II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 1062

Rew-Jork, 5. Dezember. (W. T. B. Durch Funkspruch.) Wie „Asso¬
ciated Preß“ aus Washington meldet, wurde von nichtoffiziellen
japanischen Kreisen die Ausdehnung des chinesischen
Bankenkonsortiums oder seine Erweiterung auf Grund eines um¬
fassenderen Abkommens als zweckmäßiger Ersatz für das englisch japanische
Bündnis angeregt. An dem Konsortium sollen Amerika, Japan, England und
Frankreich beteiligt werden.
Amerika und die Abrüstung.
T. Paris, 6. Dezember. (Drahtmeldung unseres Sonderberichterstatters.)
Der amerikanische Kongreß ist gestern mittag wiederum zu¬
sammengetreten. Senator Penrose teilte dem Senot mit, daß er für
heute die Erörterung des Gesetzesvorschlages wegen der Schulden der
Alliierten fordern werde. Das neue Zolltarifgesetz wird vom Senat
erst nach den Weihnachtsferien erörtert werden.
Präsident Harding erklärte: Falls die Washingtoner Kon¬
ferenz scheitern sollte, müßten die Vereinigten Staaten mehr als
800 Millionen Dollar für Militär= und Marineauslagen im Budgetjahre vor¬
sehen. Das ist um 60 Millionen weniger als im laufenden Jahre, aber noch
immer weit mehr als jemals im Militär= und Marinekredit vor dem
Kriege gefordert worden war. Die Vereinigten Staaten könnten im Falle
des Scheiterns der Konferenz einer starken Herabsetzung der Marine= und
Militärkredite so lange nicht zustimmen, als die anderen Mächtes#cht¬
dasselbe täten.
Die Einnahmen der Vereinigten Staaten für 1923 werden mit
3328 Millionen, die Ausgaben mit 3505 Millionen beziffert, davon für
K
Neues Schauspielhaus.
Reigen“ von Arlhur Schnitzler.
Ein saures Amt und heut' zumal. Nämlich das Kritisieren.
Man
kann über dies Werk, nachdem es so viel Staub aufgewirbelt, so hitz'ge
Meinungskämpfe entfesselt, solche umständlichen Prozeßapparate in Bewegung
gesetzt hat, beim besten Willen kein künstlerisches Werturteil fällen, ohne
zugleich ein ethisch=ästhetisches Judicium abzugeben. Kritisieren heißt in diesem
Falle grundsätzliche Stellung nehmen. Zuvor aber muß, nach dem Bühnen¬
eindruck, den wir jetzt gewonnen haben, eins festgestellt werden: hier ist durch
übertriebenes Wichtignehmen von allen Seiten aus einer Mücke ein Elefant
gemacht worden. Die riesige Billettpolonäse, die seit einiger Zeit täglich
Hunderte Neugieriger vor der Kasse unserer Kammerspielbühne aufführen,
steht in einem schreienden Mißverhältnis zux Bedeutung des „Reigens",
der im Inneren getanzt wird. Was die meisten dieser — Kunstenthusiasten
lockt, ist wohl der Kitzel der Sensation, die Aussicht, etwas in einer öffent¬
lichen Schauanstalt zu erleben, was sich sonst nur zwischen den verschwiegenen
vier Wänden von Privathäusern abzuwickeln pflegt. Das erleben die
„Reigen“=Besucher nun allerdings.
Schnitzler oarüert in dieser Dialogreihe, die er 1896/97 schrieb und
zunächst durch Privatdruck einem beschränkten Leserkreise unterbreitete, das
von ihm mit Vorliebe besungene Thema der sinnlichen Liebe auf zehn ver¬
schiedene, nach dem sozialen Stande und dem geistigen Niveau der Sprechen
abgestufte Arten. Die ersten beiden Szenen, die sich zwischen Angehörigen
der einfachen Volkskreise abspielen, sind naturgemäß von keinerlei Geist oder
Weltanschauung beschwert. Was die Dirne und der Soldat, derselbe Soldat
und das Stubenmädchen miteinander zu verhandeln haben, findet in shlichten
ja banalen, nur das Nötigste berührenden Worten Ausdruck. Auch im Gespräch
des Stubenmädchens mit dem jungen Herrn taucht noch kein bemerkenswerter
Einfall auf. Einen etwas höheren Aufschwung nimmt das Liebeswerben des
jungen Herrn um die junge Frau, obwohl auch diese Szene nicht unbedingt
ein Dichter geschrieben haben muß. Dichterisch im Sinne verfeinerter
Psychologie, differenzierter Empfindung und philosophischer, auf höhere
Gesichtspunkte gerichteter Denkweise wird's erst im nächtlichen Zwiegespräch
der Frau mit ihrem Gatten. Hier fallen wenigstens ein paar beachtliche
allgemeine Bemerkungen über Ehe, Liebe, welbliche Sexualethik und was
dazu gehört. Im folgenden Dialog, den der Gatte und das süße Mäde
führen, verengt sich wieder der geistige Horizont. Dafür weht uns, eigentlich
zum ersten Male, ein erfrischender Hauch aus der bekannten Schnitzlerwelt,
aus der reizvollen Sphäre der Anatols und Mizis, des lässig=weltmännischen
Genießertums und der behaglichen Enge kleinbürgerlichen Vorstadtlebens an.
