box 18/3
Reigen
F
Die Beratungen über den
1:
Preisabbau.
Die für den 15. Jänner angekündigte
Preisabbaukommission ist bereits zu¬
sammengetreten. Sie wird saus mehreren
Ministern, Sachverständigen und Beratern
gebildet, vom Nationalrat wurde Nationalrat
Zelenka in diese Kommission entsendet, nach¬
dem Tomschik den Eintritt abgelehnt hatte.
In dieser ministeriellen Kommission werden
zunächst mit möglichster Beschleunigung die
2
alten Vorschläge durchberaten und neue er¬
1
stattet worden##s ben##l
D
L. v. Trena=ulrici, ernteten nach jedem Akt-herzlichen
Beifall.
Der Reigen Zehn Dialoge von Arthür Schnitzler Erstauf¬
führung im Münchener Schagsptelhaus“ Bei der
Eysoldt in Beklin Hab es einen Skandal, bei der Hermine
Körner in München blieb es ruhig. + Liest man die Dialoge im
stillen Kämmerkein so muß man sagen, gar munter tanzt der
Fann in den Straßen und äusern Wiens. Wie ein Salto
mortale, wie ess Wed#kind mäsichmal beliebt, in den Entenweiher
schmutziger Banglitäten.— Anders aber wird das Ding im
Rampenlicht. Man sieht den Faun, und ist verstimmt. Er trägt
Haare und riechtenach Schweiß. Die Verschlingung der Kreisenden
löst sich in den langen Pausen szenischer Umstellung auf. Mit
Drehbühne wäre der Menschenleiberkranz heil zu präsentieren:
Dirne und Soldat, Soldat und Stubenmädchen, Stubenmädchen
und junger Herr, junger Herr und junge Frau, junge Frau und
Ehegatte, Ehegatte und süßes Mädel, süßes Mädchen und Dichter,
Dichter und Schauspielerin, Schauspielerin und Graf. Graf und
Dirne. So schwingt der Reigen weiter im Parkett, in Wien, Mün¬
chen u. überall, wo diese kuriosen Tierchen sind. Eine Repetitio ad
infinitum! Zehnmal gipfelt das Spiel in einem Akt, dessen einst
heilige Majestät beim zivilisierten Europäer zur putzigen
Komödie schrumpfte, und jedesmal wirft die Körner ein Tuch,
über ein quiekendes Pärchen. D. h. sie dunkelt ab. Ja, das
Mysterium der Liebe ist heute entweiht und vor der Sonne ein
Ekel. Darum laßt die Tierchen, um Himmels willen, in ihrem
Mauseloch. Was gehen uns die an! Es gibt mehr. — Entweder
ganz oder gar nicht „wienern!" Die Halbheit: Wien und sonstige
Deutsche fiel unangenehm auf. Die Leistungen von Ewis Bork¬
mann als Dirne, Götz als jungen Herrn und Karla Holm als
Schauspielerin waren gut. Der Graf des Herrn Günther hätte
entschieden mehr auf das Nonchalante herausgestrichen werden
müssen.
Antenet erschrelung Karisereun
A- FEERUEF 1921
* Ein Theaterskandal größeren Umsangs ent¬
wickelte sich im Schauspielhaus gelegentlich der
Samstag=Vorstellung von Schnitzlers Reigen“
Am Schluß des 3. Bildes (das Dienstmädchen
und der junge Herr) entfesselte eine Frauen¬
stimme vom oberen Rang einen offenbar vor¬
Fereiteten Protest. Die Gegenkundgebung setzte
sofort ein und forderte schärfste Replik heraus.
Lange dauerte das Kreuzfeuer im vollbesetzten
Schluß! ... Hinaus!
Sgal: Schweinereil
usw. Der Kon¬
Kinder, nach Hausel ...
Mift verschärfte uund konsentrierte sich in aele
nen Gruppen, die fast handgreiflich wurden, vor
allem draußen im Wandelgang. Ein Segen von
faulen Eiern und Stinkbomben unterstützte die
Offensive durch einen Ueberfall auf den Geruch¬
sinn. Es gab dabei auch verdorbene Kleider.
