11. Reigen
box 18/2
Sachverständige.
Eine Reminiszenz an den „Reigen“=Slandal=Prozeß.
Es ist nicht unmitressant zu hören, wie sich Professor
Brunner mit seinen Gegensachverständigen im „Reigen“=Pro¬
zeß auseinandersetzt, indim er schseiht:
„Eine Unwahrhaftigkeit, die den vorurteilslosen Beobachter
göhlichst befremden mußte, war die Bildung des Sachver¬
ständigen=Kollegiums, das die Verteidigung, wie sie
wohl meinte, recht klug zusammengestellt hatte. Es waren
fast durchweg Vertreter der Interessentengrup¬
pen, die hier um ihre Geltung kämpften: Thea¬
terleute aus dem gleichen Milien wie die Angeklagten, Schrift¬
steller und Pressevertreter, die als Nährväter oder als Herolde
jener gar nicht anders können als in gleicher Richtung mit
ihnen marschieren. Ja, standen denn hier keine anderen Inter¬
essen als die der Literaten und Bühnenkünstler zur Erörte¬
rung? War nicht die entscheidende Frage gerade die, ob deren
Tun und Treiben bei den außehralb jener Kreise Stehenden
nicht Anstoß errege? Wie konnten diejenigen ein sachverstän¬
diges Urteil abgeben, die sich doch alle mehr oder minder von
der Anklage mit betroffen fühlen mußten?! Daher erklärt sich
ja auch ihr leidenschaftlicher Kampf und ihre Einseitigkeit. Sie
standen nicht über den Dingen, sondern mitten in ihnen.
Daher auch die Unduldsamkeit gegen Andersdenkende, die ohn¬
eine Spur von persönlicher Achtung von der Verteidigung wie
von Sachverständigen, wenn sich ihnen Gelegenheit bot oder
wenn sie sich solche nahmen, als minderwertig nach Verstand
und Gemüt und als perächtlich in ihren Motiven an den
Pranger gestellt wurden. Schlimmer sind wohl selten Proze߬
gegner vor Gericht seelisch mißhandelt worden, als es hier die
Verteidiger Heine und Rosenberger und einige Sachverständige,
wie Kerr und Witkowsky sich herausnahmen. Es war geradezu
darauf angelegt, den Zeugen, die in Erfüllung einer Gewissens¬
pflicht vor die Schranken des Gerichts traten, ein solches Be¬
ginnen für die Zukunft zu verekeln.
Die Art, wie ich von dieser Seite in Behandlung genommen
wurde, beweist am besten, daß sie mich als Sachverständigen
nicht etwa, wie sie immer wieder betonten. für durchaus un¬
fähig erachteten, sondern daß sie mein Gutachten bitter ernst
nahmen, weil sie es fürchteten. Da man mich sachlich
nicht widerlegen konnte, griff man zu der skrupellosen Taktik.
mich als Mensch zu entwerten. Dafür war den in
ihrer Art geschickten Advokaten jedes. auch das in guter Gesell¬
schaft unanständige Mittel recht. Ich mußte in der Oeffent¬
lichkeit so erscheinen, wie sie mich brauchten, um mir meine
Ehrenhaftigkeit, meine Urteilsfähigkeit, meine Glaubwürdig
keit zu nehmen.
box 18/2
Sachverständige.
Eine Reminiszenz an den „Reigen“=Slandal=Prozeß.
Es ist nicht unmitressant zu hören, wie sich Professor
Brunner mit seinen Gegensachverständigen im „Reigen“=Pro¬
zeß auseinandersetzt, indim er schseiht:
„Eine Unwahrhaftigkeit, die den vorurteilslosen Beobachter
göhlichst befremden mußte, war die Bildung des Sachver¬
ständigen=Kollegiums, das die Verteidigung, wie sie
wohl meinte, recht klug zusammengestellt hatte. Es waren
fast durchweg Vertreter der Interessentengrup¬
pen, die hier um ihre Geltung kämpften: Thea¬
terleute aus dem gleichen Milien wie die Angeklagten, Schrift¬
steller und Pressevertreter, die als Nährväter oder als Herolde
jener gar nicht anders können als in gleicher Richtung mit
ihnen marschieren. Ja, standen denn hier keine anderen Inter¬
essen als die der Literaten und Bühnenkünstler zur Erörte¬
rung? War nicht die entscheidende Frage gerade die, ob deren
Tun und Treiben bei den außehralb jener Kreise Stehenden
nicht Anstoß errege? Wie konnten diejenigen ein sachverstän¬
diges Urteil abgeben, die sich doch alle mehr oder minder von
der Anklage mit betroffen fühlen mußten?! Daher erklärt sich
ja auch ihr leidenschaftlicher Kampf und ihre Einseitigkeit. Sie
standen nicht über den Dingen, sondern mitten in ihnen.
Daher auch die Unduldsamkeit gegen Andersdenkende, die ohn¬
eine Spur von persönlicher Achtung von der Verteidigung wie
von Sachverständigen, wenn sich ihnen Gelegenheit bot oder
wenn sie sich solche nahmen, als minderwertig nach Verstand
und Gemüt und als perächtlich in ihren Motiven an den
Pranger gestellt wurden. Schlimmer sind wohl selten Proze߬
gegner vor Gericht seelisch mißhandelt worden, als es hier die
Verteidiger Heine und Rosenberger und einige Sachverständige,
wie Kerr und Witkowsky sich herausnahmen. Es war geradezu
darauf angelegt, den Zeugen, die in Erfüllung einer Gewissens¬
pflicht vor die Schranken des Gerichts traten, ein solches Be¬
ginnen für die Zukunft zu verekeln.
Die Art, wie ich von dieser Seite in Behandlung genommen
wurde, beweist am besten, daß sie mich als Sachverständigen
nicht etwa, wie sie immer wieder betonten. für durchaus un¬
fähig erachteten, sondern daß sie mein Gutachten bitter ernst
nahmen, weil sie es fürchteten. Da man mich sachlich
nicht widerlegen konnte, griff man zu der skrupellosen Taktik.
mich als Mensch zu entwerten. Dafür war den in
ihrer Art geschickten Advokaten jedes. auch das in guter Gesell¬
schaft unanständige Mittel recht. Ich mußte in der Oeffent¬
lichkeit so erscheinen, wie sie mich brauchten, um mir meine
Ehrenhaftigkeit, meine Urteilsfähigkeit, meine Glaubwürdig
keit zu nehmen.