Auch das Bildchen Süßes=Mädel=Dichter almet Wiener Luft und Schnitzler
schen Geist (was ja zum Teil auf dasselbe hinauskommt). Sehr hübsch und
echt schnitzlerisch die leis=ironischen Streiflichter, mit denen der Dichter (nämlich
der Dichter des „Reigen“) den Gegensatz zwischen dem Empfindungsleben
des idealistischen Schwärmers und der nüchtern=real denkenden Grisette
beleuchtet. Noch deutlicher offenbart sich dieser Gegensatz in der Unterhaltung
des Dichters mit der Schauspielerin, die die lyrischen Ergüsse ihres Partners
noch durch einige chavakteristische und amüsante Proben aus dem Phrasen¬
schatz der Komödiantensprache und ihre Vorgängerin durch prosaische Lebens¬
auffassung übertrumpft. Ihrem nächsten Liebhaber, dem Grafen, gegenüber
zieht die Diva etwas andere Seiten auf, doch kann sie letzten Endes auch
hier ihre wahre Natur nicht verleugnen und ihre rein erotischen Absichten
nicht verbergen. Im letzten Bild landet der Graf nach nächtlicher alkohol¬
schwerer Bummelfahrt bei der Dirne, die als A und O der ganzen Szenen¬
folge den Reigen schließt, wie sie ihn eröffnet hatte.
tung unverfehrt an China zurückgegeben wird, die direkten Ver¬
handlungen beendigen und diese Frage der Abrüstungskonftrenz
unterbreiten, da sie eine unvermeidliche Quelle für Streitigkeiten und dazu
angetan sei, den Frieden im fernen Osten zu stören.
New-Bork, 6. Dezember. (W.=T.=B.=Funkspruch.) Der Genermi¬
sekretär der chinesischen Delegation in Washington, Tiao, zeigte wie „Asso¬
ciated Preß“ meldet, nach Peking telegraphisch den Rücktritt als Mit¬
glied der Delegation als Protest gegen die negativen Ergebnisse
an, die China mit seinen Forderungen bisher erreichte.
Aus dem Reich.
Berlin, 6. Dezember. (Drahtmeldung.) Laut einer Meldung der
„Deutschen Allg. Zig.“ beschäftigte sich das Reichskabinett gestern
mit den laufenden Angelegenheiten. Die Reparationsfrage war
nicht Gegenstand der Beratung,
Wie der „Vorwärts“ mitteilt, tritt am Vormittag in der Reichskanzlei
der interfraktionelle Ausschuß der Koalitionspar¬
teien zusammen, um die politische Lage und die Finanzreformvorschläge
des Reichskabinelts zu beraten.
Berlin, 6. Dezember. (Drahtmeldung.) Gestern begann im Leip¬
aziger Volkshaus der erste Reichsbetriebsrätekongreß für, die
Metallindustrie. Außer den Regierungsbehörden waren der inter¬
nationale Metallarbeiterverband, die Metallarbeiterverbände Norwegens,
Oesterreichs und der Tschechoslowakei, sowie die großindustriellen Unter¬
Alle diese Gespräche, ob sie banal oder geistvoll, ernst oder lustig,
wort= oder gedankenreich sind, steuern mehr oder weniger direkt auf ein und
dasselbe Ziel los: jenen heiklen Punkt, um den sich im letzten Grunde alle
Beziehungen zwischen Mann und Frau und, seit der Freigabe des „Reigens“
ür die Bühne, die Meinungskämpfe vieler Berufener und Unberufener drehen.
