box 18/3
11. Reigen
ehrker Herr Professor Volkelk, so ist es die menschliche Pban¬
tafie, der glauben gemacht wird der Geschlechtsakt
sei ekwas Unzüchtiges. Er ist nicht einmal unzüchtig zwischen
nitzler. 1
einer Dirne und einem Soldaten unter der Einschränkung, daß ein
Dichter ihn gestaltet. Ist es nicht besser, man heiligt die Geschehnisse
dieser Sphäre (da sie nun einmal nicht wegzuleugnen sind), als daß man
Mitteln aber gütem Ge¬
sie als verrucht hinstellt und so die Phantasie anreizt, sich mik ihnen erst
eine neue und gefällige
recht zu beschäftigen? Schnitzter hat ohne Scheu vor dem Stofflichen, dem
nd namenreichen Bühne,
Stofflichen das Frivols genommen. Man skarrt doch nicht auf das, was ge¬
e. Im äußeren Bud ist
schiehk, wenn sich die Szene verdunkelt, sondern man lächelt darüber, wie
freundliche Draperien in
es sich jeweils dahin entwickekt. Gewiß, sehr verehrter Herr
eckt. Licht und Freude,
Professor Volkelt, die Volksseele ist schwer zum Lächeln zu bringen; die
en Ansprache, sollen in
Volksfeele hält sich dumpf am Stofflichen; tut sie es aber nicht auch im
Kenntnis. Auch glaubt
Kino und auch bei weniger „unzüchtigen" Theaterstücken? Ich bin nicht
ängendster Arbeit (deren
bange um die Volksseele; sie hat einen guten Magen, und ich glaube,
worden war. Der
daß sie den „Reigen“ nicht anders goutierk als einen heimlich und ver¬
kein Programm, aber er
sogen sinnlichen Schundroman.
diese zehn Dialoge für
Versuchen wir doch, diese Dinge positiver zu sehen. Was wollte de.
könnken, seien verfehlt.
Dichken des „Reigen“? „Richtswürdige Unzuchts-Feinschmeckerei“ liefern?
spielen kann, ist äußerst
Nicht doch. Er zeigte uns nur ein wahrhaftes Bild des Liebesspiels
Empfindungen dem in
in zehn Variationen; dieses Liebesspiel voll Brutalikät und Zartheik,
icht nalo, sondern kom¬
voll Verlogenheit und echker Empfindung, voll Sehnsucht nach der Lebens¬
rschwert weder der Ge¬
steigerung im Rausch und voll Ernüchterung — nachher. Gewiß, er zeigt
hema die — positive
uns nicht die tiefe Kraft der Liebe, der großen Leidenschaft, die über das
lußig: Warum spielt man
Erotische hinaus zur Menschenl##e wächst; dies war hier nicht sein
gedacht und geschrieben
Thema; kleinste Bilder der flüchtigsten“ de malte er nur, aber die mit
ndungen dem Geschlecht¬
einer unverkennbaren Meisterschaft.
ngenheit zu machen, so
Der Reigen“ ist fast allgemein bekannt; dafür hat schon das Zensur¬
spielt man den „Reigen“
verbot gesorgt, von dem das Buch seit Erscheinen
— und das ist schon
über fünfundzwanzig Jahre her — verfolgt war. In den Mädchenschulen
Angelegenheit doch ein
ging es von Hand zu Hand; es wurde mit verteilten Rollen gelesen,
lch zu sein, weil der
wobei nur der Mangel männlicher Partner als bedauerlicher Mißstand
verlaffen dürfen) seine
empfunden ward. Ich stelle nur fest, um idealistischer weltfremder Selbst¬
täuschung. entgegenzukreken, ohne diese Dinge zu billigen. Vor Zensur
nennen ist eine — Ver¬
und Lex Heinze ist der „Reigen“ in Schuß zu nehmen, anderseils aber
trachtung der geschlecht¬
auch Schnitzler vor dem „Reigen“: denn es ist ein Unrecht und Widersinn,
en Auge, die Stimmung
daß nun mit einem Maie über jahlreiche deutsche Bühnen dieses Früh¬
is menschlichen Wesens,
werk des Dichters geht, indes sein reiferes dramakisches Schaffen fast
ber die Stofflichheit, die
unberücksichtigt bleibt.
