II, Theaterstücke 10, Das Vermächtnis. Schauspiel in drei Akten, Seite 36

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10. Das Vernaechtnis
Teieion 12801.
Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte.
Ausschnitt
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Nr. 91
„OBSERVER
I. österr. behördl. concess. Bureau für Zeitungsberichte und Personalnachrichten
Wien, IX/1 Türkenstrasse 17.
— Filiale in Budapest: „Figyelö“, VIII. Josefsring 31 a.
desschwitt aus Oeum (duelimt, Tertuund
2e
vom /2. 98.
Als ich nach der ersten Aufführung des Schauspiels
„Das Vermächtnis“ von Arthur Schnitzler das
Burgtheater verließ, traf ich mit einem alten Bekannten
zusammen. Der Mann gehört mit seinem Denken und
Fühlen einer Zeit an, in der das Rindfleilch noch tiefer
und die Literatur noch höher im Werie standen als heut¬
zutage. „Nun“.
fragte ich ihn, „wie hat Ihnen das
Stück gefallen?“
Er sah mich einen Moment prüfend
an, als ob er sagen wollte: Willst mich etwann frozzeln?
dann antwortete er in dem breiten Dialecte des Urwieners:
„Wissen S' wann die Komödi von X oder Y is, lass' ich
mir's g'fallen; von an gewöhnlichen Menschen, der vielleicht
in sein' ganzen Leben no' nie im Café Griensteidl oder
Pucher g’wesen is, von dem kann man net mehr verlangen.
Aber einer von die Modernen, von die „Reinen und Freien“
därf mir mit so ein' Holler net kommen. Wo ist denn die
neuche Kunst, die s
uns versprochen haben, die jungen
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Herrln? Wo is s’ denn:
— „Erlauben Sie,“ wandte ich
schüchtern ein, „Sie vergessen das „süße Mädel“!
„Lieber
Herr,“ erwiderte mein Begleiter, „das „süße Mädel“, das
war schon am Theater, bevor der Herr Schnitzler noch ein
„süßer Knabe“ war. Am Burgtheater vielleicht net, das is
möglich; dort g’hört's aber a' net hin, das Rüasserl!
J
werd' Ihnen was sagen: Wie wir no' Kinder
waren, san wir
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hie und da auf allerhand
kommen, wo ma glaubt hab'n: Bruder, jetzt hast was
entdeckt, was vor dir no ka sterblicher Mensch g’'wusst hat.
Zum Beispiel, dass die Gurken net auf die Bam wachsen
oder dass die Katz' Mäus' fangt. Natürli, uns war's
neuch, ergo, haben wir g'meint, hat a die ganze Welt
bis dato ka Ahnung g’habt, wie die Gurken wachsen und
Für 50 ] von was die Katz' lebt. Akrat so machen's heut die Jungen gelusi
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in der Literatur. Alle Damlang entdecken's a neuche Porto.
200
Zahlbal
Wahrheit, machen a Gethua und a G'serres, blasen si' auf
n Vora
500
und machen si' potzert, als ob sie 's menschliche Leben,
1000
in das s' kaum vor a paar Brottäg' einig’hupft san,
die Frösch', erst entdeckt hätten. Uns wollen sie was der¬
ht „8
zählen, von Sacherln, die s’ net amal recht vom Hörsag'n
Abonnem
##n.
kennen, uns, dies’ g’segn oder erlebt haben! G'schichten
Abonnen
aus 'n „Krakauer Kalender“ möchten s’ uns als niegel¬
nagelneuche Probleme aufdisputieren! Haha! Und der Pimpf
von ein' Publicum sitzt dort und passt auf wie a Haftel¬
macher und hat a Riesenfreud', dass da oben am Theater
g'rad' so zugeht, wie bei ihm z'Haus. Herentgegen braucht
heutzutag a Dramatiker a Hirnschmalz? Lächerbar! Je schlam¬
perter so a realistische Komödie z'sammpofelt is, desto na¬
türlicher und je natürlicher, desto größer is das Meisterwerk. A
feine Pointe im Dialog, a wirksame Situation oder a guter
Actschluss? Fallt ihm net ein! Weil ihm überhaupt nix einfallt.
Er hat's ja auch, Gottseidank net nothwendig, er schreibt 's
Leben einfach ab. Früher hat man die Figuren gezeichnet, jetzt
werden's photographiert, früher war der Autor ein Seelen¬
maler, jetzt is er ein Radiotinterl und —. „Aber das
Stück des Herrn Dr. med. Arthur Schnitzler?“ unterbrach
ich ihn endlich ungeduldig. „Hm,“ versetzte er nachdenklich,
„der Herr Schnitzler is ganz a talentvoller Mann, aber er
is Doctor der Medicin und so einer hat nie a g’sunde
Idee.“
„Und die Darstellung?“
„Ah, allerhand
Hochachtung! Hartmann prima! Hohenfels, Schmitt¬
lein, Schratt brillant. Das Burgtheater geht net
unter — trotz'n alten Schlentherian! — Gute Nächte!
Telefon 12801.
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105 „OBSERVER“
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Ausschnitt aus: Mu Wede
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Wiener Theaterbilder.
Das größte Talent der Wiener, Moderne, Arthur
Schnitzler, der in stetig wachsender Entwicklung zu
den höchsten Zielen der Kunst schreitet, hat mit seinem
ergreifenden Drama „Das Vermächtniß“ im Burg¬
theater einen großen und ehrlichen Erfolg erzielt. Der
Dichter des „Anatol“ und der „Liebelei“ schreitet auf
seinem ureigensten Gebiete, dem kleinbürgerlichen Schau¬
sviel, Schritt für Schritt vor, und die Tragödie des
„süßen Mädels“ ist um einneues, d##tisch bedeutendes
Werk bereichert worden, in dem Schn#r die Höhe seiner
Kunst erreicht hat. Schnitzler versteht Menschen und
Schicksale zu zeichnen, baut sein Drama technisch un¬
anfechtbar auf- und wählt seine Motive aus der Welt,
die jenseits der sogenannten „Gesellschaft“ steht und deren
Couflicte der Dichter auf der Bühne mit genialer Hin¬
gebung auskämpft. Auch die Schauspieler standen mit
voller Kraft zum Dichter. Herr Hartmann errang einen
seiner größten Erfolge, Frau Schratt gab die herz= und
gemüthvolle Dulderin des Stückes, Frau Hohenfels
ihre bürgerliche Gegnerin, die sich in flammender Be¬
geisterung zu der Moral der „Verworfenen“ bekehrt. Herr
[Treßler bot im ersten Acte ein naturwahres Sterben,
Jund Herr Devrient gab einen seiner Bösewichte mit
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Für
Geschick und Geschmack. Der Dichter wurde vom ganzen
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neluno.
Hause mit Beifall überschüttet und oft gerufen und
200
Zahlbar
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namentlich von den „oberen Zehntausend“, den Galerien, im Vora#
" 1000
demonstrativ bejubelt.
Im Gegensatse zu anderen Bureaux fur Zeitungsausschnitte ist #.#
auch steht

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