Diese Kämpfe sind, so sehr man ihre Ausartungen bedauern muß, verständlich
wenn man bedenkt, daß der besagte Punkt hier nicht, wie sonst in Liebes¬
dramen, als unsichtbares Aktschlußzeichen fungiert, sondern, vom Dichter
zu unzweideutigen Gedankenstrichen verlängert, mitten in den Dialog gesetzt
wird. Eine solche dichterische Freiheit hat sich vor Schnitzler aller¬
dings kein Dramatiker erlaubt, nicht einmal Aristophanes, der
doch gewiß nicht prüde war, und die Frage, ob dergleichen
auf die Bühne gehört, läßt sich nicht von der Hand weisen.
Man braucht kein Pharisäer oder Philister, kein Mucker oder Astlochgucker
zu sein, um sie grundsätzlich zu verneinen. Gewisse intime Vorgänge ent¬
ziehen sich aus ethischen wie ästthetischen Gründen unter allen Umständen
der dramatischen Darstellung, darüber helfen keine beschönigenden Sprich¬
worte wie „Dem Reinen ist alles rein“, helfen auch keine Gerichtsurteile
inweg. Nun bekommt man freilich in der Aufführung von diesen stummen
Zwischenakten de facto nichts oder nur die z. T. recht zaghaften Prälu¬
dien zu sehen, denn da, wo der Dichter die Gedankenstriche einschaltet,
schaltet der Regisseur die Lampen aus. Für das Bewußtsein des
Zuschauers ändert dieser Notbehelf aber nichts an der Peinlichkeit der
Situation, mag auch dem Auge das Schlimmste erspart bleiben. Die
Verdunkelung der Bühne erhellt den Tatbestand erst recht und das Ver¬
stummen des Gesprächts besagt ebenso deutlich, wie es Worte verm####en,
was man sich bei den Gedankenstrichen im Buch zu denken hat.
Als mildernden Umstand könnte man immerhin die künft##ischen
Werte des Werks gelten lassen. Sie sind natürlich vorhanden, denn
Schnitzler bleibt eben Schnitzler, auch wenn er einmal unter sein Niveau
sinkt. Trotzdem muß man auch von diesem Gesichtspunkt sagen: er hat
schon Besseres, seiner Würdigeres geschrieben. Gewiß bergen die Zwiege¬
spräche manches feine und kluge Wort, blißt hier ein dichterischer Ge¬
dankenfunke, dort ein witzig=satirisches Schlaglicht auf. Ein sehr feiner,
mit der trüben Unerquicklichkeit der ganzen Situation versöhnender Zug
z. B., wenn im letzten Bild der Graf bedauert, daß er die Dirne, in
deren=Zimmer er sich findet, nicht nur auf die Augen geküßt hat. „Es wäre
beinah ein Abenteuer gewesen: Das ist der Schnitzler, den wir kennen
und lieben, der gemütvolle zartsinnige Poet und geistreiche Sinnierer.
Auch spürt man in der Zeichnung der Personen und ihren charakterologisch
aufschlußreichen Wechselbeziehungen zueinander die sicher formende Hand
des dramatischen Gestalters. Und die ganze Wortmusik zu diesem Reigen
durchzieht jener bekannte Unterton melancholischer Resignation und Genu߬
müdigkeit, der in allen Schnitzlerschen Dichtungen, auch den heiteren, irgend¬
wo anklingt und das erotische Leitmotiv des „Reigens“ gelegentlich fast
zum Leidmotiv macht. An sich ist diese Schnitzlersche Mischung aus Zynis¬
mus und Wehmut, aus Epikuräertum und Lust am Spintisieren überhaupt
nicht ohne Reiz. Wir kennen sie aus dem „Anatol“=Zyklus und es scheint,
daß jenes Anatolien und das Bereich des „Reigens“ eng aneinander
grenzen. Hier wie dort malt sich in den mikrokosmischen Bildausschnitten
die der Dichter uns zeigt, die große Welt, die dahinter liegt, ab: Wien
mit allem, was zu diesem Begriff gehört. Auch der „Reigen“ wird stellen¬
weise mit jener spielerisch=müden Grazie getanzt, die Schnitzler so leicht
keiner nachmacht und die Musik, die man sich dann dazu wünschte, müßte
von Mozart oder Schubert sein. Schade nur, daß die mit insamer Regel¬
mäßigkeit einsetzenden „Gedankenstriche“ uns immer wieder mit brutgler!
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