Bis auf zwei — „musikalische — Entgleisungen und Geschmacklosig¬
keine Auffassung, die im
wohl nichts zu machen.
keiten wurden die Dialoge, die Roberk Pirk in Szene geseht hat, zart
und anmutig gesprochen und gesctelt. Dirne und Soldak. Soldak und
Verheit, wenn ich gegen¬
Stubenmädchen: hier fiel die Britalität der männlichen Feschigkeit fast
nicht etwa durch¬
eink mir doch immerhin
noch zu milde aus. Karl Keßler war als Soldat von massiver Echt¬
heit. Lina Carstens charaktarisierke die Dirne im ersten und letzten
hlechtlichen nichts Un¬
rum Reines und Un¬
Dialog mit diskreten Miteln. Hans Merkel (junger Herr), der in
Gewitter, Sommerregen! der Szene mit dem Stubenmädchen (Käthe Franck-Witt) ausreichte, war
züchtigist, sehr ver- als Partner der jungen Frau zu weltmännisch kühl, viel zu wenig er¬
missen von der Süße und Leibenschaft seines Erlebnisses. Auch Greie
Doerpelkus (junge Frau) nahi das Abenteuer vielleicht doch ein
wenig leichter, als der Dichter beobsichtigt hat; krotz aller Schelmerei und
all' den großen und kleinen Verstellungskünsten, darf diese Frau nicht
frivol wirken. Frivol aber wirkt, wenn im darauffolgenden Ebezwischen¬
spiel im charakteristischen Augenblick das Motiv: „Ich hin eine an¬
tändige Frau“ aus der „Lustigen Wilwe' erklingt. Dos ist bein Wiß,
sondern eine peinliche Unterstreichung, die gewiß nicht in der Absicht des
Dichters liegt. Diese ironisch-witzelnde Poinke muß schleunigst ver¬
schwinden. Man darf, was an und für sich schon deutlich genug ist, nicht
noch musikallsch unterstreichen, darf auf keinen Fall dem Publikum die
billige Gelegenheit geben, verständnisinnig zu feixen. Cläre Hartens
süßes Mädel besaß, mit Ausnahme des Wiener Dialekts, alles, was
dieser nunmehr historische Wiener Mädchenkyp haben muß.
Otto
Werther war als Ehemann und Liebhaber von einer bedächtigen
Trockenheit, ungemeln echt in seinem salten eheherrlichen Behagen
nachher, und in seiner beklommenen Aengstlichkeik (der Ansteckungs¬
gefahr) nach der Szene mit dem süßen Mädel. Hans Stelner (der
Dichter) und Maria Koch (die Schauspielerin) brachten nur gelinde
Skeigerung in die Monokonie des Reigens', der, se weiker er sich dreht,
um so stärker fühlen läßt, daß er niemals für die Bühne geschrieben war.
Maria Koch hat nicht ganz das Format einer überlegenen Diya; sie ist
pusselig, wo sie grandios sein müßte. Aus den beiden letzten Szenen
höre ich ekwas wie einen Akkord, der die leisen Töne und Anklänge
der ersten acht Dialoge — die Skepsis, die Ungewißheik, die Schein¬
gewatten in allen Liebesdingen — noch einmal vorstärkt zusammenfaßt:
Dieser Graf ist zweifeilos schon bester Schnißzler; ein österreichischer
Philosoph, der die Liebe mit Melancholie verfüßt und eine Frau niemals
zum Frühskück nimmt, aber klug genug ist, von der strengen Regel eine
Ausnahme zu machen, weil das Leben ja doch seine eigenen stärkeren
Gesehe hat.
Otto Skoeckel unterstrich das Phleg###des Philo¬
kophen vom Truppenübungsplatz und zeigke sein prachtvolles Gediß. Nur
den Militärmarsch an der Stelle, wo im Buch Gedankenstriche ftehen;
finde ich sakal, weil seine Rhykhmik das Zarte vergröberk. Im ganzen
und großen ist aber doch so gespielt worden, daß jene Leute, die mehr er¬
wartet haben, enkläuscht wurden.
Hans Nakonek.
