II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 1019

11.
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igen
Neean berfafte.
Metlungen des Lebensmittelamtes zahlreiche Lokalitäten im Ge¬
bäude Tbcaterplatz 3 freigeworden sind, hat nun die Direktion und
Verwaltung der Straßenbahn dieselben in zwei Stockwerken bezogen. Im
Vortragsabend von Alfred Auerbach. Mit Eindringlichkeit
und Wärme sprach Auerbach über seine schwäbischen Landsleute
Hermann Hesse, Finckh und Schussen und las aus ihren Werken.
Im Vordergrund stand durchaus Hesse. Was wir seit dem
„Demian“ wußten, erfuhren wir wieder aus den „Wanderun¬
gen“; dieser Dichter ist tief; denn er kennt den Tod und den gro¬
ßen Pendelschwung der lebendigen Polarität von Traum und
Welt, von Rausch und Leere, Sterben und Wiedergeburt. Er ist
einer der wenigen levenden Dichter, die das Herz der Erde noch
clopfen hören; kein harmonischer Goethe=Mensch, sondern ein
echt romantischer „Vogel im Sturm“. Die beiden anderen Dich¬
ter konnten sich nicht von fern mit dem gewichtigeren Landsmann
messen. Die leider recht wenig zahlreichen Zuhörer dankten dem
W. D.
Vortragenden aufrichtig für den gehaltvollen Abend.
Erfolge deutscher Künstler in Spanien. Die Uraufführung
des „Fidelio“ in Barcelona unter Leitung des ersten Kapell¬
meisters des Kölner Orchesters, Klemperer, im Theatro Lyceo
hatte großen Erfolg. Klemperer wurde enthusiastisch gefeiert.
Schnitzlers. „Reigen“ in Leipzig. Als Eröffnungsvorstellung des unter
der Leit#von Fritz Vieweg stehenden Kleinen Theaters gelangte
Schnitzlers „Reigen“, der bei den Vorstellungen in Berlin und München
abgelehnt wurde, zur Aufführung. Das Leipziger Pubtikum nahm den
„Reigen“ beifällig auf. Zu Störungen ist es nicht gekommen.
Gastspiel Heims am Stadttheater in Kattowitz. Im Stadttheater in
Kattowitz gastierte Frau Else Heims und gab somit Gelegenbeit, den
Klassikerzyklus dieser Spielzeit um drei neue Vorstellungen zu bereichern.
„. a.iu „ 41. Citens. „ Ostüurs alins. uan Mornholm“ und
Das
sk. Aus Leipzig, B. Januar, wird uns geschrieben:
„Kleine Theater“, eine Dipendance des Schauspielhauses, wurde
Kritis
Während die
gestern mit Schnitzlers üceigen“ eröffnet
nichts Anstößigtes an dem Rrück findet, erhebt der berühmte Zeip¬
ziger Philosoph Johannes Volkelt in den „L. N. N.“
seine warnende Stimme, indem er fragt: „Ist es wirklich ein ver¬
alteter Standpunkt, wenn erwartet wird, daß sich der Theaierleiter
die ungeheure Verantwortung vor Augen halte, die er der Volks¬
seele gegenüber trägt? Es ist ein geradezu grauenhafter Gedanke
daß die nichtswürdige Unzuchts=Feinschmeckerei, aus der Schnitzler
Stück #ervorgegangen ist (der Unzuchtsakt wird gehnmal zu nahezu
für
bandgreiflicher Gegenwart auf die Bühne gebracht). Abend
Abend in Phantasie und Fühlen zahlloser Zuhörer hinüberströmt.
Die unhaltbaren Zustände in dem elsässischen Nonnen¬
d
kloster Marienthal, di., wie berichtet, kürzlich zu einem Einschreiten
des Hl. Stuhles gegen die aufsässigen Nonnen geführt haben,
werden von den Franzosen auf ihre Weise ausgeschlachtet. Die
Franzosen behaupten, die Nonnen von Marienthal würden nur
deswegen verfolgt, weil einige deutsche Schwestern auf
treiven der französischen Mehrheit ausgewiesen worden seien.
Dabei hätte man aber den Deutschen doch ihre „Mitgift“ glatt
herausbezahlt. Für die „gute“ Gesinnung der Nonnen führt der
Berichterhatter des „Matin“ die Tatiache an, daß im Sprech¬
zimmer des Klosters ein Bild des Marschalls Foch, von einer
Trikolore umrahmt, hängt. Eine endaültige Entscheidung der
kirchlichen Behörden über die eventuelle Aufhebung des Interdikts
ist noch nicht erfolgt; die Parteinahme der Pariser Hetzpresse für
die Nonnen und gegen den Hl. Stuhl sagt aber genug.
ek. Die in den Vereinigten Staaten herrschende Absatzkrise,
der damit verbundene Preisrückgang und die großen Verluste haben
in den Versicherungskreisen, wie aus Newyork berichtet wird.
große Befürchtung hervorgerufen. Der Präsident der amerika¬
„Wir
nischen Feuerversicherungen John G. Gamder erklärte:
fürchten eine große Zunahme von Brandstifungen, da man auf
Schon
diese Weise versuchen wird. Verluste wieder einzubringen.“
im Dezember war eine beträchtliche Zunahme der Feuersbrünste
festzustellen; in diesem Monat, dem ersten der Absatzkrise, betrugen
die durch deuer verursachten Verluste 50 Millionen Dollars.
15 Millione Dollars mehr als im November. Die Gefahr der
Brandstiftungen ist besonders groß, weil, wie der Präsident zugleich
feststellte, die Geschäftsmoral in Amerika seit dem Kriege einen
früher nie gekannten Tiefstand erreicht hat.
KRARIAT

