II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 1018

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11. Reigen
eigentlich dem Dichter, soweit dieser nicht ekwa von der Schauspielerin
in Anspruch genommen wird. Die Schauspielerin empfängt den Grafen
nicht nur an ihrem Bekt, und der Graf erwacht nach einer durchzechten
Nacht neben der Dirne, die den Soldaken, der sich des Skuben¬
heaters.
mädchens usw., im Kreis herum, im Kreis herum, und Eros schlägt den
nchen wurde sim
Takt: Bumbum!
rthur Schuls¬
Soll man sagen, Schnitzlers zehn Paare wären von der Liebe be¬
Hallen der Berüner
rauscht? Sie sind vielmehr nur beschwipst davon. Die Liebe ist ihnen
tells aus geschäft¬
ein Gesellschaftsspiel, ein rohes, ein feines, ein plumpes, ein süßes, ein
gezwungen sähen,
gemeines; aber doch stets eine Ark Spiel, aus dem niemand Ernst machen
er um Wedekinds
möchte. Und gerade in der Abwesenheit des Ernstes, in dem Absehen
glich stehengeblieben
von allen „Folgen' steckt hier Schnitzlers Ethos, vielleicht kein aus-,
inend für weniger
vielleicht ein untergelegtes Ethos: der Liebesschwips ist steks ein bißchen
Geist der irdischen
im Gegenfaß
minderwertig und ein bißchen lächerlich, mag er auch —
während sich gar
zum echten Rausch — von peinlichen Folgen nicht selten unbekroffen
st irdischen Liebes¬
bleiben.
olorit in Wien und
Der gepflegte Wiener Poet läßt feine Tierlein im Käfig springen,
bringt, eine in der
Es
schaut ihnen unbekümmert zu und macht unsterbliche Witze dabei:
hgebändigter Aus¬
ist doch besser, daß wir nicht geweint haben.“ — Ich nenne mich Bie¬
uropäischen Sittlich¬
Es wär doch schön gewesen, wenn ich sie nur auf die Augen
biß.
t des Fleisches und
geküßt hätt. — Der Dichter: Spürst du dich überhaupt leben?“ Das
er Wedekind mußte
füße Mädel: „Geh', hast kein Kamm?“ Auf den Flügeln der Ironie
Religion machen, wie
erhebt sich der Dichter über alles, was einen Anderen im Schleimigen
bbi Esra“ nachlesen
oder Schwülen festhalten würde. Wohl mögen Hörer und Hörerinnen
ste ist, und wie sie
bei diesen zehn Dialogen in einen Zustand ständiger Angeregtheit ge¬
auf, was er sah und
raten, den nur die Prüdere leugnet und nur die Prüderie verdammt.
Aber Hörer und Hörerinnen sollen ja gerade wieder lernen, was glück¬
blank geschliffenen
lichere Zeiten verstanden haben: Sich frei und heiter und geschmackvoll
Kiebe in allen ihren
zu betragen auch bei den alleranregendsten Gelegenheiten. Die Zeiter¬
keit und die Freihelt haben gewiß ihre Grenzen, und zwar solche, die
Frau die Pose der
nur der schlechteste Geschmack überschretten möchte. An diesen Grenzen
wenn gar zwei Po¬
steht in Schnitzlers Buch ein Zann von Gedankenstrichen mitten in jeder
enkommen, wird der
Szene. Scherzhafterweise gerade in der letzten nicht, da der Graf die
schwer für den Zeit¬
Dirne in unserer Gegenwark nur auf die Augen küßt. Was fängt die
ich ihren Unsterblich¬
Bühne nun mit den Gedankenstrichen an? Darüber, daß man Gedan¬
was unvorsichtig der
kenstriche nicht spielen kann, müßte man sich in so ausgelassener Weise
ßigt fühlen könnten,
verbreiten, wie ich es an dieser Stelle zu kun keineswegs gesonnen bin.
für ihren Forschungs
Oplische Wahrnehmungen der Gedankenstriche bleiben auf der Bühne
Teil werde noch als
ausgeschlossen, also verdunkelt man sie, akustische Wahrnehmungen von
nd Hochachkung vor
naturalistischer Beschaffenheit bleiben noch ausgeschlossener also macht
itlers übrige Werke
man Musik. Denn etwas maß offenbar geschehen, soll die Pause nicht
vorkommen sollten.
