11.
box 18/3
Reigen
—
Shamnitzer Tageniat
tehnitg
A 4
A F AUG.
Aus dem Dresdner Theaterleben wird uns
von unserem Theatermitarbeiter geschrieben:
Etwas verspätet kommt Schni##Rei¬
gen“ nach Drésden. D Grund hierzu mag
sein, daß kein Thsater das Stück in den Spiel¬
plan aufnehmen wollte, weil die Dresdner Presse
von vornherein mnergisch gegen das Werk ge¬
schrieben hatte. Nachdem die Fehde über das
Stück ins Berlins ausgefochten ist, wagte das
Residenztheaßer die Berliner Direktion
Hubert Reusch mit ihren Künstlern zu einem
einmonatigen Gastspiel einzuladen. Am Freitag
fand die erste Aufführung statt. Sie verriet eine
sorgfältige, wohlabgeschliffene Inszenierung. Die
Künstlerschar zeigte Routine. Der Eindruck auf
das Publikum war geteilt. Zu einer Entrüstung
kam es allerdings nicht. Das übervolle Haus
verhielt sich am Schlusse schweigend. Zuschauer,
die durch Lachen ihr Unverständnis oder durch
Zischen ihre Ablehnung bekundeten, wurden zur
Ruhe gebracht.
Ganz im Gegensatz dazu bewegt sich in völlig
erotiklosem Bahnen das neue und für die dies¬
jährige Sommerspielzeit letzte Lustspiel des
Muster¬
„Der
Centraltheaters:
gatte“ von Hogwood und Togsen, das am
gleichen Abend seine Erstaufführung erlebte. Es
stellt einen völlig harmlosen Stoff mit ein wenig
moralisierendem Untergrund dar. Ein überaus
solider Ehemann langweilt seine Frau dermaßen
durch seine unproblematische Natur, daß sie mit
Scheidung droht. In seiner Verzweiflung wen¬
det sich der unschuldig Schuldige an einen lebe¬
männischen Freund. Mit Hilfe von dessen ebenso
naiver, engelgleicher Gattin wird ein nächtliches
Prompt
Rendezvous mit Gelage inszeniert.
werden sie erwischt. Bitten, Erklärungen, neue
Mißverständnisse, kurzum eine Reihe zwerchfell¬
erschütternder Situationen. Schließlichwendet
sich doch noch alles zum besten. Man vereint sich
wieder, nachdem man die Lehre bekommen hat,
daß zur Erhaltung der Liebe ein gegenseitiges
Rätselstellen und =raten gut tut. Unter Otmar
Langs Regie wurde flott und vornehm gespielt.
Dank ihm und der ausgezeichneten Künstlerschar
an deren Spitze Arthur Klaproth in der Haupt¬
rolle glänzte, kam ein außerordentlicher Erfolg
G. J.
zustande.
Gir SCHUSTERNAN
ZEITUNGS - AUSSCHNITTE
BERLIN SO16, RUNGESTRASSE 22-24
GRöSSTES DEUTSCHES ZEITUNGS-AUSSCHNITT-BORo
Weser=Zeitung Bremen
Das führende Blatt Nordwestdeutschlands
mit täglich 3 Ausgaben
Perte
Morgen¬
Mittag= Ausgabe Nr.
Ausschnitt aus der
Abend¬
12 Allglasz.
vom
Dresden. Schnitzlers „Reigen“. Dr. Schreiber hatte
im Residenztheater mit der künstlerisch gemilderten, abge¬
klärten, Aufführung des vielumstrittenen „Reigens“ einen
schönen Erforg Am Tage der Ankündigung der Auffüh¬
rung war das Theater schon ausverkauft. Ein starkes
Polizeiaufgebot in Uniform und mehr noch in Zivil. Per¬
sonen unter 20 Jahren hatten zum Kunsttempel keinen
Zutritt. Handzettel wurden verteilt, worauf die Direktion
den Kartenkäufer verpflichtete, weder Zeichen des Beifalls
noch des Mißfallens zu äußern. Und so geschah es! Man
stand im Banne der künstlerischen Leistung des Berliner
Gesamtgastspiels, das die gekürzte Dichtung zu einem Kunst¬
werk erstehen ließ, das nirgends verletzte. Die grobsinn¬
lichen Operetten und französischen Schwänke, die hier in
Dresden die Zensur freigab, sind in ihrem unkünstlerischen,
undeutschen Wesen im Vergleich mit dem geschmähten Kunst¬
werk „Reigen“ wahre Ausgeburten sittlicher Entgleisungen,
Johannes Reichelt.
7 8
Heisiseh-Wostfalisene Zeit
650
Eanen a. Ruhr.
12AUG. 1822
st
WS
Dr.
linser Dresdner Kunstberichterstatter schreibt uns:
Schreiber hatte im Residenztheater mit der gemilderten Auf¬
ührung des vielumstrittenen Nengams einen Erfolg. Am Tage
der Ankündigung war desThenlek schönk ansverkauft. Ein starkes
Polizeiaüfgebot =inUniform und mehr noch in Ziil. Personen
unter 20 Ichren hatten keinen Zutritt. Handzettel wurden, wie
anderswo auch, verteilt, worauf die Direktion den Kartenkäufer
verpflichete, weder Zeichen des Beifalls noch des Mißfallens zu¬
äußern. Die grobsinnlichen Operetten und franzötischen Schwänke
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Shamnitzer Tageniat
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A F AUG.