Und das ist doch schließlich keine besonders hoch¬
stehende Art des sittlichen Protestes, zumal un¬
ter gebildeten Menschen. Die Verwendung sol¬
cher Waffen beweist auch, daß der Sturm orga¬
nisiert war, denn Stinkbomben pflegen arglose
Leute nicht ständig bei sich zu führen. Leider
auch keine Gasmasken. Vorsichtige Damen hüll¬
ten ihre Abendtoiletten in den schützenden Man¬
tel und besonders erwartungsvolle hielten den
Regenschirm parat. Auf die verdunkelte Bühne
trat inzwischen zweimal der Vertreter der Di¬
rektion, zuerst, um mit bebender Stimme die
Ruhestörer hinauszuweisen; später, um bekannt
zu geben, daß die Vorstellung abgebrochen wer¬
den müßte, ohne daß die Direktion für den Scha¬
den aufkommen könne. Längere Zeit hatte ein
einziger Schutzmann sich bemüht. Ruhe zu schaf¬
fen und Schlägereien zu verhindern. Die fried¬
fertigeren Zuhörer verließen scharenweise das
Dheater. Geduldigere warteten unschlüssig auf
eine Weiterführung der Vorstellung. Doch er¬
schien schließlich ein starkes Polizeiaufgebot und
räumte das Haus.
Im Anschluß an diese Vorkommnisse hielt zu
Beginn der Sonntags=Vorstellung im Schau¬
spielhause Herr Regisseur Nebelthau eine An¬
sprache an das Publikum, in der er mitteilte
daß die weiteren Aufführungen des „Reigen“
polizeilich verboten worden seien, daß aber die
Direktion mit allen ihr zur Verfügung stebenden
Daran
Mitteln Einspruch erheben werde.
knüpfte Herr Nebelthau einige moralische Kom¬
mentare, die man leider ebensowenig als „Kul¬
turtat“ ansprechen kann, als den Radau des
P.
Vorabends.
Sfandal in München.
Die weiteren Aufführungen des „Reigen“ verboten.
„Aus München, 6. d., wird uns telegraphiert: Bei der
heutigen Wiederholung von Schnitzlers „Reigen“ im Schau¬
shielhaus kam es zu einem' unerhörten Skandal. Nach
dem dritten Bilde riefdei Verdunklung der Bühne eine Dame
im ersten Rang lüt in Publikum: „Das ist eine
s wagt man deutschen
Schweinereikvso
Dies war offenbar das Signal zu
Frauen zuzumuten!
einem längst vorbereiteten Skandal. Rufe wie: Saustall!
Gemeinheit! Unverschämtheit! Frechbeit! durchschwierten den
Raum; auf mitgebrachte Trillerpfeifen brach ein ohren¬
zerreißender Lärm los. ##
Das gesamte Puolikum geriet in eine furchtbare Er¬
vol
regung, die in ein wüstes Toben ausartete, als plötzlich
ersten Rang Stirkbomben auf die Bühne ge¬
schleudert wurden.
Der eiserne Verhang mußte fallen und das Publikum ver¬
ließ das Haus.
Auf Grund ader planmäßig inszenierten Sprengung der
„Reigen“=Vorste#ng im Schauspielhaus hat Polizeipräsident
Pöhner die ##tere Aufführung des Stückes verboten. In
der Begründung des Verbotes heißt es sehr charakteristisch:
„Obwohl die ersten neun Aufführungen des „Reigen“ ruhig
verliefen, ist erfahrungsgemäß nach der ersten Störung mit
Sicherhei##u erwarten, daß auch die weiteren Aufführungen
tumultuarisch verlaufen werden. Die Poltzeidirektion ist ohne
Vernachlässigung wichtiger Aufgaben nicht in der Lage, der
Leitung des Schauspielhauses dauernd ein so großes Polizei¬
aufgebot zur Verfügung zu stellen, um die ruhige Aufführung
des Stückes zu gewährleisten, das jedem gesunden
Volksempfinden Hohn spricht (!) und daher mit
Recht in weiten Kreisen der Bevölkerung Anstoß erregt (!).
Um größeres Unheil zu verhüten, mußten deshalb weitere
Aufführungen auf Grund des Artikels 182 verboten werden.“
Eine Wichn=k fk immanG. IMYAAL 10.
