II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 962

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Reigen
box 18/2
Deutsche
Borlin.
6 = JUII. 8
" Verklungener Reigen. Herr Maximilian Sladek, der mit dem
„Reigen“ Schnitzleks-ein so außerordentlich gutes Geschäft gemacht
hat, beschwert sich bitter darüber, daß ihm die Räume des Kleinen
Schauspielhauses nicht mehr zur Verfügung stehen. Bekanntlich
gehört der Theatersaal, in dem in den letzten Jahren so gro߬
artige deutsche Bühnenkunst gezeigt worden ist, der Staatlichen
Hochschule für Musik. Ihr mit Herrn Sladek und Frau Eysoldt ge¬
schlossener Vertrag ist vor kurzem abgelaufen; die Hochschule hat
Haraufhin von Herrn Sladek die Räumung des Theaters per
klangt. Auf eine Weigerung Sladeks, der offenbar das gute Ge¬
schäft nicht schießen lassen wollte, hat das Landgericht I sprechen
müssen und gegen ihn entschieden. Wir sehen die Firma Sladek¬
Eysoldt ohne Kummer ziehen. Abgesehen davon, daß sie mit den
„Reigen“=Skandal Berlin wochenlang aufregte und tausende von
betrogenen Narren in ihr Haus lockte, hat sie nichts Belangreiches
geleistet. Deshalb ist es uns auch ganz unmöglich, in die Jam¬
merrufe einiger Berliner Blätter einzustimmen, und wir nehmen
keinen Anstand, der Staatlichen Hochschule für Musik, die sich gegen
Sladeks Angriffe in der Presso verteidigt, hier für einige Sätze
Der Theatersaal ist für Unterrichtszwecke der
Hochschule gebaut worden, und die Verpachtung konnte
nur in früheren Jahren erfolgen, als die Nachwirkungen
des Krieges den Unterricht einschränkten. Seit
1920 ist aber die Hochschule wesentlich verbreitert und vergrößert
worden, so daß sie einen ganz erheblichen Zuwachs an
Studierenden und Lehrkräften zu verzeichnen hat. Vor allem ist
eine Opernschule unter Leitung von Professor Dr. Hörth neu
eingerichtet worden, die in ständigem Wachsen begrifsen ist. Es
ist zwingende Notwendigkeit, diesen Studie¬
renden Gelegenheit zu geben, auf einer Probier¬
bühne aufzutreten. Durch die Verpachtung war die Hochschule
aber gezwungen, ihre Aufführungen auf ein Mini¬
mum einzuschränken und da während der ganzer
Dauer des Vortrages nur 8 Abende der Hochschule zur Ver
fügung standen, konnten viele einstudierte Oper
uberhaupt nicht herausgebracht werden, obwoh
die Hochschule in der Lage ist, fast wöchentlich Opernszenen oder
ganze Opern herauszustellen.
Die Notwendigkeit, dem künstlerischen Nach¬
wuchs mit allen Kräften zu dienen, hat Frau
Eysoldt selbst in den vorangehenden Vergleichsverbgadlungen
rückhaltlos anerkannt. Und nicht nur F.ou Eysoldt,
sondern auch Herr Rickelt war der Meinung, daß die Hochschule
von ihrem Standpunkt aus durchaus im berechtigten
Interesse handle. Die Hochschule hat außerdem bereits
vor einem Jahre die Kündigung des Verirages aus¬
gesprochen und mitgeteilt, daß ein Weiterspielen über die Vor¬
tragszeit hinaus nicht Betracht kommen könne, da die Hoch¬
schule ihre Unterrichtsraume für die eigenen künstlerischen
Zwecke dringend benötigt.
Außerdem war die Hochschule in den Vergleichsverhandlun¬
gen bereit, dem Kleinen Schauspielhaus ein Weiterspielen bis
zum 1. Oktober 1922 zu gestatten, sofern der Hochschule nur
einige Tage in der Woche zu Unterrichtszwecken zur Verfügung
gestellt würde. Auf diese Vergleichsvorschläge ist Frau Eysoldt
Na also! Verlangen die Herrschaften Stadek=Cysoldt etwa,
daß ihretwegen und ihrem Reigen=Geschäft zu Liebe die üblichen
Eigentumsbegriffe über den Haufen geworfen werden und die
Hochschule, nach abgelaufener Verpachtung, nie wieder ins eigene
Haus zurückkehren kann?