II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 952

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Reigen
Klose & Seide
Bureau für Zeitungsausschnitte
Berlin NO. 43, Georgenkirchplatz 21
Tägliche Rundschau
Zeitung:
Berlin
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Datum:
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(Der Aufschrei eines Schauspielers.
Zugleich ein Ausblick auf die gewerkschaft¬
ichg Bewegung des Standes.
* Von Erich Schlaikjer.
Als der Kampf der Schauspieler mit dem Theater¬
kapital in eine so bösartige Entwicklung geraten war, daß
der Schauspieler Hermann Nissen als Führer seiner
Kameraden in lebensgefährlicher Weise gehetzt wurde, schlug
ich mich auf die Seite der Schauspieler und unterstützte sie
in der öffentlichen Meinung durch einen längeren, mit
Energie geführten literarischen Feldzug. Man hat mir da¬
mals gelegentlich den Vorwurf gemacht, daß ich mich in die
Angelegenheiten fremder Leute mische und meine
dramatischen Arbeiten in sinnloser Weise der Feindseligkeit
der Direktoren aussetze. So wohlgemeint der Vorwur
indessen war, so wenig war er in der Sache begründet. Ich
nahm die Last des Kampfes durchaus nicht auf mich, weil
ich bei jeder Rauferei dabei sein muß oder weil ich die
Folgen nicht überschaute, die für mich notwendig dabei
herauskommen mußten. Ich ging in die Arena, weil ich
in einer starken gewerkschaftlichen Bewegung der Schau¬
pieler einen mächtigen Bundesgenossen gegen die Theater¬
korruption erblickte, die ich aus idealistischen Erwägungen
damals wie heute bekämpfte. Ich bemühte mich, auch dem
Publikum den Irrtum zu nehmen, als handle es sich um
eine einfache Standesfrage, die nur die Beteiligten anginge,
und machte ihm klar, daß die kulturelle Intelligenz unseres
Volkes in diesem Fall auf die Seite der Schauspieler
gehöre.
Seit jenen Tagen nun ist die Theaterkorruption so ent¬
setzlich geworden, daß wir in ihr umzukommen drohen, und
wenn meine Rechnung richtig war, müßten wir jetzt die
Stimme der Schauspieler vernehmen. Der Einwand, daß
sie sich in wirtschaftlicher Abhängigkeit von eben dem
Theaterkapital befinden, von dem die Korruption stammt,
verschlägt in diesem Zusammenhang nichts, da ihre starke
gewerkschaftliche Organisation sie von den Stricken der
wirtschaftlichen Abhängigkeit freigemacht hat. Den Direktor
möchte ich sehen, der einer Gruppe von protestierenden
Schauspielern auch nur ein Haar zu krümmen wagte, wenn
die Schauspieler von ihrer eigenen Genossenschaft geschützt
würden. Trotzdem aber die Genossenschaft da ist und trotz¬
dem wir immer tiefer in den Sumpf der Würdelosigkeit
hineinsinken, vernehmen wir die Stimme der Schau¬
spieler nicht.
Als am ersten Weihnachtstag vorigen Jahres die
unabhängig=bolschewistische „Tribüne“ in Charlottenburg
eine Schauspielerin nackt auf die Bühne ließ, stellte ich die
organisierten Schauspieler durch scharf formulierte Fragen,
um sie auf diese Weise zum Reden zu zwingen. Es ergab
sich damals, daß sie sich durch einen Aufruf in ihrem Organ
und durch eingeleitete Schritte bei der Behörde zu wehren
suchten, in der Oeffentlichkeit vor dem Publikum
aber wurde nichts unternommen, obwohl die Mißhandlung
des Standes in der Oeffentlichkeit vor dem Publikum
begangen war.
Selbst die Anwandlung des Widerstands aber, die die
Genossenschaft damals zeigte, scheint gewissen Elementen
zuviel gewesen zu sein. Als sich überall in unserem Volk
die gebildeten Kreise gegen den. Schnitzlerschen „Reigen“ zur
Wehr setzten, in dem alle ästhetischen Qualitäten in
Stu ossinn erloschen, während der Geschlechtsakt in schauer¬
liche Einförmigkeit gezeigt wurde, druckte das Fachorgan
der Schauspieler ein kunstfremdes, gerichtliches Urteil ab,
das den „meigen“ deckte und ihn nach meiner Erinnerung
W
gar als eine sittliche T
tpries.
ländisches Ehrgefühl nicht rebelliert, wenn sie wie nationale
Masochisten den französischen Dreck fressen müssen, während
die sadistische Pariser Peitsche ihren Rücken trifft? Wenn
man das aber nicht annehmen darf: warum zerbrechen
sie nicht die Ketten ihrer Schmach, um sich mit uns anderen
in rechtschaffenem Kampf zu wehren? Ich frage: warum?,
und nur ein trauriges Schweigen kommt mir als Antwort.
