II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 998

11. Reigen
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Münchener Theater. Das Schauspielhaus glaubte.
sich Schnitzlers „Reigen“ nicht entgehen lassen zu dür¬
fen, obwohl das Stück schon vor zwanzig Jahren in München
Staub genug aufgewirbelt hatte; damals ließ der Akademisch¬
Dramatische Verein die Dialoge vor Geladenen nur vor¬
lesen und die Wirkung war doch so weitgehend, daß der Senat
der Universität den Verein auflöste. Zwar trat er gar nicht in
die Prüfung der Sittlichkeitsfrage ein, nachdem die Feststellung,
daß der Verein nichtstudentische Mitglieder ausgenommen, Grund
genug bot, die gewollte Auflösung zu verfügen. Wer im Schau¬
spielhause einen Skandal erwartet hatte, sah sich enttäuscht. Das
ausverkaufte Haus nahm anfangs die einzelnen Bilder schwei¬
gend entgegen, möglich, daß der eine oder der andere sich doch
schämte, sein Vergnügen an dieser seruellen Poesie öffentlich
zu dokumentieren, dann, etwa in der Mitte, trat ein einzelner
Klatscher in Funktion, er fand rasch Nachahmer, und so wurde
denn an jedem Aktschlusse stark, aber ohne lange Dauer applau¬
diert. Ein Widerspruch ward nicht laut. Die von Hermine
Körner geleitete Aufführung, die ihre Stärke in dem Arrange¬
ment molliger Liebeswinkel bot, war eine sogenannte dezente,
indem eben jedesmal im äußersten Augenblick eine Verdunke¬
lung der Szene eintrat, die das Publicum mit einiger Unruhe
aufnahm. Der eine lacht halblaut, der zweite räuspert sich, die
dritte putzt sich geräuschvoll die Nase und der vierte ruft ent¬
rüstet „bscht, bscht!“ Gespielt wurde ganz ett und möglichst
wienerisch dazu geplauscht. Straßendirnen und solche des Salons
zehnmal in der gleichen erotischen Situation zu sehen, wirkt
schließlich abstumpfend und ermüdend, so treffend Schnitzler
das wechselnde Milieu auch immer malen mag. Wir reden so
viel von dem sittlichen Wiederaufbau unseres Volkes und
lassen ihm Stücke bieten, die die kargen sittlichen Reste noch
niederzureißen geeignet sind, zumal bei dem grünen Jungvolk
beiderlei Geschlechts, das heute unsere Theater bevölkert.
Gleichzeitig wurde im Lustspielhaus „1919“, Zeitschnurre von
Toni Impekoven und Karl Mathern, sehr herzlich auf¬
L. G. O.
genommen.
Neues von den Dresdner Bühnen. Die Dresdner Oper bringt
Mräczeks neues Werk „Ildar“ (Dichtung von Guido Glück) zur Urauf¬
führung. Das Schauspielhaus hat mit Frau Steuermann (zuletzt am
Schauspielbaus in Leipzig) einen Gastspielvertrag abgeschlossen, um einen
Ersatz für die verstorbene Frau Doré zu erhalten. Frau Steuermann wird
ezuerst am Donnerstag als Isabella in der Braut von Messina auftreten.
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