Aus dem Dresdner Theaterleben wird uns
von unserem Theatermitarbeiter geschrieben:
Etwas verspätet kommt Schni##Rei¬
gen“ nach Drésden. D Grund hierzu mag
sein, daß kein Thsater das Stück in den Spiel¬
plan aufnehmen wollte, weil die Dresdner Presse
von vornherein mnergisch gegen das Werk ge¬
schrieben hatte. Nachdem die Fehde über das
Stück ins Berlins ausgefochten ist, wagte das
Residenztheaßer die Berliner Direktion
Hubert Reusch mit ihren Künstlern zu einem
einmonatigen Gastspiel einzuladen. Am Freitag
fand die erste Aufführung statt. Sie verriet eine
sorgfältige, wohlabgeschliffene Inszenierung. Die
Künstlerschar zeigte Routine. Der Eindruck auf
das Publikum war geteilt. Zu einer Entrüstung
kam es allerdings nicht. Das übervolle Haus
verhielt sich am Schlusse schweigend. Zuschauer,
die durch Lachen ihr Unverständnis oder durch
Zischen ihre Ablehnung bekundeten, wurden zur
Ruhe gebracht.
Ganz im Gegensatz dazu bewegt sich in völlig
erotiklosem Bahnen das neue und für die dies¬
jährige Sommerspielzeit letzte Lustspiel des
Muster¬
„Der
Centraltheaters:
gatte“ von Hogwood und Togsen, das am
gleichen Abend seine Erstaufführung erlebte. Es
stellt einen völlig harmlosen Stoff mit ein wenig
moralisierendem Untergrund dar. Ein überaus
solider Ehemann langweilt seine Frau dermaßen
durch seine unproblematische Natur, daß sie mit
Scheidung droht. In seiner Verzweiflung wen¬
det sich der unschuldig Schuldige an einen lebe¬
männischen Freund. Mit Hilfe von dessen ebenso
naiver, engelgleicher Gattin wird ein nächtliches
Prompt
Rendezvous mit Gelage inszeniert.
werden sie erwischt. Bitten, Erklärungen, neue
Mißverständnisse, kurzum eine Reihe zwerchfell¬
erschütternder Situationen. Schließlichwendet
sich doch noch alles zum besten. Man vereint sich
wieder, nachdem man die Lehre bekommen hat,
daß zur Erhaltung der Liebe ein gegenseitiges
Rätselstellen und =raten gut tut. Unter Otmar
Langs Regie wurde flott und vornehm gespielt.
Dank ihm und der ausgezeichneten Künstlerschar
an deren Spitze Arthur Klaproth in der Haupt¬
rolle glänzte, kam ein außerordentlicher Erfolg
G. J.
zustande.
Gir SCHUSTERNAN
ZEITUNGS - AUSSCHNITTE
BERLIN SO16, RUNGESTRASSE 22-24
GRöSSTES DEUTSCHES ZEITUNGS-AUSSCHNITT-BORo
Weser=Zeitung Bremen
Das führende Blatt Nordwestdeutschlands
mit täglich 3 Ausgaben
Perte
Morgen¬
Mittag= Ausgabe Nr.
Ausschnitt aus der
Abend¬
12 Allglasz.
vom
Dresden. Schnitzlers „Reigen“. Dr. Schreiber hatte
im Residenztheater mit der künstlerisch gemilderten, abge¬
klärten, Aufführung des vielumstrittenen „Reigens“ einen
schönen Erforg Am Tage der Ankündigung der Auffüh¬
rung war das Theater schon ausverkauft. Ein starkes
Polizeiaufgebot in Uniform und mehr noch in Zivil. Per¬
sonen unter 20 Jahren hatten zum Kunsttempel keinen
Zutritt. Handzettel wurden verteilt, worauf die Direktion
den Kartenkäufer verpflichtete, weder Zeichen des Beifalls
noch des Mißfallens zu äußern. Und so geschah es! Man
stand im Banne der künstlerischen Leistung des Berliner
Gesamtgastspiels, das die gekürzte Dichtung zu einem Kunst¬
werk erstehen ließ, das nirgends verletzte. Die grobsinn¬
lichen Operetten und französischen Schwänke, die hier in
Dresden die Zensur freigab, sind in ihrem unkünstlerischen,
undeutschen Wesen im Vergleich mit dem geschmähten Kunst¬
werk „Reigen“ wahre Ausgeburten sittlicher Entgleisungen,
Johannes Reichelt.
7 8
Heisiseh-Wostfalisene Zeit
650
Eanen a. Ruhr.
12AUG. 1822
st
WS
Dr.
linser Dresdner Kunstberichterstatter schreibt uns:
Schreiber hatte im Residenztheater mit der gemilderten Auf¬
ührung des vielumstrittenen Nengams einen Erfolg. Am Tage
der Ankündigung war desThenlek schönk ansverkauft. Ein starkes
Polizeiaüfgebot =inUniform und mehr noch in Ziil. Personen
unter 20 Ichren hatten keinen Zutritt. Handzettel wurden, wie
anderswo auch, verteilt, worauf die Direktion den Kartenkäufer
verpflichete, weder Zeichen des Beifalls noch des Mißfallens zu¬
äußern. Die grobsinnlichen Operetten und franzötischen Schwänke