#
Und im Schweigen ver¬
Jemand in Grau schweigt.
löscht das Licht und Dunkel umfängt ihn und das leere,
graue Gemach,
*
„Der Reigen" n Leipzig. Uns wird ge¬9##
Das Kuine Theater, das, nach
schrieben:
einer unzulänglichen Gammerspielperiode, nach
seiner Mauserung in zuossentheater und schlie߬
lich in einen Ableger der Pptterbühnen, der Leiter
des Schauspielhauses Fritz Siehweg übernommen
hat, wurde mit Arthur Schnhlers „Reigen“
öffnet, den der Spielleiter #o## Pirk stimmungs¬
stark und dennoch zart, wern ##ch nicht wirblig
genug vorübertanzen ließ. Eite echselnde, teils
üße, teils lustige Musik spielte zu diesen Reigen auf,
die leider zweimal in das Anzügliche #nd Witzig
Illustrative entgleiste. Die Darstellungshinterließ
aber im großen keinen Eindruck, der gegen die Auf¬
führung des Reigens spräche.
tten re#
Genehmigung, den Doktorg#go bieser Hochsgute de (eheun,
stets versezt
7 Progegen Schnitzlers Reigen“ Aus Leipzig wirk
uns geschriebee Die von der Protestversämmrung geger
Schnitzlers „Rein“ angenommene Resolution lautet in
der Hauptsache: #ie versammelten deutschen Männer und
Frauen verurteilen jeden Versuch, unter dem Deckmantel
der Literatur Dramenauf die Bühne zu schmuggeln,
die
an sich schon aus undeutichem Geist heraus die Spuren der
Entartung zeigen, durch dis Aufführung aber das Scham¬
gefühl unseres Volkes verleien. In der szenischen Dai¬
stellung von Schnitzlers „Reis## sehen sie einen tief be¬
dauerlichen Mißgriff eines sonst ###s das Leipziger Theater¬
leben verdienten Bühnenleilers.
Der neue Generaldirektor der Preußischen Staats¬
##efiather Die Ernennung des seh Regierungsrals Dr.
Theaker, Kunst und Wissenschaft.
Johannes Volkelte
über SchnitzlersReigen“.
Aus Leipzig
st.
ge¬
schrieben: Das Kleine Theater c#e
Kurde
unter der Direktion ven######
e. h
mit
Schnitzlers
eröffnch
vom
„R
Oberspielleiter M###k vorbereitAuffährung
war ausgezeichstet, und das
Bplikum naum sie
ohne Mißfallensäußerung mit starkem Beifall
auf. Zu dem Werke nigunk=der berühmte Pro¬
fessor der Philosophienag der Universität Leipzig,
Dr. Johannes V##eit, im Sprechsaal eines
Leipziger Blatz mit folgender Auslassung
Stellung:
Als ich vor etwu zwanzig Jahren Schnitz¬
lers „Reigen“ las hielt ich es für ausgeschlossen,
daß ein Tyeaterleiter eine Aufführung dieser
Szenen wagen würde. Ich sagte mir: eine
Schamlosigkeit, die den Unzuchtsakt zehnmal zu
nahezu handgreiflicher Gegenwart auf die Bühne
bringt, sei keinem Theaterleiter zuzutrauen.
Heute ist — dank der Bemühungen zahlloser
Bühnendichter und Bühnenleiter um Ausmerzung
des Schamgefühls — die Abstumpfung des sitt¬
lichen Empfindens und zugleich die Ver¬
rohung
des künstlerischen Ge¬

schmacks so wett gediehen, daß ein Theater
den traurigen Mut hat, sich am Tage seiner Er¬
öffnung durch Schnitzlers pornographische Skizzen
die Weihe zu geben. Ich frage: Ist es wirklich
ein veralteter Standpunkt, wenn
erwartet wird, daß sich der Theaterleiter die
ungeheure Verantwortung vor Augen halte, die
er der Volksseele gegenüber trägt? Es ist ein
geradezu grauenhafter Gedanke, daß die nichts¬
würdige Unzuchts=Feinschmeckerei, aus
der
Schnitzlers Stück hervorgegangen ist, Abend
für
Abend in Phantasie und Fühlen zahlloser Zu¬
hörer hinüberströmt.
Wenn Nietzsche von „Umwertung
der
sittlichen Werte“ redet, so meint er damit Um¬
im
wertung nach oben hin: Umwertung
Sinne tapferer Selbstüberwindung, immer steile¬
rer Aufgaben, immer härterer Selbsizucht.
In
unseren Tagen bedeutet „Umwertung“ meistens
Umwertung nach unten hien: nach der
Richtung des Tierischen; und nicht einmal des
Gesund=, sondern des Erkrankt=Tierischen. Ein
Theater, das seine Vorstellung mit Schnitzlers
„Reigen“ beginnt, stellt sich hiermit programma¬
isch in den Dienst der Umwertung der sittlichen
Werte in dem schlechtesten Sinne.
*