Wenn man diesen unanfechtbaren Tatbestand über¬
schlägt, könnte man leicht zu der Ansicht kommen, ich sei ein
rechter Narr gewesen, als ich damals in den organisierten
Schauspielern Bundesgenossen im Kampf gegen die Kor¬
ruption erblickte. Die Dinge liegen aber wahrscheinlich
doch anders und weniger einfach. Ich rechnete mit der ge¬
sunden, kräftigen gewerkschaftlichen Bewegung, die ich vor
mir sah und die inzwischen erfolgreich um die Ecke gebracht
vorden ist. Ich habe seit Ausbruch des Krieges die Schau¬
spielerbewegung im einzelnen nicht mehr verfolgt, meine
aber als Zuschauer aus der Ferne im ganzen ein richtiges
Bild gewonnen zu haben. Ich habe den Eindruck, daß man
die gewerkschaftliche Bewegung der Schauspieler, nachdem
man im offenen Frontkampf unterlegen war, durch das be¬
währte Mittel der Zersetzung von innen heraus vergiftet
hat. Man hat auf die Schauspieler im kleinen die Methode
angewandt, die man mit stärkstem Erfolg im großen auf die
zialdemokratische Arbeiterbewegung anwandte, als man
durch undeutsche Elemente die Gruppe der sogenannten
Unabhängigen schuf. Wenn es mir gelingt, eine Bewegung
in zwei oder mehrere sich bekämpfende Gruppen aufzulösen,
von denen ich die eine in der Hand habe, habe ich die ganze
Bewegung in der Hand, weil die anderen Gruppen sich aus
Rücksicht auf meine Gruppe nicht mehr frei bewegen können,
und eben diese Methode hat das Theaterkapital mit er¬
probter Tüchtigkeit auf die Schauspieler angewandt.
Es sind in der Bühnengenossenschaft Elemente auf¬
getaucht, die nach außen hin ebenso schauspielerfreundlich
waren wie die Unabhängigen nach außen hin arbeiterfreund¬
lich sind, und die unter der Parole „Alles für die Schau¬
pieler!“ Anhang gewannen. Sie steigerten die an sich not¬
wendige gewerkschaftliche Art der Genossenschaft in so
krasser Weise, daß die künstlerisch gesonnenen Mitglieder
notwendig daran Anstoß nehmen mußten. Die Folge davon
war natürlich, daß die Bewegung schon durch inneren Zwist
nach außen gelähmt wurde, so daß nunmehr eine machtvolle
Kundgebung gegen die Theaterkorruption nicht zustande¬
kommen konnte, weil die Radikalinskis sie sofort als eine
Interstützung von Junkern und Pfaffen verdächtigt hätten.
Meine Ansicht von damals, daß eine starke Gewerkschafts¬
bewegung der Schauspieler notwendig einen Bundesgenossen
im Kampfe gegen die Korruption ergeben müßte, war voll¬
kommen richtig, aus der starken Bewegung aber ist in¬
zwischen zur höheren Ehre des undeutschen Theaterkapitals
eine gelähmte, zerrüttete und vergiftete geworden.
In der Not frißt Seine Majestät der Satan bekanntlich
Fliegen, und wenn innerhalb eines Stands die Dinge so
liegen oder wenigstens so zu liegen anfangen, freut man sich
auch über ein bescheidenes Zeichen der Gesundung.
Im
„Neuen Weg“ vom 15. Oktober, finde ich den folgenden
Aufschrei einer bedrängten Schauspielerseele, der mir wohl¬
getan hat, und den ich darum in den folgenden Zeilen weiter¬
geben will:
„Am Abend ging ich durch die Stätten, die gebaut sind, daß
darin das Wort ertöne, so euch die Größeren der Erde gegeben
haben. Und siehe, mich faßte ein Grauen an über das, was sich
dort breit machte an Plattheit, Seichtheit. Geil¬
heit, Lüge.
Ward euch dazu vor allem Geschöpf der Erde Vernunft und
Sprache, meistert ihr deshalb als einziges Wesen in der Natur
die Rede, daß sie gebraucht werde, um Zoten und Aberwitz
zu verkünden? Gab euch der Gott Kraft der Bewegung und
Bewalt der Miene, damit ihr in Handlung und Geste eure
Tierheit widerspiegelt?
Wahrlich, Seen von Schlamm, Meers voll Dummheit,
Ozeane, bis an den Rand angefüllt mi Brunst, mußte ich auf
jenem Weg durchwaten.
Sind das eure Spiele? Ist das eure Schaubühne?“
In dieser vortrefflichen Art geht es dann noch ein ganzes
Daß es aus diese
andern sähmt, dam
kapitals nicht gestör
inen Weg nach obe
dürfen. Selbst der
offen, daß sie
werden: dazu müßte
ein Rütteln an dem
und wir vernehmen
In dem furchtbaren
zwischen dem Theate
rannt ist, ist von de
irwarken, und insofer
mal getrogen. Der K
vom Publikum geführ
und Publikum gesieg
wieder aufatmen und
vornehmen.