Reigen
F
Die Beratungen über den
1:
Preisabbau.
Die für den 15. Jänner angekündigte
Preisabbaukommission ist bereits zu¬
sammengetreten. Sie wird saus mehreren
Ministern, Sachverständigen und Beratern
gebildet, vom Nationalrat wurde Nationalrat
Zelenka in diese Kommission entsendet, nach¬
dem Tomschik den Eintritt abgelehnt hatte.
In dieser ministeriellen Kommission werden
zunächst mit möglichster Beschleunigung die
2
alten Vorschläge durchberaten und neue er¬
1
stattet worden##s ben##l
D
L. v. Trena=ulrici, ernteten nach jedem Akt-herzlichen
Beifall.
Der Reigen Zehn Dialoge von Arthür Schnitzler Erstauf¬
führung im Münchener Schagsptelhaus“ Bei der
Eysoldt in Beklin Hab es einen Skandal, bei der Hermine
Körner in München blieb es ruhig. + Liest man die Dialoge im
stillen Kämmerkein so muß man sagen, gar munter tanzt der
Fann in den Straßen und äusern Wiens. Wie ein Salto
mortale, wie ess Wed#kind mäsichmal beliebt, in den Entenweiher
schmutziger Banglitäten.— Anders aber wird das Ding im
Rampenlicht. Man sieht den Faun, und ist verstimmt. Er trägt
Haare und riechtenach Schweiß. Die Verschlingung der Kreisenden
löst sich in den langen Pausen szenischer Umstellung auf. Mit
Drehbühne wäre der Menschenleiberkranz heil zu präsentieren:
Dirne und Soldat, Soldat und Stubenmädchen, Stubenmädchen
und junger Herr, junger Herr und junge Frau, junge Frau und
Ehegatte, Ehegatte und süßes Mädel, süßes Mädchen und Dichter,
Dichter und Schauspielerin, Schauspielerin und Graf. Graf und
Dirne. So schwingt der Reigen weiter im Parkett, in Wien, Mün¬
chen u. überall, wo diese kuriosen Tierchen sind. Eine Repetitio ad
infinitum! Zehnmal gipfelt das Spiel in einem Akt, dessen einst
heilige Majestät beim zivilisierten Europäer zur putzigen
Komödie schrumpfte, und jedesmal wirft die Körner ein Tuch,
über ein quiekendes Pärchen. D. h. sie dunkelt ab. Ja, das
Mysterium der Liebe ist heute entweiht und vor der Sonne ein
Ekel. Darum laßt die Tierchen, um Himmels willen, in ihrem
Mauseloch. Was gehen uns die an! Es gibt mehr. — Entweder
ganz oder gar nicht „wienern!" Die Halbheit: Wien und sonstige
Deutsche fiel unangenehm auf. Die Leistungen von Ewis Bork¬
mann als Dirne, Götz als jungen Herrn und Karla Holm als
Schauspielerin waren gut. Der Graf des Herrn Günther hätte
entschieden mehr auf das Nonchalante herausgestrichen werden
müssen.
Antenet erschrelung Karisereun
A- FEERUEF 1921
* Ein Theaterskandal größeren Umsangs ent¬
wickelte sich im Schauspielhaus gelegentlich der
Samstag=Vorstellung von Schnitzlers Reigen“
Am Schluß des 3. Bildes (das Dienstmädchen
und der junge Herr) entfesselte eine Frauen¬
stimme vom oberen Rang einen offenbar vor¬
Fereiteten Protest. Die Gegenkundgebung setzte
sofort ein und forderte schärfste Replik heraus.
Lange dauerte das Kreuzfeuer im vollbesetzten
Schluß! ... Hinaus!
Sgal: Schweinereil
usw. Der Kon¬
Kinder, nach Hausel ...
Mift verschärfte uund konsentrierte sich in aele
nen Gruppen, die fast handgreiflich wurden, vor
allem draußen im Wandelgang. Ein Segen von
faulen Eiern und Stinkbomben unterstützte die
Offensive durch einen Ueberfall auf den Geruch¬
sinn. Es gab dabei auch verdorbene Kleider.
