertige Behandlung der geschlechtlichen
Probleme übel, nicht etwa die Behandlung überhaupt.
Die Anwesenden waren begeistert, Euckenbund und
Brunnerfreunde sammeln sich zu Kampf und Sieg,
Brunner steht da als der Retter aller Teile des
deutschen Volkes — von Eucken bis zu jener „Be¬
amtenfrau fünfter Rangklasse“. Heil!
r-th.
Kioie & Seidel
Bureau für Zeitungsausschnitte
Berlin IIO. 45, Georgenkirchplatz 21!
Seen
Zeitung:
Greslau
—
Ort: —
Datum: 4—
. OELI9Z
Berliner Theater.
Es ist ein wenig still geworden im Berliner Theaterleben, so
still, wie etwa bei einem Mittagessen, wenn der erste Gang herum¬
gereicht ist, und sich jeder vorläufig einmal mit seinem gefüllten
Teller beschäftigt. Nicht als ob alle Theaterdirektoren vor einer
vollen Schüssel sitzen, aber die unzähligen Fremden und Aus¬
länder süllten die meisten Theater, mögen sie auch die abgespieltesten
Pariser Ehebruchschwänke geben, so, daß Neuaufführungen nicht
gerade häufig sind. Das aufregendste Theaterereignis der bis¬
herigen Spielzeit spielte sich eigentlich nicht auf der Szene, sondern
vor dem Tribunal ab, ich meine den Reigenprozeß. über ihn
noch zu sprechen, hieße Russen nach Berrin bringen, aber ein grund¬
sätzliches Wort zur Sache sei mir in wenigen Zeilen doch noch
gestattet. Daß die Künstler und wir Kunstkritiker in der über¬
wiegenden Mehrzahl auf unserem Arbeitsgebiet gegen tlich¬
keitsschnüffeleien jeder Art sind, ist erklärlich. Aber es
fulsche Einstellung der Prozeßführung: Sachverständige nur aus
unseren Kreisen zu wählen; denn für eine Mutter, die ahnungs¬
kos mit ihren jungen Töchtern oder Söhnen eine solche Vor¬
siellung besucht, ist sie die Sachverständige, die von der Sache, um
die es sich wirklich handelt, um die sich hier alles dreht und von
deren Einwirkung auf die jungen Seelen mehr versteht als jeder
Kritikus und vor allem eine größere Verantwortung trägt. Oder
per füllt denn den Zuschaueeraum bei einer Serie von hundert
lbenden? Wo bleiben du die paar „Kunstverständigen!“ Und diese
Kunstverständigen — ich glaube auch zu ihnen zu gehören — und
erwarte von ihnen mindestens ein Augurenlächeln, wenn sie be¬
saupten, „Der Reigen“ sei ein „großes Kunstwerk“. Ins Ohr
gesagt: er gehört zum; Schwächsten, was der altwerdende Schnitzler
geschrieben hat, er weiß, das selber. Beweis steht zu Diensten.
Mehr zu sagen, wäre weniger.
über die Moskauer Künstler ist diesmal nicht viel zu
sagen. Das Fehlen Stanislawskis macht sich für den, der seinen
Siegeszug 1910 hier erlebt hat, doch recht fühlbar, namentlich bei
Tschechows „Onkel Wanja und die Schwestern". Wie groß aber
auch in diesem Bruchteil des ehemaligen Künstlertheaters noch die
Zahl tüchtiger Kräfte ist, wurden wir bei Aufführung des Ostrows¬
lhichen Lustspiels „Jede Weisheit hat einen Haken“ gewahr. Das
gänzlich veraltete und für unseren Geschmack kaum noch erträgliche
Stück bietet eine große Zahl komischer Kleinbürgergestalten und
jede einzelne dieser Typen wurde von den Russen in sich vollendet
mit unbeschreiblicher Komik — wenn auch hier und da stark
karitiert — dargestellt. Ohne ihre Kräfte überschätzen zu wollen
(wir haben ebenso gute und einzelne bessere Darsteller) muß ich doch
gostehen, daß ich kein Theater in Berlin wüßte, welches eine solche
Minige urkomischer Figuren, jede in sich charakteristisch heraus¬
gearbeitet, in geschlossenem Zusammenspiel aufweisen könnte. Es
kommt freilich hinzu, daß die Russen sich lange auf diese Typen
eingespielt haben, es sind die ihrer Heimat, ihrer alten Komödie.
Aber es war
spieler, von
einprägsame
man bewund
Charaktere
noch so per
hörten unve
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11. Reigen
Kioie & Seider
Bureau für Zeitungsausschnitte
Berlin NO. 45, Georgenkirchplatz 21
. Börnen-Conrie
Zeitung:
Ort: —
Datum: —1-A-DEI
Theater und Musis
Professor Brunner im Hörsaal. Professor
Bruc##t hatte einen Vortrag über „Kunst und Sitte
lichtert“ angekündigt. Er hielt einen über den
„Reigen“=Prozeß. Im Hörsaal 51 der Universität,
auf" Einladung des Euckenbundes.