11. Reigen
ehrker Herr Professor Volkelk, so ist es die menschliche Pban¬
tafie, der glauben gemacht wird der Geschlechtsakt
sei ekwas Unzüchtiges. Er ist nicht einmal unzüchtig zwischen
nitzler. 1
einer Dirne und einem Soldaten unter der Einschränkung, daß ein
Dichter ihn gestaltet. Ist es nicht besser, man heiligt die Geschehnisse
dieser Sphäre (da sie nun einmal nicht wegzuleugnen sind), als daß man
Mitteln aber gütem Ge¬
sie als verrucht hinstellt und so die Phantasie anreizt, sich mik ihnen erst
eine neue und gefällige
recht zu beschäftigen? Schnitzter hat ohne Scheu vor dem Stofflichen, dem
nd namenreichen Bühne,
Stofflichen das Frivols genommen. Man skarrt doch nicht auf das, was ge¬
e. Im äußeren Bud ist
schiehk, wenn sich die Szene verdunkelt, sondern man lächelt darüber, wie
freundliche Draperien in
es sich jeweils dahin entwickekt. Gewiß, sehr verehrter Herr
eckt. Licht und Freude,
Professor Volkelt, die Volksseele ist schwer zum Lächeln zu bringen; die
en Ansprache, sollen in
Volksfeele hält sich dumpf am Stofflichen; tut sie es aber nicht auch im
Kenntnis. Auch glaubt
Kino und auch bei weniger „unzüchtigen" Theaterstücken? Ich bin nicht
ängendster Arbeit (deren
bange um die Volksseele; sie hat einen guten Magen, und ich glaube,
worden war. Der
daß sie den „Reigen“ nicht anders goutierk als einen heimlich und ver¬
kein Programm, aber er
sogen sinnlichen Schundroman.
diese zehn Dialoge für
Versuchen wir doch, diese Dinge positiver zu sehen. Was wollte de.
könnken, seien verfehlt.
Dichken des „Reigen“? „Richtswürdige Unzuchts-Feinschmeckerei“ liefern?
spielen kann, ist äußerst
Nicht doch. Er zeigte uns nur ein wahrhaftes Bild des Liebesspiels
Empfindungen dem in
in zehn Variationen; dieses Liebesspiel voll Brutalikät und Zartheik,
icht nalo, sondern kom¬
voll Verlogenheit und echker Empfindung, voll Sehnsucht nach der Lebens¬
rschwert weder der Ge¬
steigerung im Rausch und voll Ernüchterung — nachher. Gewiß, er zeigt
hema die — positive
uns nicht die tiefe Kraft der Liebe, der großen Leidenschaft, die über das
lußig: Warum spielt man
Erotische hinaus zur Menschenl##e wächst; dies war hier nicht sein
gedacht und geschrieben
Thema; kleinste Bilder der flüchtigsten“ de malte er nur, aber die mit
ndungen dem Geschlecht¬
einer unverkennbaren Meisterschaft.
ngenheit zu machen, so
Der Reigen“ ist fast allgemein bekannt; dafür hat schon das Zensur¬
spielt man den „Reigen“
verbot gesorgt, von dem das Buch seit Erscheinen
— und das ist schon
über fünfundzwanzig Jahre her — verfolgt war. In den Mädchenschulen
Angelegenheit doch ein
ging es von Hand zu Hand; es wurde mit verteilten Rollen gelesen,
lch zu sein, weil der
wobei nur der Mangel männlicher Partner als bedauerlicher Mißstand
verlaffen dürfen) seine
empfunden ward. Ich stelle nur fest, um idealistischer weltfremder Selbst¬
täuschung. entgegenzukreken, ohne diese Dinge zu billigen. Vor Zensur
nennen ist eine — Ver¬
und Lex Heinze ist der „Reigen“ in Schuß zu nehmen, anderseils aber
trachtung der geschlecht¬
auch Schnitzler vor dem „Reigen“: denn es ist ein Unrecht und Widersinn,
en Auge, die Stimmung
daß nun mit einem Maie über jahlreiche deutsche Bühnen dieses Früh¬
is menschlichen Wesens,
werk des Dichters geht, indes sein reiferes dramakisches Schaffen fast
ber die Stofflichheit, die
unberücksichtigt bleibt.