albern — wirken. In Berlin hat man jedesmal die gleiche Musik ge¬
nach einer frivolen,
albern — gewesen

macht, und alle Zeugen versichern, daß sei auch
Takte des Knaben
Mich würde solch unvermeidliche Begleitmusik sicherlich an die alte Uhr
einander zum Tanz,
in den ersten Kapikeln des „Tristam Shandy“ erinnern (Auchzulesen
en Kreise ineinander
bei Lawrence Sterne.) Also verschiedene Mustk. So verschieden wie
nimmt den Soldaken
sich Schnißlers Därchen vorher und nachher in Worken und Werken be¬
Das Stuben¬
dchens.
tragen, so verschieden müssen gewissermaßen auch ihre Gedankenstricht
an dem sich dann mit
Diri
sein. Aber diese Musik kann man auch nicht vor der Szene mit
junge Frau ist ge¬
Ihre
gentenstab und schmissigem Einsatz womöglich hervorbringen lassen.
Fährend der Ehemann
süße Mädel gebört einzige Aufgabe ist, auf geistreiche Art abzulenken von dem, was in
nicht geschieht. Der Spieleiter Robert Pirk hat dafür
Dunkelen —
eine famose Lösung gewählt. Seine Musik wird sozusagen überhaupt
nicht gemacht, sondern ist da. Aus der Welt jenseiks der Dialoge klingt
sie herüber. Da gibt es Schrammelmusik oder Klavierspiel im oberen
Stockwerk, den Leierkasten auf der Straße oder ein Trompekensolo in
der Ferne. Die Außenwelt kündigt so auf lustige Weise an, daß sie mit
sich selber beschäftigt ist und daß niemand befugt sei, zwei Menschen zu
beachten, die auch ihrerseits miteinander genug zu lun haben.
In der Theorie ist die Lösung vollkommen. In der Praxis krifft.
die Musik nicht immer die Stimmung. In der Praxis ist es nicht hübsch.
allzu
wenn der Rhythmus eines Militärmarsches vom Publikum mit
bekonker Heiterkeit ausgenommen wird. In der Praxis ist der schöne
neue Vorhang noch ein bißchen zu langsam. Das wird sich geben. Aber
dieser Reigen müßte eigentlich auf einer Drehbühne getanzt werden.
Die Pausen zwischen den zehn Bildern waren endlos. Als die Nacht¬
kritiker gegen 11 Uhr flohen, fehlte noch ein Bild. Nun, man wird sich
einspielen. Wir geben Fritz Biehweg, der zum Beginn einige würdige
Worke sprach, gern zu, daß am ersten Tage auf einer hastig umgebaufen
Bühne der Apparat nicht wie nach Wochen und Monaten arbeiten kann.
Wir geben das um so lieber zu, als die Schauspiele sehr guf ge¬
arbeitet hakten. Auch die Souffleuse gab sich Mühe. (Die Szenen¬
bilder waren auf Stimmung und die erforderlichen Requisiten beschränkt.)
Keßlers Soldat dürfte etwas saftiger und urwüchstger sein. Merkel
spielte sich als junger Herr mit seinem runden Bubengesicht sehr neit
auf den Hans Taps heraus. Werther gab den Ehemann als guten,
schlappen Kerl, der die moralische Konvenkion immer für die anderen
bereit hat. Steiner, der Dichter, atmeke lauker Weihrauchwölkchen aus,
und Stoeckel konnte als Graf wieder einmal seine ganze Seele höchst
liebenswürdig ins Monokel legen.
Lina Carstens gab die Dirne großartig schlicht, die Frank-Witt wat
ein netses Skubenmädchen, aber noch nicht aus einem Guß. Frau
Doerpelkus parodierke die Anständigkeit“ der jungen Frau mit ganz
frischer Lanne. Fran Hatten hat für das füße Mädel eine Menge
naiver Kokedlerie, und Fräulein Koch war sehr bestrebt, die Unnakur der
Schauspielerin natürsch zu geben, und elwa zur Hälfte gelang ihr
Hans Georg Richter.
das auch.