Prof. Brunner
wiederholte sein sachverständiges Urteil aus dem
„Reigen“=Prozeß, vervollständigte es, las Briefe vor,
die ihn als Martyrer und Helden feiern. Rudolf
Eucken, Max Koch, Max Wundt stimmen nicht
nur mit Brunner überein, sie sind sogar von ihm
entzückt. Sie teilen ihr Entzücken mit vielen ein¬
fachen Briefschreibern. So zum Beispiel mit einer
„Beamtenfrau fünfter Rangklasse“, die sich in ihrem
Brief an Brunner selbst als solche bezeichnet und
ihrer Ueberzeugung Luft macht, daß sie trotz Revo¬
lution und 9. November „gesellschaftliche Unter¬
chiede“ gelten läßt. Infolgedessen entschuldigt sie
sich erst bei Prof. Brunner, daß sie ihm überhaupt
einen Brief zu schreiben wage. Zum Schluß weist
sie auf ein Theaterstück in einem Berliner
Theater hin — Brunner nannte es nicht — und
wünscht, daß es anders gespielt werde. Sie über¬
brückt damit gewissermaßen alle Klassenunterschiede
und beweist, daß das Anstoßnehmen kein Vorrecht
der Profestoren ist. Brunner läßt nächstens eine
Broschüre mit all diesen Zuschriften erscheinen. Der
Euckenbund vergaß nicht, durch seinen Vorsitzenden
auf Brunners Zeitschrift: „Die Hochwacht“ hinzu¬
weisen und zum Eintritt in den Euckenbund — dem
Brunner selbst angehört — einzuladen. Prof.
Brunner sagte u. a., der „Reigen“ — wie man ihn
auch beurteilen möge
— sei keine Kunst, nach der
sich gerade das Volk sehne. Im übrigen nahm er
als nhänger des Eros — Schnitzler die
leichtfertige Behandlung der geschlechtlichen
Probleme übel, nicht etwa die Behandlung überhaupt.
Die Anwesenden waren begeistert, Euckenbund und
Brunnerfreunde sammeln sich zu Kampf und Sieg,
Brunner steht da als der Retter aller Teile des
deutschen Volkes — von Eucken bis zu jener „Be¬
amtenfrau fünfter Rangklasse“. Heil!
r-th.
Kioie & Seidel
Bureau für Zeitungsausschnitte
Berlin IIO. 45, Georgenkirchplatz 21!
Seen
Zeitung:
Greslau
—
Ort: —
Datum: 4—
. OELI9Z
Berliner Theater.
Es ist ein wenig still geworden im Berliner Theaterleben, so
still, wie etwa bei einem Mittagessen, wenn der erste Gang herum¬
gereicht ist, und sich jeder vorläufig einmal mit seinem gefüllten
Teller beschäftigt. Nicht als ob alle Theaterdirektoren vor einer
vollen Schüssel sitzen, aber die unzähligen Fremden und Aus¬
länder süllten die meisten Theater, mögen sie auch die abgespieltesten
Pariser Ehebruchschwänke geben, so, daß Neuaufführungen nicht
gerade häufig sind. Das aufregendste Theaterereignis der bis¬
herigen Spielzeit spielte sich eigentlich nicht auf der Szene, sondern
vor dem Tribunal ab, ich meine den Reigenprozeß. über ihn
noch zu sprechen, hieße Russen nach Berrin bringen, aber ein grund¬
sätzliches Wort zur Sache sei mir in wenigen Zeilen doch noch
gestattet. Daß die Künstler und wir Kunstkritiker in der über¬
wiegenden Mehrzahl auf unserem Arbeitsgebiet gegen tlich¬
keitsschnüffeleien jeder Art sind, ist erklärlich. Aber es
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unseren Kreisen zu wählen; denn für eine Mutter, die ahnungs¬
kos mit ihren jungen Töchtern oder Söhnen eine solche Vor¬
siellung besucht, ist sie die Sachverständige, die von der Sache, um
die es sich wirklich handelt, um die sich hier alles dreht und von
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gesagt: er gehört zum; Schwächsten, was der altwerdende Schnitzler
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Tschechows „Onkel Wanja und die Schwestern". Wie groß aber
auch in diesem Bruchteil des ehemaligen Künstlertheaters noch die
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gänzlich veraltete und für unseren Geschmack kaum noch erträgliche
Stück bietet eine große Zahl komischer Kleinbürgergestalten und
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mit unbeschreiblicher Komik — wenn auch hier und da stark
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(wir haben ebenso gute und einzelne bessere Darsteller) muß ich doch
gostehen, daß ich kein Theater in Berlin wüßte, welches eine solche
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