II, Theaterstücke 10, Das Vermächtnis. Schauspiel in drei Akten, Seite 17

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10. Das Vernaechtn—

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ausschnitt aus: Wedt -Schr
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Das jüngste Kind seiner Muse hat Arthur Schnitzler
dem Aerztestand nicht auf den Leib geschrieben. Ihre Kunst
hat es nicht zuwege gebracht, uns Mittwoch im Burgtheater
vor drei todtbringenden Actschlüssen zu retten. Die dumpfe
Traurigkeit, die über Schnitzler's neuestem Schauspiel „Das
Vermächtniß“ rnausgesetzt ihre düsteren Schatten breitet, ist
der Cardinalfehler des Stückes, denn die tiefsinnige Lebens¬
philosophie seiner sonst so trefflichen Arbeit ermüdet die Zu¬
hörer durch den vollständigen Mangel auch nur des kleinsten,
-heiteren Einwurfes. Schnitzler ist schon lange würdig, der
Bezeichnung als „Jung=Wiener“ wieder entkleidet zu werden,
denn er kämpt im Gegensatz zu diesen mit bewunderungs¬
würdiger Treue erstens für gesunde Principien, zweitens immer
für dieselben. Der Inhalt seines Schauspieles gipfelt in dem
Gedanken, daß die Liebe zu einem guten Mann keine Sünde
sei, auch wenn dieselbe ihres legitimen Charakters entbehren
müsse. Man hat das Gefühl, daß dieser Gedanke sich nicht
aus der Handlung ergibt, sondern daß der Dichter zu diesem
Gedanken erst die Handlung gesucht hat. Doctor Hugo Losatti
ist der Name des jungen Mannes, der, durch einen Sturz
vom Pferde dem Tode geweiht, kurz vor seinem Ende seiner
Mutter die Existenz einer Geliebten und eines Kindes einge¬
steht. Er nimmt ihr das Versprechen ab, sich derselben an¬
zunehmen. Seine Mutter und seine Schwester Franziska, eine
freidenkende, äußerst sympathische Mädchengestalt, setzen den ##
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kletzten Wunsch des theuren Todten in die That um und ve
kommen Toni Weber, der armen Verlassenen, mit innigem
Wohlwollen und warmer Freundschaft entgegen. Von den
übrigen Verwandten verhält sich ein Theil passiv, ein anderer, in
9 darunter auch Franziska's Bräutigam Doctor Ferdinand
Schmidt, findet ihre Aufnahme in die Familie mit ihren
Grundsätzen über Moral und Sitte unvereinbar, und ist be¬
müht, Toni Weber hinauszubeißen. Nach dem kurz darauf
erfolgenden Tode ihres Kindes glauben sie nun der letzten
Rücksichten auf den Willen des Verstorbenen enthoben zu sein
und beschwören den Bruch herauf, der durch einen peinlichen
Auftritt zwischen Toni und Schwidt perfect wird. Toni
Weber wandelt den Weg Christinen's in der „Liebelei“
sie geht in's Wasser. Franziska fühlt sich von der
engherzigen Moral ihres Bräutigams abgestoßen und löst
ihre Verlobung mit ihm. In der Rolle des Vaters Losatti,
eines zweiten Hjalmar Egdal, rehabilitirte sich Herr Hart¬
mann für verschiedene Niederlagen der letzten Zeit glänzend.
Die Damen Hohenfels und Medelsky, die Herren
Treßler und Devrient verdienen uneingeschränkte An¬
erkennung. Frau Schmittlein fand etwas zu spät den
richtigen Ausdruck für die Angst der für das Leben ihres Kindes
zitternden Mutter. Frau Schratt war gut wie gewöhnlich,
Fräulein Bleibtreu zu wuchtig und Herr Paulsen zu
kalt. Der Erfolg war ein verdienter, obwohl er selbstverständlich
war. Denn während man auf der Bühne „das Vermächtniß“
spielte, sah man im Parquet „die guten Freunde“.
Jaromir.

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vom 9#/2#
Hofburgtheater.
((„Das Vermächtniß". Schauspiel in drei Acten von Arthur Schnitzler.
Zum ersten Male aufgeführt am 30. November 1898.)
Eine neue Dichtung von Arthur Schnitzler gilt heute,
und mit vollem Rechte, als literarisches Ereigniß. Man kennt
diesen hochbegabten Autor, der an Talent und im rücksichtslosen
Schauen seine Collegen Bahr, Dörmann, Herzel u. s. w. in
den Schatten stellt, als einen Modernen, der aus den unteren
Volksschichten aufregende, wenn auch nicht gerade sittlich un¬
anfechtbare Thesen dramatisch bearbeitet und gewohnt ist, der
klein= und großbürgerlichen Gesellschaft den Spiegel ihrer Heuchelei
vorzuhalten. Schnitzler ist Arzt, ein medicinischer Dramendichter.
Mit anatomischer Schärfe zergliedert er den Hochmuth, den
Classenstolz und das scheinbar noble Raffinement seiner Mit¬
bürger. Aber seine Schauspiele leiden an dem freilich verzeih¬
lichen Fehler, daß er auch Trugschlüsse für seine Dogmen in's
Feld führt, daß er seine gesellschaftlichen Hypothesen in blinder
Wuth auch gegen rechtliche Gegner vertheidigt. „Das Vermächtniß“.
dessen starker Erfolg unbestritten ist, leidet, mehr als seine Vor¬
gänger aus Schnitzler's Feder, an diesem Fehler. Sterbend
beschwört der Sohn des Abgeordneten und Universitätsprofessors
Adolf Losatti seine Eltern und Schwester, seine langjährige
Geliebte und ihr Kind in's Haus zu nehmen. Herr, Frau und
Fräulein Losatti halten ihren Schwur, verstoßen aber Antonie
Weber, nachdem ihr Knabe gestorben ist. Antonie geht in's Wasser.
Hierin liegt die Schwäche des „Vermächtnisses“ Weshalb geht
Antonie in den Tod? Und weshalb werden Professor Losatti“
und seine Frau als grausam hingestellt, wenn sie, nachdem der!
Enkel gestorben, die ungeliebte Geliebte des Sohnes, die in ihr
Haus nicht paßt, entfernen wollen? Sie hätten das Mädchen¬
ja auch ferner noch unterstützt, sie hätten sie nicht fallen lassen, as
Ahaber zu Fräulein Franziska Losatti, ihrer Tochter, einem recht den
Absecessionistisch gesinnten Blaustrumpf, paßt denn die gefallene
Tom doch nicht. Und Schnitzler verstopft seine Ohren gegen
diese triftigsten Gründe der Vernunft. Vielleicht auf der Bühne!
Inur. Denn gewiß wird er seinen eigenen Schwestern keine Toni
Weber in's Haus bringen. Gespielt wurde dieses Drama der
Iverlassenen Magdalenen mit lobenswerthem Naturalismus. Frau
„Schratt wußte als Toni Weber warme Herzenstöne anzu¬
schlagen, so daß manches mitleidsvolle Auge naß wurde. Herr
HHartmann und Frau Schmittlein übertrugen ihre Rollen
in Ibsen'sche Gedankentiefe, und Frau Hohenfels überzeugte,
selbst Ungläubige, zu ihren sittlich unmoralischen Gesellschafts¬
dogmen. In kleineren Partien gefielen die Frl. Bleibtreu,
[Medelsky und Metzl, die Herren Devrient und Treßler.
Herr Paulsen scheint uns für die Burg zu hölzern und un¬
lvornehm.