Und das ist doch schließlich keine besonders hoch¬
stehende Art des sittlichen Protestes, zumal un¬
ter gebildeten Menschen. Die Verwendung sol¬
cher Waffen beweist auch, daß der Sturm orga¬
nisiert war, denn Stinkbomben pflegen arglose
Leute nicht ständig bei sich zu führen. Leider
auch keine Gasmasken. Vorsichtige Damen hüll¬
ten ihre Abendtoiletten in den schützenden Man¬
tel und besonders erwartungsvolle hielten den
Regenschirm parat. Auf die verdunkelte Bühne
trat inzwischen zweimal der Vertreter der Di¬
rektion, zuerst, um mit bebender Stimme die
Ruhestörer hinauszuweisen; später, um bekannt
zu geben, daß die Vorstellung abgebrochen wer¬
den müßte, ohne daß die Direktion für den Scha¬
den aufkommen könne. Längere Zeit hatte ein
einziger Schutzmann sich bemüht. Ruhe zu schaf¬
fen und Schlägereien zu verhindern. Die fried¬
fertigeren Zuhörer verließen scharenweise das
Dheater. Geduldigere warteten unschlüssig auf
eine Weiterführung der Vorstellung. Doch er¬
schien schließlich ein starkes Polizeiaufgebot und
räumte das Haus.
Im Anschluß an diese Vorkommnisse hielt zu
Beginn der Sonntags=Vorstellung im Schau¬
spielhause Herr Regisseur Nebelthau eine An¬
sprache an das Publikum, in der er mitteilte
daß die weiteren Aufführungen des „Reigen“
polizeilich verboten worden seien, daß aber die
Direktion mit allen ihr zur Verfügung stebenden
Daran
Mitteln Einspruch erheben werde.
knüpfte Herr Nebelthau einige moralische Kom¬
mentare, die man leider ebensowenig als „Kul¬
turtat“ ansprechen kann, als den Radau des
P.
Vorabends.
Sfandal in München.
Die weiteren Aufführungen des „Reigen“ verboten.
„Aus München, 6. d., wird uns telegraphiert: Bei der
heutigen Wiederholung von Schnitzlers „Reigen“ im Schau¬
shielhaus kam es zu einem' unerhörten Skandal. Nach
dem dritten Bilde riefdei Verdunklung der Bühne eine Dame
im ersten Rang lüt in Publikum: „Das ist eine
s wagt man deutschen
Schweinereikvso
Dies war offenbar das Signal zu
Frauen zuzumuten!
einem längst vorbereiteten Skandal. Rufe wie: Saustall!
Gemeinheit! Unverschämtheit! Frechbeit! durchschwierten den
Raum; auf mitgebrachte Trillerpfeifen brach ein ohren¬
zerreißender Lärm los. ##
Das gesamte Puolikum geriet in eine furchtbare Er¬
vol
regung, die in ein wüstes Toben ausartete, als plötzlich
ersten Rang Stirkbomben auf die Bühne ge¬
schleudert wurden.
Der eiserne Verhang mußte fallen und das Publikum ver¬
ließ das Haus.
Auf Grund ader planmäßig inszenierten Sprengung der
„Reigen“=Vorste#ng im Schauspielhaus hat Polizeipräsident
Pöhner die ##tere Aufführung des Stückes verboten. In
der Begründung des Verbotes heißt es sehr charakteristisch:
„Obwohl die ersten neun Aufführungen des „Reigen“ ruhig
verliefen, ist erfahrungsgemäß nach der ersten Störung mit
Sicherhei##u erwarten, daß auch die weiteren Aufführungen
tumultuarisch verlaufen werden. Die Poltzeidirektion ist ohne
Vernachlässigung wichtiger Aufgaben nicht in der Lage, der
Leitung des Schauspielhauses dauernd ein so großes Polizei¬
aufgebot zur Verfügung zu stellen, um die ruhige Aufführung
des Stückes zu gewährleisten, das jedem gesunden
Volksempfinden Hohn spricht (!) und daher mit
Recht in weiten Kreisen der Bevölkerung Anstoß erregt (!).
Um größeres Unheil zu verhüten, mußten deshalb weitere
Aufführungen auf Grund des Artikels 182 verboten werden.“
Eine Wichn=k fk immanG. IMYAAL 10.