Bis auf zwei — „musikalische — Entgleisungen und Geschmacklosig¬
keine Auffassung, die im
wohl nichts zu machen.
keiten wurden die Dialoge, die Roberk Pirk in Szene geseht hat, zart
und anmutig gesprochen und gesctelt. Dirne und Soldak. Soldak und
Verheit, wenn ich gegen¬
Stubenmädchen: hier fiel die Britalität der männlichen Feschigkeit fast
nicht etwa durch¬
eink mir doch immerhin
noch zu milde aus. Karl Keßler war als Soldat von massiver Echt¬
heit. Lina Carstens charaktarisierke die Dirne im ersten und letzten
hlechtlichen nichts Un¬
rum Reines und Un¬
Dialog mit diskreten Miteln. Hans Merkel (junger Herr), der in
Gewitter, Sommerregen! der Szene mit dem Stubenmädchen (Käthe Franck-Witt) ausreichte, war
züchtigist, sehr ver- als Partner der jungen Frau zu weltmännisch kühl, viel zu wenig er¬
missen von der Süße und Leibenschaft seines Erlebnisses. Auch Greie
Doerpelkus (junge Frau) nahi das Abenteuer vielleicht doch ein
wenig leichter, als der Dichter beobsichtigt hat; krotz aller Schelmerei und
all' den großen und kleinen Verstellungskünsten, darf diese Frau nicht
frivol wirken. Frivol aber wirkt, wenn im darauffolgenden Ebezwischen¬
spiel im charakteristischen Augenblick das Motiv: „Ich hin eine an¬
tändige Frau“ aus der „Lustigen Wilwe' erklingt. Dos ist bein Wiß,
sondern eine peinliche Unterstreichung, die gewiß nicht in der Absicht des
Dichters liegt. Diese ironisch-witzelnde Poinke muß schleunigst ver¬
schwinden. Man darf, was an und für sich schon deutlich genug ist, nicht
noch musikallsch unterstreichen, darf auf keinen Fall dem Publikum die
billige Gelegenheit geben, verständnisinnig zu feixen. Cläre Hartens
süßes Mädel besaß, mit Ausnahme des Wiener Dialekts, alles, was
dieser nunmehr historische Wiener Mädchenkyp haben muß.
Otto
Werther war als Ehemann und Liebhaber von einer bedächtigen
Trockenheit, ungemeln echt in seinem salten eheherrlichen Behagen
nachher, und in seiner beklommenen Aengstlichkeik (der Ansteckungs¬
gefahr) nach der Szene mit dem süßen Mädel. Hans Stelner (der
Dichter) und Maria Koch (die Schauspielerin) brachten nur gelinde
Skeigerung in die Monokonie des Reigens', der, se weiker er sich dreht,
um so stärker fühlen läßt, daß er niemals für die Bühne geschrieben war.
Maria Koch hat nicht ganz das Format einer überlegenen Diya; sie ist
pusselig, wo sie grandios sein müßte. Aus den beiden letzten Szenen
höre ich ekwas wie einen Akkord, der die leisen Töne und Anklänge
der ersten acht Dialoge — die Skepsis, die Ungewißheik, die Schein¬
gewatten in allen Liebesdingen — noch einmal vorstärkt zusammenfaßt:
Dieser Graf ist zweifeilos schon bester Schnißzler; ein österreichischer
Philosoph, der die Liebe mit Melancholie verfüßt und eine Frau niemals
zum Frühskück nimmt, aber klug genug ist, von der strengen Regel eine
Ausnahme zu machen, weil das Leben ja doch seine eigenen stärkeren
Gesehe hat.
Otto Skoeckel unterstrich das Phleg###des Philo¬
kophen vom Truppenübungsplatz und zeigke sein prachtvolles Gediß. Nur
den Militärmarsch an der Stelle, wo im Buch Gedankenstriche ftehen;
finde ich sakal, weil seine Rhykhmik das Zarte vergröberk. Im ganzen
und großen ist aber doch so gespielt worden, daß jene Leute, die mehr er¬
wartet haben, enkläuscht wurden.
Hans Nakonek.